Skip to main content

Lob und Abgesang

Konstruktivismus in der Literaturwissenschaft

  • Chapter
  • First Online:
Schlüsselwerke des Konstruktivismus
  • 14k Accesses

Zusammenfassung

Literaturwissenschaftliche Einführungen, Lexika und Handbücher weisen zu Recht darauf hin, dass zwei Ausprägungen von empirischer Literaturwissenschaft in Deutschland benannt werden können. Auf der einen Seite findet sich Norbert Groebens Ansatz, der, von der Literaturpsychologie herkommend, für empirische Rezeptionsforschung steht und damit eine Strategie der Empirisierung klassischer Fragestellungen der Literaturwissenschaft verfolgt. Demgegenüber steht der Ansatz zu einer Empirischen Theorie der Literatur auf der Basis des Grundriß der Empirischen Literaturwissenschaft von Siegfried J. Schmidt, der einer literarisch-kommunikativen Handlungstheorie verpflichtet ist und in der weiteren Entwicklung mehr und mehr systemtheoretisch ausgebaut wurde (Literatursoziologie).

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Hardcover Book
USD 159.99
Price excludes VAT (USA)
  • Durable hardcover edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Im Zentrum dieses Beitrages steht aus guten Gründen die Empirische Literaturwissenschaft. (‚Empirische Literaturwissenschaft‘ wird hier bewusst mit Großbuchstaben geschrieben, um die unmittelbare Anknüpfung an die Empirische Theorie der Literatur (vgl. Schmidt 1980/1982) zu markieren. Als Forschungsfeld beinhaltet die Empirische Literaturwissenschaft verschiedene Ansätze und Ausprägungen). Denn Vertreter dieses Ansatzes, vor allem Siegfried J. Schmidt und Gebhard Rusch, haben nicht nur den Konstruktivismus in der Variante des radikalen Konstruktivismus für die Literaturwissenschaft fruchtbar gemacht, sondern sie waren auch maßgeblich daran beteiligt, den konstruktivistischen Diskurs in Deutschland und auch darüber hinaus voranzutreiben und mit eigenen Beiträgen konstruktivistisches Denken zu praktizieren. (Hier sind vor allem die beiden Bände von Schmidt zum Diskurs des Radikalen Konstruktivismus [1987] und die Zeitschrift DELFIN zu nennen). Als Nukleus ist dabei die Bielefelder NIKOL-Gruppe zu sehen, obwohl nicht alle Mitglieder dieser Gruppe den radikalen Konstruktivismus von Siegfried J. Schmidt mitgetragen haben. (Um die Abkürzung NIKOL wurde lange Zeit ein Geheimnis gemacht. Sie steht für „nicht-konservative Literaturwissenschaft“, wobei „nicht-konservativ“ einen Begriff aus der Quantentheorie bezeichnet, obgleich die umgangssprachliche Bedeutung mitschwingt). Mit der Berufung Schmidts an die Universität Siegen und mit der Gründung des dortigen Instituts für Empirische Literatur- und Medienforschung der Universität Siegen (LUMIS) bildete sich rasch ein Zentrum konstruktivistischen Arbeitens, das weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus bekannt wurde und nicht auf den Bereich der Literaturwissenschaft beschränkt war. Mit Peter M. Hejl (Soziologe und Politologe) und Wolfram K. Köck (Anglist und Linguist) kamen neben Raimund Klauser (Soziologe) zwei Wissenschaftler nach Siegen, die sich bereits im Rahmen ihrer Tätigkeit am Paderborner Forschungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren (FeoLL) intensiv mit dem Konstruktivismus auseinandergesetzt und wichtige Beiträge übersetzt hatten. Insgesamt setzte sich das LUMIS-Institut aus Mitgliedern mit unterschiedlichem disziplinärem Hintergrund zusammen und bildete damit die Voraussetzung für interdisziplinäres Arbeiten. Periodika, Schriftenreihen, Monografien und andere Publikationen prägten die Aktivitäten des Instituts ebenso wie die Diskussion mit Gastwissenschaftlern, die Ausrichtung von Tagungen und Workshops und die Durchführung diverser Forschungsprojekte, teilweise als Einzelprojekte, teils im Forschungsverbund (Sonderforschungsbereich). Bezeichnend für dieses interdisziplinäre Arbeiten sind auch die Gemeinschaftspublikationen und die in Arbeitsgruppen durchgeführten Projekte, die auch immer wieder Gegenstand von Institutssitzungen waren. (Weiter sei hier verwiesen auf die NIKOL-Reihe bei Vieweg und deren Nachfolger-Reihen, die LUMIS-Schriften, auf die Zeitschrift SPIEL, sowie auf Poetics, die lange Jahre von Siegfried J. Schmidt mitherausgegeben wurde.)

  2. 2.

    Mit dieser von Brigitte Scheele und Norbert Groeben entwickelten Technik werden von den Versuchspersonen Begriffe auf Karten notiert und durch Verknüpfungen miteinander in Verbindung gebracht. Durch weitere methodische Verfahren wie Interviews und lautes Denken wird ein Konsens zwischen Versuchsperson und Versuchsleiter über die Bedeutung der gelegten Struktur hergestellt, damit der Versuchsleiter im Dialog versteht, was der Proband mit der Begriffsanordnung ausdrücken will.

  3. 3.

    Zunächst im Sinne von Applikabilität; im Kontext der später entwickelten Angewandten Literaturwissenschaft auch im Sinne einer gesellschaftlichen Relevanz.

  4. 4.

    Nebenbei sei bemerkt, dass mit dem funktionalen Textbegriff leicht erklärt werden kann, dass identische Texte zu unterschiedlichen Zeiten (auch von identischen Personen) unterschiedlich gelesen werden (können).

  5. 5.

    Dass die Entscheidung, einen Text für literarisch oder nichtliterarisch zu halten, direkt Einfluss auf den Umgang und die Bedeutungskonstruktion nimmt, ist mehrfach untersucht worden. Aus Sicht der Empirischen Literaturwissenschaft ist hier nur auf die Studie von Dietrich Meutsch (1987) zu verweisen.

  6. 6.

    An dieser Stelle sei verwiesen auf die LUMIS-Tätigkeitsberichte und die LUMIS-Schriften, die digitalisiert zu finden sind unter: http://www.uni-siegen.de/ifm/lumis/?lang=de (abgerufen 31.12.2010).

  7. 7.

    Nach seiner Tätigkeit in Heidelberg übernahm Norbert Groeben in Köln eine Professur für Allgemeines Psychologie und Kulturpsychologie. Neben Brigitte Scheele arbeitete auch Margrit Schreier in Köln weiterhin mit ihm zusammen. Auf Qualifikations- und Projektstellen arbeiteten zahlreiche Mitarbeiter mit Groeben zusammen. Wie im LUMIS-Institut in Siegen gab es auch in Köln eine rege Kommunikationskultur.

  8. 8.

    Die DVjs gilt als eine der führendsten Fachzeitschriften der deutschsprachigen Germanistik. Seit ihrem ersten Erscheinen 1923 hat sie die Entwicklung des Faches mitgeprägt. In der DVjs versammeln sich fächerübergreifende Beiträge aus Literaturwissenschaft, Philosophie und Kulturgeschichte.

  9. 9.

    Für die Siegener Phase verweise ich auf die jährlichen Tätigkeitsberichte in der LUMIS-Schriftenreihe.

  10. 10.

    So haben die Ergebnisse des PISA-Tests zur Lesekompetenz nicht nur unter Deutschdidaktikern zu einer breiten und heftigen Diskussion geführt, bei der der Konstruktivismus eine nicht unbedeutende Rolle spielte.

  11. 11.

    Die Internationale Gesellschaft für Empirische Literaturwissenschaft (IGEL) wurde 1987 in Siegen gegründet. Mittlerweile (2010: Utrecht) haben 12 internationale Tagungen in Deutschland, Ungarn, den Niederlanden und den USA sowie in Kanada stattgefunden. IGEL versammelt Wissenschaftler aus den Bereichen Literaturwissenschaft, Linguistik, Psychologie, Soziologie, Kultur-, Medien- und Kommunikationswissenschaft, die mediale und literarische Phänomene empirisch untersuchen (vgl. www.psych.ualberta.ca/IGEL).

Literatur

  • Arbeitsgruppe NIKOL (Hrsg.) (1986): Angewandte Literaturwissenschaft. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.

    Book  Google Scholar 

  • Barsch, Achim (1992): Empirische Literaturwissenschaft. In: Volker Meid (Hrsg.): Bertelsmann Literaturlexikon. Bd. 13. Begriffe, Realien, Methoden. Gütersloh/München: Bertelsmann Lexikon. S. 206–209.

    Google Scholar 

  • Barsch, Achim (1993): Kommunikation mit und über Literatur. Zu Strukturierungsfragen des Literatursystems. In: SPIEL. 12. Jg. H. 1. S. 34–61.

    Google Scholar 

  • Barsch, Achim (1996): Angst vor einem neuen Paradigma? Replik auf Ralph Gehrkes „Was leistet der Radikale Konstruktivismus für die Literaturwissenschaft?“. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 70. Jg. H. 2. S. 313–321.

    Google Scholar 

  • Barsch, Achim (1998): Radikaler Konstruktivismus und Deutschunterricht. In: System Schule. 2. Jg. H. 4. S. 120–124.

    Google Scholar 

  • Barsch, Achim (2000): Ein integrativer Blick auf literarische Konventionen. Universität Siegen: LUMIS-Schriften 59.

    Google Scholar 

  • Barsch, Achim/Gebhard Rusch/Reinhold Viehoff (Hrsg.) (1994): Empirische Literaturwissenschaft in der Diskussion. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Brenner, Peter J. (1998): Das Problem der Interpretation. Eine Einführung in die Grundlagen der Literaturwissenschaft. Tübingen: Niemeyer.

    Book  Google Scholar 

  • Eibl, Karl (2004): Animal Poeta. Bausteine einer biologischen Kultur- und Literaturtheorie. Paderborn: Mentis.

    Google Scholar 

  • Flacke, Michael (1994): Verstehen als Konstruktion. Literaturwissenschaft und Radikaler Konstruktivismus. [= Konzeption Empirische Literaturwissenschaft, Bd. 16]. Opladen: Westdeutscher Verlag.

    Book  Google Scholar 

  • Fohrmann, Jürgen/Harro Müller (Hrsg.) (1996): Systemtheorie der Literatur. München: Fink.

    Google Scholar 

  • Gehrke, Ralph (1994): Was leistet der Radikale Konstruktivismus für die Literaturwissenschaft? In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 68. Jg. H. 1. S. 170–188.

    Google Scholar 

  • Glasersfeld, Ernst von (1993): Nicht bekehrt, aber geläutert. In: Soziologische Revue. 16. Jg. H. 3. S. 288–290.

    Google Scholar 

  • Glasersfeld, Ernst von (1997): Radikaler Konstruktivismus. Ideen, Ergebnisse, Probleme. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Gries, Karsten/Claudius R. Köster/Lutz Kramaschki/Heike Schreiber (1996): Rezeption der Empirischen Theorie der Literatur in Rezensionen und Handbüchern zur Literaturwissenschaft. Eine qualitativ-quantitative Explorationsstudie zu Bewertungshandlungen. Siegen: LUMIS-Schriften 46.

    Google Scholar 

  • Groeben, Norbert (1995): Zur Kritik einer unnötigen, widersinnigen und destruktiven Radikalität. In: Hans Rudi Fischer (Hrsg.): Die Wirklichkeit des Konstruktivismus. Zur Auseinandersetzung um ein neues Paradigma. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme. S. 149–260.

    Google Scholar 

  • Hauptmeier, Helmut/Siegfried J. Schmidt (1985): Einführung in die Empirische Literaturwissenschaft. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.

    Book  Google Scholar 

  • Hejl, Peter M. (1996): Aufklärung oder Romantik? In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 70. Jg. H. 2. S. 298–312.

    Google Scholar 

  • Iser, Wolfgang (1976): Der Akt des Lesens. München: Fink.

    Google Scholar 

  • Jauß, Hans Robert (1970): Literaturgeschichte als Provokation. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Kuhn, Thomas S. (1973): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Maiwald, Klaus (2005): Wahrnehmung – Sprache – Beobachtung. Eine Deutschdidaktik bilddominierter Medienangebote. München: kopaed.

    Google Scholar 

  • Maturana, Humberto R. (1982): Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.

    Google Scholar 

  • Meutsch, Dietrich (1987): Literatur verstehen. Eine empirische Studie. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.

    Book  Google Scholar 

  • Moser, Sibylle (2001): Komplexe Konstruktionen. Systemtheorie, Konstruktivismus und empirische Literaturwissenschaft. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.

    Google Scholar 

  • Müller, Klaus (Hrsg.) (1996): Konstruktivismus. Lehren – Lernen – Ästhetische Prozesse. Neuwied [u. a.]: Luchterhand.

    Google Scholar 

  • Müller-Peisert, Gabriele (2006): Zum Verstehen fremdkultureller Literatur. Ein Vergleich der Konventionen im Umgang mit literarischen Texten am Beispiel Deutschland und China. Kassel: Kassel Univ. Press.

    Google Scholar 

  • Nüse, Ralf/Norbert Groeben/Burkhard Freitag/Margrit Schreier (Hrsg.) (1991): Über die Erfindung/en des Radikalen Konstruktivismus. Kritische Gegenargumente aus psychologischer Sicht. Weinheim: Deutscher Studienverlag.

    Google Scholar 

  • Rusch, Gebhard (1996): Konstruktivismus. Ein epistemologisches Selbstbild. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 70. Jg. H. 2. S. 322–345.

    Google Scholar 

  • Schmidt, Siegfried J. (1980/82): Grundriß der Empirischen Literaturwissenschaft. Teilband 1: Der gesellschaftliche Handlungsbereich Literatur. (1980) Teilband 2: Zur Rekonstruktion literaturwissenschaftlicher Fragestellungen in einer empirischen Theorie der Literatur. (1982) Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.

    Google Scholar 

  • Schmidt, Siegfried J. (1986): Texte verstehen – Texte interpretieren. In: Achim Eschbach (Hrsg.): Perspektiven des Verstehens. Bochum: Studienverlag Dr. N. Brockmeyer. S. 75–103.

    Google Scholar 

  • Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.) (1987): Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Schmidt, Siegfried J. (1989): Die Selbstorganisation des Sozialsystems Literatur im 18. Jahrhundert. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Schmidt, Siegfried J. (1996): Was leistet ein Vertreter einer historisch-kritischen Hermeneutik für die Kritik am Radikalen Konstruktivismus und an der Empirischen Literaturwissenschaft? In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 70. Jg. H. 2. S. 291–297.

    Google Scholar 

  • Schmidt, Siegfried J. (2003): Geschichten & Diskurse. Abschied vom Konstruktivismus. Reinbek: Rowohlt.

    Google Scholar 

  • Sneed, Joseph D. (1971): The Logical Structure of Mathematical Physics. Dordrecht: Reidel.

    Book  Google Scholar 

  • Spree, Axel (1995): Kritik der Interpretation. Analytische Untersuchungen zu interpretationskritischen Literaturtheorien. Paderborn: Schöningh.

    Google Scholar 

  • Spinner, Kaspar H. (1994): Neue und alte Bilder von Lernenden. Deutschdidaktik im Zeichen der kognitiven Wende. In: Beiträge zur Lehrerbildung. 12. Jg. H. 2. S. 146–158.

    Google Scholar 

  • Stegmüller, Wolfgang (1973): Theorie und Erfahrung. 2. Halbband: Theorienstrukturen und Theoriendynamik. Berlin: Springer.

    Book  Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Achim Barsch .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2015 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Barsch, A. (2015). Lob und Abgesang. In: Pörksen, B. (eds) Schlüsselwerke des Konstruktivismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19975-7_31

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-19975-7_31

  • Published:

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-19974-0

  • Online ISBN: 978-3-531-19975-7

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics