Das Wesen der gestörten Funktion des Bindegewebes

Zusammenfassung

Das Bindegewebe ist verhältnismäßig spät im Blickfeld der morphologischen und funktionellen Pathologie aufgetaucht. Das hat historisch-denkmethodische und technisch-experimentalmethodische Gründe; denn das Bindegewebe paßt weder in das organpathologische Schema Morgagnis noch in das cellularpathologische Virchows. Morgagni erwähnt es nicht als Sitz und Ursache von Krankheiten und für Virchow war es ein totes, bradytrophes Gewebe. In der Tat läßt es sich schwer als Organ im traditionellen Sinne ansprechen, weil es keinen einheitlichen Bau und keine einheitliche Funktion hat. Trotzdem kann man es als Organ auffassen, wenn man die wesentlichen Strukturprinzipien heraushebt und die Funktionen als Summe der physikalischen Eigenschaften begreift, die eine nach Standort und Aufgabe wechselnde Komposition der Binde- gewebselemente aufweist. Von den klassischen Strukturen der Cellular-pathologie hebt sich das Bindegewebe mit seiner Armut an Zellen und seinem Reichtum an anscheinend toten Fasern und einer amorphen Grundsubstanz in einzigartiger Weise ab. Die historische Gerechtigkeit erfordert es, daraufhinzuweisen, daß Xaver Bichat (1771 bis 1802) als erster systematisch die Physiologie und Pathologie der Bindegewebe abhandelte (1, 2). Er ging von der Voraussetzung aus, daß Gewebe und nicht Organe erkranken.

Herrn Prof. Dr. H.E. Schultze, Margburg, zum 60. Geburtstag