Zusammenfassung
Ausgehend von einer bildungskritischen Positionierung auf die hier zu diskutierende Fragen nach der Bildung eines „besseren Selbst“ werden in dem Beitrag sozialkonstruktivistische Überlegungen darüber angestellt, wie Vorstellungen bzw. „Bilder“ von uns Selbst entstehen und wie diese „Bilder“ durch Geschichten gefärbt werden, die ein richtiges, besseres, erstrebenswertes Leben versprechen und an denen sich Menschen in ihrer Lebensführung orientieren. Solche Bildungsgeschichten verweisen auf eine rationale Lebensführung, die das Individuum als selbstverantwortetes Wesen stilisiert und damit eine individualistische Erfolgslogik begründet, die sich in sozialisatorischer Praxis ausbildet und lebenspraktisch umgesetzt wird. Zentral ist dafür die Einsicht, dass sich sozio- und ontogenetische Prozesse kokonstruktiv verweben und sich dem entsprechend wechselseitig durchdringen und damit zugleich auf die zeithistorischen gesellschaftlichen Vorstellungen von Subjekt, Person, Akteur verweisen. Das wiederum hat, wie sich in den folgenden Überlegungen zeigen wird, Konsequenzen für die Bestimmung des Selbst-Weltverhältnisses, also von „Bildungsprozessen“ im Allgemeinen.
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Grundmann, M. (2020). Kokonstruktive Selbstbezüge und sozialisatorische Bildung. In: Deppe, U. (eds) Die Arbeit am Selbst. Studien zur Schul- und Bildungsforschung, vol 74. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23580-2_4
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