Zusammenfassung
Das abendländische Denken kreist seit seinen Anfängen mit großer Regelmäßigkeit um Themen der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Schönheit oder einfacher: um die Frage nach dem richtigen bzw. guten Leben sowohl im Privaten als auch im Öffentlichen. Normative Debatten durchziehen die Ideengeschichte dabei nicht als Begleitphänomen. Die wichtigsten Klassiker der europäischen Geistesgeschichte haben neben ihren Schriften zur theoretischen Philosophie immer auch Hauptwerke zur praktischen Philosophie verfasst und auch auf diesem Feld kann – parallel zur theoretischen Philosophie – eine Entwicklung des Denkens nachgezeichnet werden, die von der Tugendmoral der Antike bis zu deontologischen Ansätzen in der Gegenwart reicht. Die Sozialwissenschaften blieben von dieser Tradition keineswegs unberührt. Mit einem distanzierten Blick auf die Sozialwissenschaften kann sogar behauptet werden, diese haben ihren Anfang in der politischen Philosophie der Neuzeit.1 Als Machiavelli seinen „Fürsten“ schrieb, gab er diesem zwar die Empfehlung zu rigidem politischen Handeln, wies aber zugleich darauf hin, dass die Regierenden einer regierten Bevölkerung gegenüberstehen, deren Interessen und Wünsche (inklusive sozialer und religiöser Belange) ernst zu nehmen seien. Entdeckt wurde damit, dass das Politische in einem gesellschaftlichen Kontext steht und sich nicht allein auf die Technik des guten Regierens beschränken kann. Im Gefolge von Machiavelli drehen Hobbes oder Locke die Fragestellung der politischen Philosophie dann auch um: Nicht mehr die Frage, wie eine ontologisch gedachte politische Ordnung zum Wohle aller ausgestaltet werden kann, stand im Vordergrund, sondern wie überhaupt eine politische Ordnung legitimiert werden kann.
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Literatur
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Ahrens, J., Beer, R., Bittlingmayer, U.H., Gerdes, J. (2011). Normativität. Über die Hintergründe sozialwissenschaftlicher Theoriebildung. Zur Einführung. In: Ahrens, J., Beer, R., Bittlingmayer, U.H., Gerdes, J. (eds) Normativität. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93010-7_1
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Online ISBN: 978-3-531-93010-7
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