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Die Ärztekammern zwischen Professionsmythos und Verteilungskämpfen

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Ärzteverbände und ihre Mitglieder

Zusammenfassung

Das Bild des Arztstandes als „Halbgötter in Weiß“, die dem Berufsethos verpflichtet sind, hat in der Öffentlichkeit deutlichen Schaden genommen. Dies wird insbesondere den öffentlich ausgetragenen Verteilungskonflikten in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung angelastet, während die Ärztekammer weitgehend als ethikorientierter, konfliktfreier Raum stilisiert wird. Tatsächlich sind sowohl das tatsächliche Professionsverständnis der Ärzteschaft und die Verhältnisse in den Selbstverwaltungsorganisationen differenzierter zu betrachten. Der Beitrag zeigt auf, dass auch die Ärztekammer durchaus von erheblichen (Verteilungs-)Konflikten betroffen ist, macht jedoch auch deutlich, dass die Ärzteschaft nach wie vor einen starken, handlungsleitenden Professionsmythos aufweist, der in der Lage ist, Spanungslinien zu überschreiben und gemeinwohlorientierte Entscheidungen zu befördern.

Für sehr hilfreiche Kritik und Kommentare danke ich meinen KollegInnen Saskia Freye und Jonas Weidtmann sowie Christoph Strünck.

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Notes

  1. 1.

    Hierbei handelt es sich um stehende Begriffe in der (kritischen) Diskussion um die ärztliche Selbstverwaltung und ihrem Agieren. Der Begriff „Monethik“ wird dabei als Abgrenzungsmerkmal gegenüber ethischen Fragen und ihrer Hierarchisierung sowohl im ärztlichen Handeln als auch in der ärztlichen Interessenpolitik ebenso genutzt, wie als überspitzte Kompetenzzuschreibung gegenüber den Kammern und den Kassenärztlichen Vereinigungen.

  2. 2.

    Anders als dies beispielsweise bei Kaufleuten o. a. Berufen der Fall gewesen ist, die schon früh Berufsbilder mit normativen Verhaltensanforderungen ausgebildet und sich vollumfänglich organisiert haben – nicht nur zum Zwecke des Handels, sondern auch zur Regulierung der Berufsausübung und sozialer Absicherung der (Berufs) Angehörigen.

  3. 3.

    Obgleich es sich dabei nicht um ein Alleinstellungsmerkmal dieser Berufe handelt und auch nicht alle freien Berufe wie bspw. die Steuerberater zwangsläufig eine wissenschaftlich-akademische Ausbildung aufweisen. Diese Zuschreibung und enge Verknüpfung ist eher darauf zurückzuführen, dass die freien Berufe, insbesondere die Mediziner und Juristen, zu den ersten klassischen Universitätsausbildungen gehört haben und demnach traditionell besonders mit akademischer Bildung verknüpft wurden.

  4. 4.

    Allerdings kann dieses gemäßigte Gewinnstreben bspw. bei Apothekern (die auch Mitglieder bei den Industrie- und Handelskammern sind) nicht als prägendes Merkmal betrachtet werden (dazu auch Kluth 2007, S. 272).

  5. 5.

    Anzumerken ist allerdings auch, dass je nach Verwirklichungsform, das Idealbild auf die einzelnen Berufsangehörigen in ganz unterschiedlicher Weise zutrifft. Die – durchaus auch strukturelle bedingte – Ökonomisierung des Gesundheitswesens (die begrifflich nicht mit Wirtschaftlichkeit verwechselt werden darf) wird auch innerhalb der Ärzteschaft diskutiert. Allerdings hat auch hier der oben beschriebene Diskurs eine Delegitimation der berufsständischen Privilegien herbeigeführt: Die „ureigenste Aufgabe der Freien Berufe gegenüber der Gesellschaft“, nämlich gegenüber ihren einzelnen Patienten glaubhaft darlegen zu können, dass sie „fähig und bereit sind, im Sinne des Gemeinwohl zu handeln und damit auch im Sinne eines wohlverstandenen Interesses des einzelnen Klienten“ als Legitimationsleistung der Freiberufler seien in den vergangen Jahren so stark vernachlässigt worden, dass eine Bemühung um die Deregulierung und die Aufhebung ihres Sonderstatus eine nachvollziehbare Konsequenz sei (Hommerich 2012a, S. 4, auch Hommerich 2012b, 2007).

  6. 6.

    Wobei die Untersuchung und ihre Methodik zu „lebhafter“ Kritik führte (Kluth 2007, S. 275). Vorgeworfen wird der EU-Kommission in diesem Zusammenhang, dass mit Blick auf Beispiele in anderen Ländern die Deregulierung der Freien Berufe damit gerechtfertigt wird, das keine Gefährdungen aufgetreten sind und nicht die besten Ergebnisse für die Verbraucher das Gütekriterium der Reglementierung darstellt (Kluth 2007, S. 276).

  7. 7.

    Die verwendeten Zitate in diesem Beitrag sind wörtlich transkribierten Interviews entnommen und in Satzbau und Ausdruck unverändert belassen worden. Fehler und unvollendete Sätze entsprechen daher dem Redefluss der Interviewten.

  8. 8.

    Erwähnenswert im Kontext der sozialisationsbedingten Gemeinschaftsvorstellungen ist es eine interessante Minderheitenargumentation, die sich auf die Anfänge des Marburger Bundes zurückführen lässt. Diese wird insbesondere von der Ärztekohorte geschildert, welche den Abspaltungsprozess des Marburger Bundes von Ver.di und die Transformation vom Interessenverbund zur eigenen Gewerkschaft miterlebt und mitgetragen hat. Diese einprägsame Zeit hat Spuren in Form einer klassischen Gewerkschaftssozialisation und Arbeitnehmeridentität hinterlassen. Das ehrenamtliche Engagement bezog sich dabei in aller erster Linie auf die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten gegenüber dem Arbeitgeber, der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und fairer Bezahlung. Die Grundargumentation weist dabei einen fast sozialdemokratischen, gewerkschaftlich-egalitären Zug auf und steht im Kontrast zu den sonst vorzufindenden elitären Erzählmustern. Der Zugang zum weiteren Engagement in der Selbstverwaltung geht dabei auf den Einstieg über den Arbeitskampf zurück, wobei im späteren Verlauf zwar eine Interessenverlagerung beobachtbar ist, jedoch dennoch weiterhin eine gewisse Distanz zum elitären Selbstverständnis erhalten geblieben ist.

  9. 9.

    Dies wird beispielsweise in der ablehnenden Haltung gegenüber einem diskutierten medizinischen Grundstudium für alle Gesundheitsberufe sehr deutlich. Durch die Abhängigkeit von sozialer Herkunft und schulischem Erfolg stellt der anspruchsvolle Numerus Clausus weiterhin eine starke Selektion nach Milieu dar, die den elitär-homogenitätsaffinen Vorstellungen ärztlicher Gemeinschaft sicherlich nicht entgegenläuft.

  10. 10.

    Auch die anderen klassischen Argumente zu nachlassendem Engagement werden hier aufgeführt: Zeitmangel, erhöhte Mobilität, neue Familienmodelle und Geschlechterrollen, andere Prioritäten, weniger lokale oder regionale Bindungen. Diese geänderten Lebensentwürfe führten auch zu einem größeren Organisationsaufwand, sodass weniger Zeit für ein längerfristiges und zeitraubendes Engagement vorhanden sei.

  11. 11.

    Die allerdings mit rund 50 % immer noch weit über denen in anderen Kammern liegt.

  12. 12.

    Hier wird vor allem auf die Praxis mancher Fakultäten verwiesen, eine amerikanisierte Abschlussfeier zu veranstalten, bei denen die AbsolventInnen im Talar gekleidet sind und ihre Hüte in die Luft werfen sowie die Zuweisung bestimmter Namen für Abschlussklassen wie der „Galen-Jahrgang“ o. ä.

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van Elten, K. (2018). Die Ärztekammern zwischen Professionsmythos und Verteilungskämpfen. In: Spier, T., Strünck, C. (eds) Ärzteverbände und ihre Mitglieder. Studien der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19249-5_4

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