Zusammenfassung
Anhand eines halbstrukturierten Interviewleitfadens führten wir Gespräche mit 15 Frauen im Alter von 29–50 Jahren 2–6 Jahre nach einem oder mehreren Schwangerschaftsabbrüchen wegen eines pathologischen Amniozentesebefundes. Die Interviews wurden auf Band aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse.
Für die meisten Frauen war das Interview seit längerer Zeit die erste Möglichkeit über den Schwangerschaftsabbruch zu sprechen. Der Tod des Kindes wurde von allen als körperliches und seelisches Trauma erlebt. Eine schwerwiegende Belastung war für die befragten Frauen, daß sie sich aktiv und selbstverantwortlich gegen das eigene Kind entschieden hatten. Die Mehrzahl der Frauen erlebte den Abbruch als schuldhaftes Vergehen, nur 2 Frauen des befragten. Kollektives litten nicht unter Schuldgefühlen. Bei der Verarbeitung scheinen unterschiedliche Qualitäten von Schuldgefühlen mit unterschiedlichen Inhalten von Selbstvorwürfen und Ängsten eine Rolle zu spielen. Häufig sind Selbstvorwürfe wegen des Verstoßes gegen das Tötungsverbot, die Angst vor Verurteilung und vor Vorwürfen anderer sowie das Schamgefühl, keine vollwertige Frau zu sein. In einigen Fällen waren Tendenzen der Selbstbestrafung, des Wiedergutmachens bzw. der Wunsch, die Schuld abzubüßen, zu beobachten. Als weitere häufige Mechanismen des Umganges mit den Schuldgefühlen konnten Ablenkung und Verdrängung beobachtet werden. Nur 6 Frauen ist es im Laufe der Zeit gelungen, ihr Schulderleben und ihre Schuldgefühle zu verarbeiten und bewußt die Verantwortung für den Schwangerschaftsabbruch zu übernehmen.
Die Interviews zeigen, daß in dem untersuchten Kollektiv das Erleben und die Verarbeitung des Schwangerschaftsabbruchs individuell sehr unterschiedlich sind, und daß auch noch Jahre nach einem Schwangerschaftsabbruch wegen eines pathologischen Amniozentesebefundes eine unzureichende Verarbeitung von Schuld und Schuldgefühlen insofern von Bedeutung ist, als sie den notwendigen Trauerprozeß nach dem Verlust des Kindes blockiert.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Similar content being viewed by others
Literatur
Adler B, Kushnick T (1982) Genetic counseling in prenatally diagnosed trisomy 18 and 21: Psychosocial aspects. Pediatrics 69: 94–99
Black RB (1989) A 1 and 6 month follow-up of prenatal diagnosis patients who lost pregnancies. Prenat Diagn 9: 795–804
Black RB (1991) Womens’s Voices after Pregnancy Loss: Couples’ Patterns of Communication and Support. Soc Work Health Care, 16 (2): 19–36
Blumberg BD, Golbus MS, Hanson MD (1975) The psychological sequelae of abortion performed for a genetic indication. Am J Obstet Gynecol 122: 799–808
Donnai P, Charles N, Harris R (1981) Attitudes of patients after „genetic“ termination of pregnancy. Br Med J 282: 621–622
Furlong RM, Black RB (1984) Pregnancy termination for genetic indications: The impact on families. Soc Work Health Care 10 (1): 17–34
Gontard A v (1986) Psychische Folgen des Schwangerschaftsabbruchs aus kindlicher Indikation. Monatsschr Kinderheilk 134: 150–157
Jones OW, Penn NE, Shuchter S, Stafford CA, Richards T, Kemahan C, Gutierrez J, Cherkin P (1984) Parental response to midtrimester therapeutic abortion following amniocentesis. Prenat Diagn 4: 249–256
Langer M, Ringler M, Mazanek P (1987) Zur Betreuung von Paaren nach pränataler Diagnose fetaler Mißbildungen. Geburtsh Frauenheilk 47: 186–189
Leschot NJ, Verjaal M, Treffers PE (1982) Therapeutic abortion on genetic indications — A detailed follow-up study of 20 patients. J Psychosom Obstet Gynecol 1: 47–56
Lloyd J, Laurence KM (1985) Sequelae and support after termination of pregnancy for fetal malformation. Br Med J 290: 907–909
Mayring P (1983) Qualitative Inhaltsanalyse. Beltz, Weinheim, Basel
Ringler M (1991) Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett In: Springer-Kremser M, Ringler M, Eder A (Hrsg) Patient Frau. Psychosomatik im weiblichen Lebenszyklus. Springer, Wien, New York
Robinson J, Tennes K, Robinson A (1975) Amniocentesis: its impact on mothers and infants. A 1-year follow-up study. Clin Geriet 8: 97–106
White-van Mourik MCA, Connor JM, Ferguson-Smith MA (1992) The psychosocial sequelae of a second-trimester termination of pregnancy for fetal abnormality. Prenat Diagn 12: 189–204
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1994 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this paper
Cite this paper
Schmidt, U., Wolff, G., Jung, C. (1994). Verarbeitung des Schwangerschaftsabbruchs nach pathologischen Amniozentesebefund: Schulderleben und Schuldgefühle. In: Kentenich, H., Rauchfuß, M., Diederichs, P. (eds) Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe 1993/94. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-78811-6_19
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-78811-6_19
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-540-57685-3
Online ISBN: 978-3-642-78811-6
eBook Packages: Springer Book Archive