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Vertreiber und Vertriebene. Über eine angemessene Form des Gedenkens an Vertreibungsopfer

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Politische Streitfragen
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Zusammenfassung

Im September 2000 trat eine Stiftung des Bundes der Vertriebenen (BdV) mit den Vorsitzenden Erika Steinbach (CDU), die seit 1998 Präsidentin des BdV ist, und Peter Glotz (SPD) für die Errichtung eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin an die Öffentlichkeit. Dies löste eine jahrelange heftige politische Debatte in Deutschland, Tschechien und insbesondere Polen aus. Befürchtet wurde vielenorts eine Relativierung der deutschen Schuld am Angriffs- und Vernichtungskrieg 1939-1945 und der unter nationalsozialistischer Herrschaft begangenen Verbrechen des Völkermords und der Vertreibungen durch ein Gedenken an die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung in der Folge des Zweiten Weltkrieges. Weitergehende Befürchtungen rechneten mit einer Legitimierung von Rückgabeforderungen von Eigentum in den Vertreibungsländern oder gar von Ansprüchen auf eine Grenzrevision. In Deutschland entstand eine gewisse politische Front zwischen CDU und SPD, die aber auch teilweise quer durch alle Parteien ging.

Aber letztlich einigte sich die Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD im März 2008 auf die Errichtung einer Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung und eines Erinnerungs- und Dokumentationszentrums zu Flucht und Vertreibung unter dem Arbeitstitel Sichtbares Zeichen in Berlin. Es soll die Erinnerung an die Vertreibung von 60-80 Millionen Europäern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wachhalten. Zuvor hatte die polnische Regierung von Donald Tusk, die vom vorherigen scharf deutschland- und europakritischen Kurs ihrer Vorgängerin abgerückt war, nur noch „freundliche Distanz“ zum Vorhaben signalisiert. Polen will nun in Danzig ein eigenes Museum zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges errichten, das auch die Geschichte der kommunistischen Nachkriegsherrschaft einbeziehen soll.

Als Alternative zum deutschen Berliner Zentrum und auch zu einer Unterlassung des ganzen Vorhabens wurde von Markus Meckel (SPD) ein europäisches Zentrum gegen Vertreibungen in Brüssel oder Breslau vorgeschlagen. Für eine gemeinsame europäische Gedenk- und Erinnerungspolitik an Krieg, Völ-kermord und auch Vertreibungen war die Zeit jedoch noch längst nicht reif, so daß es ratsam ist, der Ungleichzeitigkeit und zum Teil auch Widersprüchlichkeit der nationalen Erinnerungen und der Gedenkpolitik Rechnung zu tragen und lediglich auf eine Einbeziehung von Ratschlägen aus anderen Ländern und einen Verweis auf die divergenten Erinnerungskulturen in diesen Ländern in die nationalen Gedenkstätten hinzuarbeiten. Das deutsche gebrochene Verhältnis zu den deutschen Vertriebenen aus dem Osten aus Furcht vor einer Relativierung der deutschen Schuld am II. Weltkrieg und den Völkermorden bedarf dabei erneuter Debatte und einer allseits besser befriedigenden Klärung.

Vorlesung vom 2. November 2009 in Frankfurt und vom 5. Oktober 2009 in Mannheim.

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Jahn, E. (2012). Vertreiber und Vertriebene. Über eine angemessene Form des Gedenkens an Vertreibungsopfer. In: Politische Streitfragen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94312-1_8

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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