Zusammenfassung
Wie hängen Unsicherheit und Indifferenz gegenüber religiösen Weltbilder von der Intensität der religiösen Frage, dem soziale Status sowie von Christlichkeit und Säkularität ab? Mit der Intensität der religiösen Frage wird die Entscheidung zwischen religiösen Weltbildern schwieriger, so dass die Unsicherheit wachsen sollte – Katalysatorhypothese. Aber religiöses Fragen ist der Gegenpol zu Indifferenz, so dass es Indifferenz mindern sollte – Polaritätshypothese. Der soziale Status sollte eine Ressource zur Bewältigung von Unsicherheit sein – Ressourcenhypothese. Aber so wenig ein hoher sozialer Status vor der religiösen Frage schützt, so wenig sollte ein niedriger Status mit dem Gegenpol religiösen Fragens zusammenhängen; der soziale Status sollte also mit Indifferenz nicht zusammenhängen – Irrelevanzhypothese. Christlichkeit sollte vor Unsicherheit wie Indifferenz bewahren, Säkularität aber zwingt die Person auf eigene Faust religiöse Antworten zu suchen, so dass sie Unsicherheit wie Indifferenz steigern sollte – Bahnbereiterhypothese. Unsicherheit und Indifferenz wurden als Häufigkeiten erhoben, mit der zu insgesamt acht religiösen Weltbildern als Antwort nicht Zustimmung oder Ablehnung, sondern die Vorgaben „habe dazu keine feste Meinung“ bzw. „habe darüber noch nicht nachgedacht“ gewählt wurden. Sie wird als Stellungnahme zu Glaubensfragen erhoben.
In logistischen Regressionen beeinflusst die Intensität der Sinnfrage weder Unsicherheit noch Indifferenz, aber die Intensität der Religions- und Glaubensfrage senkt Unsicherheit und Indifferenz. Die Katalysatorhypothese wird also nicht, die Polaritätshypothese nur teilweise bestätigt. Die Bildung senkt Unsicherheit und Indifferenz, so dass die Ressourcen-, aber nicht die Irrelevanzhypothese bestätigt werden. Die Konfessionszugehörigkeit steigert zwar beide Einstellungen, aber kirchliche Praktiken haben keinen Einfluss, so dass die Bollwerkhypothese überwiegend nicht bestätigt wird. Schließlich senkt auch der Unglaube beide Einstellungen, so dass die Bahnbereiterhypothese widerlegt wird. Alle Einflüsse sind aber schwach. Nicht nur der Glaube, sondern auch der ausdrückliche Unglaube sind also ein Bollwerk gegen Unsicherheit und Indifferenz – aber nur ein schwaches Bollwerk.
Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben(Andre Gide)
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Notes
- 1.
In Abb. 9.3 wird Unsicherheit und Indifferenz auch allein für die vier christlichen Aussagen zusammengezählt. Diese Häufigkeiten korrelieren aber r = .90 und .91 mit den Häufigkeiten bei allen acht Aussagen, so dass ihre Analyse keinen besonderen Ertrag verspricht.
- 2.
Die Unsicherheit bildet also die Basis für konkrete Formen des Gottesglaubens. Sie wird nicht als Prädiktor für Unsicherheit eingesetzt, die im Übrigen ganz anders erhoben wurde.
- 3.
Beide Fragen wurden bereits im ALLBUS 2002 gestellt worden, die zweite Frage auch 2000 in der evangelischen und konfessionslosen Bevölkerung (Pollack 2009: 216).
- 4.
Weil die Ordnung der Berufsklassen strittig ist, wurde ihr Einfluss auf Unsicherheit und Indifferenz auch in einfache Varianzanalysen geprüft. Die Eta-Werte betragen .076 und .112.
- 5.
In einer anderen Erhebung, in der Unsicherheit und Indifferenz nicht als Stellungnahme zur Frage insgesamt, sondern als Teil der Antwortoption erhoben wurden (Meulemann 2000: 235), ergeben sich ebenfalls positive Korrelationen zwischen den beiden Konfessionszugehörigkeiten und Unsicherheit, die sogar noch etwas stärker als hier ausfielen. Sie wurden dort so interpretiert, dass Unsicherheit eine schwache Form des Glaubens sei. Das ist mit der Interpretation hier vereinbar, dass die Konfession ein Dach für Sichere und Unsichere sei.
- 6.
In einer anderen Erhebung (Meulemann 2000: 235), korrelierten der Kirchgang und die selbstzugeschriebene Religiosität mit Unsicherheit positiv und mit Indifferenz negativ. Die positiven Korrelationen mit Unsicherheit ergeben sich vermutlich daraus, dass sie nicht als Stellungnahme zur Frage insgesamt, sondern als Teil der Antwortoption formuliert wurde.
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Meulemann, H. (2015). Bollwerk oder Bahnbereiter – Unsicherheit und Indifferenz gegenüber religiösen Weltbildern. In: Nach der Säkularisierung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10952-3_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-10952-3_7
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