Der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan nimmt in einer Sammlung der Identitätstheorien sicherlich eine schwierige Position ein: Allzusehr betont er bei seiner Setzung der entwicklungspsychologischen Bedeutung der Auseinandersetzung mit dem eigenen Spiegelbild das „Fiktive“ der menschlichen Identitätskonstruktion; die Logik der „Verkehrung“, das Verkennen des eigenen (Spiegel-) Bildes von sich mit dem Ich. Seine Identitätskonstruktion im Spiegel ist die einer konstitutiven Spaltung, – als ein eben „nicht-identisch-Sein-mit-sich“ –, die das menschliche Individuum Zeit seines Lebens nicht mehr überwinden, sondern nur anerkennen kann. Hegel und seine Konzeption des menschlichen Selbstbewusstseins drängen sich hier nicht zufällig auf: „Man kann das Spiegelstadium als eine Identifikation verstehen im vollen Sinne, den die Psychoanalyse diesem Terminus gibt: als eine beim Subjekt durch die Aufnahme eines Bildes ausgelöste Verwandlung. […] Aber von besonderer Wichtigkeit ist gerade, dass diese Form vor jeder gesellschaftlichen Determinierung die Instanz des Ich (moi) auf einer fiktiven Linie situiert, die das Individuum allein nie mehr auslöschen kann, oder vielmehr: die nur asymptotisch das Werden des Subjekts erreichen wird, wie erfolgreich immer die dialektischen Synthesen verlaufen mögen, durch die es, als Ich (je), seine Nichtübereinstimmung mit der eigenen Realität überwinden muss“ (Lacan 1949/1991: 64).
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Althans, B. (2010). Zur anthropologischen Notwendigkeit des Verkennens. In: Jörissen, B., Zirfas, J. (eds) Schlüsselwerke der Identitätsforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92196-9_4
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