Zusammenfassung
Ein zentrales Merkmal der Lebensphase Jugend ist die Möglichkeit des Ausprobierens von Lebensentwürfen. Dies gilt auch für die Entwicklung geschlechtlicher Identitäten. Der Beitrag behandelt die Bedeutung von Peergroups, Jugendkulturen und -szenen sowie homo- und heterosozialen Freundschaftsbeziehungen für die Entwicklung und Formung geschlechtlicher Orientierungen und betrachtet die über die Jugendphase hinaus weisenden Biographieentwürfe männlicher Jugendlicher. Vor dem Hintergrund des andauernden Wandels der Geschlechterverhältnisse stehen männliche Jugendliche vor der Notwendigkeit, zwischen konkurrierenden Männlichkeitsentwürfen auswählen zu müssen. Die Ambivalenz spätmoderner Existenzen, Entscheidungsmöglichkeiten zu haben und Entscheidungszwängen unterworfen zu sein, prägt deren biographischen Entwürfe. Sie macht sich nicht zuletzt in einer Gleichzeitigkeit unterschiedlicher geschlechtlicher Orientierungen bemerkbar. Diese Gleichzeitigkeit ist als ein grundlegendes Kennzeichen der Modernisierung von Geschlechterverhältnissen zu sehen, welche nicht im Sinne eines linearen Fortschrittsmodells zu verstehen ist.
Notes
- 1.
Dieser Abschnitt basiert auf einem bereits publizierten Text (Meuser 2013, S. 40 ff.).
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Meuser, M. (2015). Jungen und Männlichkeit. In: Lange, A., Steiner, C., Schutter, S., Reiter, H. (eds) Handbuch Kindheits- und Jugendsoziologie. Springer NachschlageWissen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05676-6_27-1
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