1 Definition und Kriterien

Fertigen ist Herstellen von Werkstücken geometrisch bestimmter Gestalt (Kienzle).

Anders als die übrigen Produktionstechniken, das sind die Verfahrenstechnik (chemische, thermische oder mechanische Verfahrenstechnik, s. N) oder die Energietechnik (s. L) erzeugt die Fertigungstechnik Produkte, die durch stoffliche und geometrische Merkmale gekennzeichnet sind.

Die Wahl eines Fertigungsverfahrens richtet sich nach vier Grundkriterien:

Haupttechnologie.

Das sind die mit einem Fertigungsverfahren herstellbaren Größen, Formen und die bearbeitbaren Werkstoffe.

Fehlertechnologie.

Das sind die durch die Fertigung bedingten Fehler des Maßes, der Form, der Lage und der Oberfläche (Fehlergeometrie). Neben der mikrogeometrischen Ausbildung einer technischen Oberfläche mit ihren Abweichungen von der mathematisch geometrischen Sollform erzeugen Fertigungsverfahren physikalische und chemische Randzonenveränderungen [1]. Qualität der Fertigung bedeutet Fertigen innerhalb vorgegebener Fehlergrenzen.

Wirtschaftlichkeit.

Die je Zeiteinheit zu fertigenden Stückzahlen (Mengenleistung), die Kosten zur Vorbereitung (Vorbereitungskosten), zur Auftragswiederholung (Auftragswiederholkosten), die Einzelkosten (dem Einzelstück direkt zuzuordnen) und die Folgekosten (u. a. Lagerkosten) bestimmen typische Einsatzgebiete konkurrierender Fertigungsverfahren. Darin ist die Flexibilität eines Fertigungsverfahrens (Mengenflexibilität und Umstellflexibilität) von zunehmender Bedeutung, um neben der Produktivität und Auslastung einer Fertigungsanlage auch den Forderungen an die Durchlaufzeit eines Produkts durch den Betrieb, an die Kapitalbindung über Bestände und die Termintreue der Lieferung zu genügen [2].

Anpassung der Arbeit an den Menschen.

Fertigungsverfahren und Fertigungsmittel sind so zu gestalten, dass der Mensch und die Umwelt möglichst wenig belastet oder beeinträchtigt werden. Immissionsgrenzwerte (Lärm, Erschütterungen, Schadstoffe) und Sicherheitsnormen sind einzuhalten.

Jedes der vier Grundkriterien muss gleichermaßen beachtet werden.

Produktionstechnische Produkte, Baugruppen und Einzelteile werden in Folgen von Arbeitsvorgängen (Fertigungsstufen) hergestellt. Rationalisierung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität darf daher nicht nur an einzelnen Arbeitsvorgängen/Fertigungsstufen ansetzen, sondern muss auf ein Gesamtoptimum zielen. Dazu kann nach Adaption, Substitution und/oder Integration (A-S-I‑Methode) gesucht werden ( Bild 1 ) [3]. Adaption ist die günstige Abstimmung aufeinanderfolgender Prozesse, wie z. B. die Rohteilherstellung durch Schmieden und die anschließende spanende Bearbeitung. Entwicklung von Werkzeugen und Werkzeugmaschinen oder geänderte Kostenstrukturen können Anlass für die Substitution eines Fertigungsverfahrens durch ein anderes sein, wie z. B. Ersetzen des Schleifens durch Hartdrehen. Integration von Fertigungsstufen verkürzt die Arbeitsvorgangsfolge, ist häufig mit direkten Kosteneinsparungen, jedenfalls aber mit verkürzten Durchlaufzeiten und verringertem Steuerungsaufwand (indirekte Kosten) verbunden. Die Komplettbearbeitung von Bauteilen auf mehrachsigen Drehmaschinen oder Bearbeitungszentren sind aktuelle Beispiele.

Bild 1
figure 1

A-S-I‑Methode zur Rationalisierung

2 Systematik

Die Vielfalt der bekannten und künftigen Fertigungsverfahren lässt sich nach Kienzle [4] unter den Ordnungsgesichtspunkten Stoffzusammenhalt verändern (schaffen, beibehalten, vermindern und vermehren) und Stoffeigenschaften ändern in sechs Hauptgruppen der Fertigungsverfahren gliedern ( Bild 2 ): Urformen, Umformen, Trennen, Fügen, Beschichten, Stoffeigenschaftändern. Die Hauptgruppen werden in Gruppen untergliedert. Innerhalb der Gruppen werden die Fertigungsverfahren selbst durch Untergruppen gekennzeichnet. Diese Systematik wird nach den Regeln der Dezimalklassifikation mit Ordnungsnummern belegt.

Bild 2
figure 2

Einteilung der Fertigungsverfahren (DIN 8580)