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Gemeinschaft als Chance: ein Ausblick

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Gemeinschaft in Gesellschaft
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Auszug

Dieses Buch begann mit der Frage, ob der Begriff der Gemeinschaft für die Soziologie heute eine analytische Relevanz erhalten kann. Sie rechtfertigte sich aus der neuerlichen Konjunktur des Begriffs, zuletzt in der idiosynkratischen Verwendung im „Kommunitarismus“, die mit einer erstaunlichen Ungenauigkeit einhergeht. Emphatische, normative und analytische Gebrauchsformen stehen unvermittelt nebeneinander. Eine Bestandsaufnahme der soziologischen Gemeinschaftsdiskurse führte nicht zu den erhofften Klärungen. Sie deutete vielmehr auf konzeptionelle Unklarheiten und sozialtheoretische Divergenzen, die eine präzise Verwendung des Begriffs Gemeinschaft erschweren.

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Literatur

  1. Die Liste der teils sicher auch disziplinär bedingten Vereinseitigungen und Verengungen von Begriffen wie Gemeinschaft, Gemeinsinn oder Gemeinwohl ist lang. „Durch die Verbindung mit der Idee des Verfassungspatriotismus wird verhindert, dass der Gemeinwohlbegriff als abstrakte Größe genommen wird (...) So besehen kann der Begriff des Gemeinsinns zu einer Art von emotionalem Echo auf den oftmals als zu analytisch und abstrakt bezeichneten Verfassungspatriotismus werden“ (Kühnhardt 1994, S. 124). Das ist die Perspektive eines zeitgenössischen Politikwissenschaftlers, der im Anschluss an den Schweizer Historiker Jacob Burckhardt zwischen drei „Potenzen“ der modernen Gesellschaft unterschied: „Staat — Religion — Kultur“ (ebd., S. 20f.). Was aber ist mit anderen Sphären der Gesellschaft wie beispielsweise der Wirtschaft? Aus soziologischer Sicht scheint auch die Konzipierung des Gemeinschaftlichen als „emotionales Echo“ schlicht zu dünn. Das Zitat belegt gleichwohl die problemfokussierende Bedeutung des Gemeinschafts-Themas, hier in einer liberal-konservativen Konnotation gegen einen deutschen Sonderweg.

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  2. Dieses Programm wurde allerdings auch in Deutschland häufig kritisiert. Als ein Beispiel kann Arnold Gehlens Kritik der deutschen Tradition gelesen werden, die er als transzendentalphilosphischen Versuch gerade ablehnt. Indem er Geist anthropologisiert kann er freilich den ideellen Gehalt von Strukturen und Institutionen nur noch konservativ fassen. Gehlens konservativer Bias wird besonders deutlich in seiner Reflexion des Zusammenhangs von Mensch und Institution. Er kann mit Hegels Begriff des ‚objektiven Geistes’ „nichts anfangen“, „das Thema der Institutionen an die Stelle des Themas ‚objektiver Geist’ treten“ zu lassen (Gehlen 1961, S. 70). Gehlen konstatiert mit bedauerndem Unterton das Ende des „Zeitalters der Könige nach 5000jähriger Dauer“: „Sein Institutionsgefüge, seine Ethik erwiesen sich als nicht vereinbar mit den Bedingungen der Industriegesellschaft, in der man jedes Ethos ausleben kann, auch das der höchsten Humanität, bloß nicht das Ethos des Kampfes von Mann zu Mann und folglich auch nicht das der Vornehmheit“ (ebd., S. 73). Bei diesem Geschichtsbild wundert nicht, dass Gehlen während der Epoche der ‚Volksgemeinschaft’ der Nationalsozialisten akademische Karriere machte und diverse Berufungen erhielt. Anschließend war Gehlen flexibel, ohne seinen in der Hegel-Kritik angelegten, irreführenden Protomaterialismus zu verlassen. Seine kulturkritische und antiindividuelle These „die Exaltation der Subjektivität sei sozusagen der Verdampfungsniederschlag des institutionellen Elementes, es gebe mithin also keine Institutionalisierung des Subjektiven“ (ebd., S. 75), zog er zwar aufgrund von Schelskys Kritik zurück, der sich an die neue Zeit wohl besser adaptierte: „es gebe gerade auch sekundäre Institutionen (...), nämlich sozusagen Einrichtungen, deren Sinn die Fruktifizierung jener Beweglichkeit, Buntheit und Folgenlosigkeit des Subjektiven sei“ (ebd.). Gehlens konservativer Materialismus muss unter Teilwahrheiten ausgegraben werden, um seine verheerende Folge für die Sozialtheorie zu dechiffrieren. Er hat recht, wenn er die These vertritt, „dass Ideensysteme jeder Art ihre Stabilität, ihren zeitübergreifendenden Geltungsrang, ja ihre Überlebenschance den Institutionen verdanken, in denen sie inkorporiert werden“ (ebd., S.76). Aber seine Hegel-und Idealismuspolemik verhindert die dialektische Interpretation des Verhältnisses von Institutionen und Ideen, wenn er Hegel bewusst übertreibend kritisiert: „Es gibt keine falschere und irreführendere Lehre als die Hegelsche von der Selbstbewegung der Idee, und den Hang der Deutschen, Idealismus mit Weltfremdheit zu verbinden, hat sie sicherlich gefördert (...) Es kommt nicht so sehr darauf an, Ideen zu diskutieren, als darauf, ihnen zu ihrer gerechten und dauerhaften Wirklichkeit zu verhelfen“ (ebd., S. 77). In Anbetracht der Verwicklung dieses Autors und vieler anderer in reaktionäre und totalitäre I-deenverwirklichung wäre dagegen zu halten, dass es sehr wohl darauf ankommt, „Ideen zu diskutieren“. Auch das ist eine Aufgabe soziologischer Theorie. Auf derselben grundlegenden Linie liegen auch die Einwände gegen Luhmann, der den dynamischen Aspekt von Sinn — wenn, was er zurückweist, Gesellschaft als dialektische Einheit konzipiert wird — tendenziell konservativ umgehen muss.

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  3. Mit einer anderen Intention als hier, aber mit ähnlichem Ergebnis argumentiert Staubmann (1995) auf der Grundlage von Parsons’ allgemeiner Handlungstheorie für die „Kommunikation von Gefühlen“ im Rahmen einer „Soziologie der Ästhetik“. Er betont die affekttheoretische Grundlegung bei Parsons, auf die auch Bershady (2005) hinweist.

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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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(2006). Gemeinschaft als Chance: ein Ausblick. In: Gemeinschaft in Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90663-8_10

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90663-8_10

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-34225-2

  • Online ISBN: 978-3-531-90663-8

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

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