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Unter dem ‚blauen Himmel‘. Das Bundesverfassungsgericht zwischen Formalität und Informalität

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Informelle Politik

Zusammenfassung

Wer mit Blick auf das politische System Deutschlands über Aspekte informellen Regierens nachdenkt, dem wird nicht als erstes das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in den Sinn kommen. Andere ‚Orte‘ erscheinen dafür stärker prädestiniert: Seien es – im Sinne von ‚Regieren‘ als zentrale Steuerung des politischen Systems – die verfassungsrechtlich nicht kodifizierten, gleichwohl aber zentralen Koalitionsrunden und -ausschüsse (Rudzio 2005; Schreckenberger 1994; Kropp 2001) oder – im Sinne von ‚Regieren‘ als administrativer Feinsteuerung – Phänomene des Verwaltungshandels wie etwa der ‚kleine Dienstweg‘ (Luhmann 1964; Bohne 1981).

Ich danke Johanna Flier, Henrik Gast und Judith Trame sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz „Informelles Regieren“ für zahlreiche anregende und weiterführende Hinweise.

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Notes

  1. 1.

    Auch Helmuth Schulze-Fielitz (1984) erwähnt in seiner Untersuchung des ‚informalen Verfassungsstaates‘ das BVerfG nur am Rande.

  2. 2.

    Dies war auch bei einer ganzen Reihe von Beiträgen der Konferenz der Fall.

  3. 3.

    Vgl. für Beispiele solcher Regeln: Kranenpohl (1999).

  4. 4.

    Womit das Antonym für ‚Formalität‘ dann nicht ‚Informalität‘, sondern ‚Kontingenz‘ ist. Vgl. dazu auch den Vorschlag, zwischen ‚informal‘ und ‚informell‘ zu differenzieren (Schwarzmeier 2001: 50).

  5. 5.

    Bemerkenswerte Unterschiede ergeben sich lediglich hinsichtlich des Akteurs, der Sanktionen verhängen kann. Selbstverständlich steht bei einem Verstoß gegen den Koalitionsvertrag kein Rechtsweg zur Verfügung und es kann auch staatlicherseits keine Sanktion verhängt werden. Damit ähnelt der Koalitionsvertrag einem völkerrechtlichen Vertrag, denn das Recht wird durch den Vertrag begründet, ein Vertragsbruch wird gegebenenfalls durch einen der Vertragspartner festgestellt und auch die Sanktion ist vergleichbar: Hält sich eine Seite nicht mehr an die Vereinbarung, ist auch die andere durch diese nicht mehr gebunden.

  6. 6.

    Ich möchte allerdings in Zweifel ziehen, inwieweit wie von Pannes angeführt die Aussetzung eines Regelvollzugs aufgrund fehlender Akzeptanz tatsächlich als ‚funktional‘ bezeichnet werden kann (das kann es wohl nur aus der Sicht der Regierungsparteien in der Perspektive des Machterhalts sein, kaum aber für das Gesamtsystem).

  7. 7.

    Insbesondere, wenn es sich um ‚graue Eminenzen‘ handelt, die über gar keine formale Einflussposition verfügen.

  8. 8.

    Schwarzmeier unterscheidet dabei für seine Untersuchung nochmals nach Stabilität und Funktion der Kommunikationsbeziehung (Schwarzmeier 2001: 90, Tab. 4).

  9. 9.

    Vgl. dazu etwa die Ausführungen von Henrik Gast zur Vereinbarkeit der Führungsrollen von Bundeskanzler und Parteivorsitzendem (Gast 2008).

  10. 10.

    Der Beitrag schöpft aus den Erträgen meiner Studie über den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess des BVerfG. Vgl. zur Methodik: Kranenpohl (2010: 64-79).

  11. 11.

    In Zweifelsfällen über die Zuständigkeit entscheidet der ‚Sechser-Ausschuss‘ gemäß § 14 V BVerfGG, was aber nur in Ausnahmefällen geschieht (Kranenpohl 2010: 85f.).

  12. 12.

    Vgl. zu den Unterschieden in den ‚Kammerverfahren‘ Kranenpohl (2010: 103-128).

  13. 13.

    Vgl. dazu aber auch die Ausführungen zum formalen und informalen Handeln.

  14. 14.

    Allerdings wurde den Grünen auch 2011 als Oppositionsfraktion das Recht zugestanden, eine Nachfolgerin für den von ihnen benannten Richter Brun-Otto Bryde vorzuschlagen.

  15. 15.

    Daneben ist natürlich noch zu beachten, dass gem. § 2 II BVerfGG je drei Richterinnen und Richter aus dem Kreis der obersten Bundesrichter zu wählen sind.

  16. 16.

    So verweist Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung ausdauernd auf die kritische Einschätzung Richard Thomas, das Verfahren sei „von Haus aus verfassungswidrig“ (so zuletzt am 24.09.2011, Wochenendbeilage, S. 1), obwohl Thoma dies lediglich auf die Wahl durch den Wahlausschuss des Bundestages nach § 6 BVerfGG bezog (Thoma 1952: 188).

  17. 17.

    Ich verdanke den Hinweis der Richterin am BVerfG Susanne Baer, die dies in ihrem Vortrag „Challenges to Courts – Constitutional Courts as a Challenge“ im Rahmen der Konferenz „Advocates or Notaries of Democracy?“ des Law & Society Institute und der HumboldtUniversität zu Berlin (22.-24.09.2011) thematisierte.

  18. 18.

    Nach Baer konzentrieren sich die Überlegungen – insbesondere auch der potentiell kritischen Fraktionen – offenkundig auf Fragenkreise, die auf die Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des BVerfG zielen. Mit Blick auf eine Reihe (gefühlter) ‚Fehlgriffe‘ scheint für die Fraktionen vor allem Interesse an einer gewissen ‚charakterlichen Eignung‘ zu bestehen.

  19. 19.

    Die Bedeutung der ‚Orte der Nahrungsaufnahme‘ für informelle Kommunikation hat schon Schwarzmeier (2001: 90, Tab. 4) hervorgehoben.

  20. 20.

    Vgl. Fn. 18.

  21. 21.

    Bezeichnenderweise würden diese dann auch noch stark ‚personalisiert‘, indem angedeutet würde, man möge es doch bitte nicht wie der Kollege X oder die Kollegin Y halten.

  22. 22.

    Als weitere Einschränkung des ‚Urteilsstils‘ steht dem BVerfG gem. § 30 II S. 2 BVerfGG die Möglichkeit zur Bekanntgabe von Abstimmungsergebnissen offen.

  23. 23.

    In den Jahren 2005 bis 2007 berichtete am intensivsten die Frankfurter Allgemeine Zeitung (insgesamt 478mal) über die insgesamt 20 Richterinnen und Richter; das entspricht drei Namensnennungen pro Woche. Über ein Viertel der Nennungen entfiel auf die beiden Senatsvorsitzenden Hans-Jürgen Papier und Winfried Hassemer (Kranenpohl 2010: 282, Tab. 8.7).

  24. 24.

    Es bleibt aber festzuhalten, dass selbst der 2005 bis 2007 außergewöhnlich medienpräsente Udo Di Fabio lediglich jede zweite Woche der FAZ berichterstattungswürdig erschien (Kranenpohl 2010: 282, Tab. 8.7).

  25. 25.

    Bezeichnenderweise beschrieb auch Baer ihre ersten Monate im BVerfG als eine Zeit, in der man sehr schnell recht einsam werde, weil man sich mit niemandem Externen mehr, wie zuvor üblich, austauschen könne (vgl. Fn. 18).

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Kranenpohl, U. (2014). Unter dem ‚blauen Himmel‘. Das Bundesverfassungsgericht zwischen Formalität und Informalität. In: Bröchler, S., Grunden, T. (eds) Informelle Politik. Schriften der DVPW-Sektion Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02380-5_10

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