Zusammenfassung
Dieser Betrag erweitert die Theorie des Ausnahmezustandes um den Faktor der Interdependenz zwischen Recht und Gesellschaft. Aus dieser Perspektive zeigt sich dieser als Zwischenform, bei der Herrschaft nicht durch Gesetze vermittelt erfolgt, aber dennoch nur punktuell Gewalt angewendet wird. Diese beispielhafte, symbolische Gewaltanwendung zeigt, dass auch der Rechtsstaat auf Gewalt gegründet ist. Diese Anwendung souveräner Gewalt konstituiert die Souveränität: Der Glaube an die Macht des Staates ist gegründet auf die Angst vor seiner Gewalt. Weil auch der Rechtszustand Souveränität benötigt, benötigt er zumindest virtuell auch den Ausnahmezustand. Aber zwischen Rechts- und Ausnahmezustand besteht eine weitere Differenz: Zwar sind beides Arten der Herrschaft, jedoch ermöglicht nur die liberal-bürgerliche rule of law den Subjekten die relative Autonomie, die Grundlage marktwirtschaftlicher Produktion ist. Deswegen liegt es im vitalen Interesse des Staates, möglichst schnell wieder zur abstrakten Form des Gewaltmonopols, also zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren.
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Mirbeth, D. (2017). Suspendierung des Rechts – Kontinuität der Herrschaft. In: Lemke, M. (eds) Ausnahmezustand. Staat – Souveränität – Nation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16588-8_5
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