Lernziele
Häufig sind bei praktischen Fragestellungen des Ingenieurwesens strenge Lösungen des formulierten mathematischen Modells nicht mehr möglich, so dass im Rahmen der Lösungstheorie Näherungsverfahren herangezogen werden müssen. Von der breiten Vielfalt sollen hier einige ausgewählte Verfahren angesprochen werden, die zum einen grundlegend sind und zum anderen auch ohne Rechnerunterstützung, die hier generell nicht angesprochen wird, verstanden und in den Grundzügen ausgeführt werden können. Der Nutzer hat nach Durcharbeiten des vorliegenden Kapitels gelernt, was die (reguläre) Störungsrechnung in seiner Anwendung auf algebraische und transzendente Gleichungen, auf Anfangs- und auf Randwertprobleme bedeutet, und ist vertraut mit dem Galerkin-Verfahren als wichtigster Sonderfall von Verfahren gewichteter Residuen und dem Ritz-Verfahren, dem Hauptvertreter von Näherungsverfahren der direkten Variationsrechnung. Nachdem er die beiden letztgenannten Verfahren kennengelernt und verstanden hat, ist der Weg frei zu FE-Methoden unterschiedlicher Ausprägung, die heute den Markt kommerzieller Programmpakete beherrschen, aber allesamt auf jenen aufsetzen. Um die Einschränkungen beim Lösen von Anfangswertproblemen zu überwinden, sind numerische Integrationsmethoden zwingend. Deshalb wird ergänzend ein kurzer Überblick über derartige Verfahren gegeben, bevor abschließend auch der Umgang mit Formelmanipulationsprogrammen angesprochen wird, die beispielsweise die Störungsrechnung wesentlich vereinfachen können.
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Notes
- 1.
Ist dies nicht der Fall, so hat man die Methode der sog. singulären Störungsrechnung zu verwenden; diese berücksichtigt den „unstetigen“ Übergang von \(\varepsilon=0\) auf \(\varepsilon\neq 0\).
- 2.
Algebraische Gleichungen enthalten die Gleichungsvariablen in Form von Summen, Differenzen, Produkten, Quotienten, Potenzen und Wurzeln (solange der Potenz- bzw. der Wurzelexponent ganzzahlig ist). Bei transzendenten Gleichungen dagegen treten die Gleichungsvariablen mindestens einmal im Argument einer transzendenten Funktion auf (z. B. \(\cos x\), \(\ln x\), etc.). Nur in Sonderfällen können transzendente Gleichungen auf algebraische zurückgeführt werden (meist durch Substitution).
- 3.
Man sagt, alle in der Verschwindungsgröße O\((\varepsilon^{n})\) enthaltenen Terme \(f(\varepsilon)\) verschwinden für \(\varepsilon\rightarrow 0\) von der Ordnung \(\varepsilon^{n}\). Das bedeutet für \(f(\varepsilon)\): Unabhängig von der Wahl der Größe \(\varepsilon\) muss \(|\frac{f(\varepsilon)}{\varepsilon^{n}}|\leq C\quad\text{f{\"u}r }C> 0\) gelten.
- 4.
Die dann außer \(x=\pm\pi-\varepsilon\pi^{2}\) noch auftretenden zwei Lösungen \(x=-{1\over\varepsilon}\pm\pi-\varepsilon\pi^{2}\) liegen nicht mehr in der Umgebung von \(\pm\pi\), sie sind also hier nicht relevant.
- 5.
Im Rahmen einer systematischen Vorgehensweise (s. Beispiel 6.5) ist die Entwicklung des Frequenzparameters als Lindstedt-Normierung bekannt.
- 6.
Das formale Verfahren Variation der Konstanten bestätigt das Ergebnis.
- 7.
Ein Funktionen-System ist nichts anderes als eine abzählbare Menge unendlich vieler „verwandter“ Funktionen, z. B. \(f_{k}=x^{k}\) (\(k=0,1,\ldots\)). Durch geeignete Überlagerung aller Mitglieder \(f_{k}(x)\) eines Funktionensystems kann eine weitgehend beliebige Funktion \(h(x)\) in einem endlichen Intervall approximiert bzw. dargestellt werden: \(h(x)=\sum_{k=0}^{\infty}a_{k}f_{k}(x)\). Diese Entwicklung gelingt aber nur dann, wenn das jeweilige Funktionensystem vollständig ist, d. h. alle Mitglieder des Funktionen-„Typs“ auch tatsächlich enthält. So ist das System \(f_{k}(x)=x^{k}\) (\(k=0,1,3,\dots\)) nicht mehr vollständig, da eine der Potenzfunktionen, hier \(f_{2}=x^{2}\), fehlt. Deutlicher wird das Problem bei Betrachtung von \(f_{k}(x)=\sin k\pi x\) (\(k=0,1,\ldots\)). Da alle Funktionen \(f_{k}\) den Wert \(f_{k}(1)\equiv 0\) an der Intervallgrenze \(x=1\) aufweisen, kann keine Funktion \(h(x)\) mit \(h(1)\neq 0\) in dieses Funktionensystem entwickelt werden; damit ist das System der Funktionen \(f_{k}(x)\) ersichtlich nicht vollständig. Vollständig ist erst die Vereinigung der beiden Funktionensysteme \(f_{k}(x)=\sin k\pi x\) und \(g_{k}(x)=\cos k\pi x\), weil sich damit jede Funktion \(h(x)\) im Intervall \((0,1)\) entwickeln lässt: \(h(x)=b_{0}+\sum_{k=1}^{\infty}(a_{k}\sin k\pi x+b_{k}\cos k\pi x)\) (Fourier-Reihe).
- 8.
Dies erinnert natürlich an das Grundproblem der Störungsrechnung, das dem zu untersuchenden Problem ebenfalls „benachbart“ ist.
- 9.
I. Allg. ist \(\mathbf{e}\) ein „Vektor“; alle Aussagen gelten dann komponentenweise.
- 10.
Auch wenn diese Voraussetzungen eingehalten werden, ist die Konvergenz nur für gewisse Klassen von Problemen, z. B. lineare Randwertprobleme 1-parametriger Kontinua mit zeitunabhängigen Koeffizienten, allgemein bewiesen.
- 11.
Erweiterte Varianten des Galerkin-Verfahrens enthalten zusätzliche Informationen über dynamische Randbedingungen, so dass dann zulässige Funktionen als Ansatzfunktionen ausreichen.
- 12.
Eine Rechnung mit beliebig großer Obergrenze \(N\) für ein ähnliches Beispiel – jedoch unter Benutzung von Polynomansätzen – ist in [6] zu finden.
- 13.
Für ein Stabilitätsproblem der Elastostatik z. B. ist das Lagrange-Potenzial \(L\) gleich der potenziellen Energie \(V\), und der Eigenwert kennzeichnet die Belastung; der niedrigste Eigenwert bestimmt dann die kritische Last.
- 14.
Allerdings ist die für Extremalprobleme relativ allgemein beweisbare Konvergenz dann nicht mehr gesichert; theoretisch muss also in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die verwendete Funktionenreihe für \(N\rightarrow\infty\) gegen die gesuchte Lösung konvergiert.
Literatur
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Riemer, M., Seemann, W., Wauer, J., Wedig, W. (2019). Ausgewählte Näherungsverfahren. In: Mathematische Methoden der Technischen Mechanik. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25613-5_6
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