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Das Wissen der Systeme

Niklas Luhmanns Erkenntnis als Konstruktion

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Schlüsselwerke des Konstruktivismus
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Zusammenfassung

Der deutsche Soziologe Niklas Luhmann (1927–1998) begann seine akademische Laufbahn mit Verspätung und als Seiteneinsteiger. Geboren als Sohn eines Brauereibesitzers in Lüneburg studierte Luhmann nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst Jura an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er 1949 zum Dr. jur. promoviert wurde. Er absolvierte anschließend die Referendarsausbildung in Lüneburg, trat 1953 mit 26 Jahren in den höheren Verwaltungsdienst ein und wurde 1955 Landtagsreferent des niedersächsischen Kultusministeriums in Hannover, wo er bis 1962 blieb, zuletzt im Range eines Oberregierungsrats. Im Ministerium verspürte Luhmann jedoch, wie er später zu Protokoll gab, „eine gewisse Monotonie der Tätigkeit“; da zudem „eine weitere Karriere nur in Verbindung mit einer Partei möglich“ war, ergriff er 1960 die Gelegenheit einer über seinen Tisch laufenden Stipendienausschreibung und ließ sich für einen Studienaufenthalt in Harvard beurlauben. Dieser Aufenthalt bei Talcott Parsons (1902–1979), dem damals profiliertesten Vertreter einer systemtheoretisch orientierten Soziologie, leitete den Wechsel in die Wissenschaft ein. Nach dem Ausscheiden aus dem Ministerium arbeitete Luhmann zunächst bis 1965 als Referent am Forschungsinstitut der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und wechselte dann auf Einladung des Soziologen Helmut Schelsky (1912–1984) an die Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund. Schelsky ermöglichte Luhmann in dieser Zeit auch seine „Nachqualifikation“ als Soziologe, die er 1966 an der Universität Münster mit Promotion und Habilitation erfolgreich abschloss.

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Notes

  1. 1.

    Es handelt sich um die gedruckte Fassung eines Vortrages, den Luhmann am 23. Oktober 1988 im Kunstmuseum Bern hielt und der anschließend in der Reihe Um 9: Denker/innen zu Themen unserer Zeit (hrsg. von G. J. Lischka) des kleinen Benteli-Verlags in Bern veröffentlicht wurde. Erstmals in größerer Auflage zugänglich wurde der Text durch seine Aufnahme in Luhmann (Luhmann 2001, S. 218–242).

  2. 2.

    Vgl. zur Intensivierung von Luhmanns konstruktivistischer Reflexion auch die Häufung von Einträgen für das Jahr 1990 im Literaturverzeichnis dieses Beitrags.

  3. 3.

    Vgl. dazu Luhmanns erneute Stellungnahme zum ‚Es gibt Systeme‘-Problem im Interview mit Ingeborg Breuer: „Man darf sich unter Systemen eigentlich keine besonderen Objekte, keine besonderen Sachverhalte vorstellen, neben denen es dann noch Bäume und Pflanzen oder Menschen und Sterne gibt. Sondern Systeme entspringen eigentlich Differenzen, Unterscheidungen, denn man kann von Systemen eigentlich nur sprechen, wenn man zugleich eine Umwelt davon abgrenzt. Es geht darum, wie eine solche Grenze produziert wird, die alles ausschließt bis auf das wenige, was das System selber tut. Eigentlich ist eine Theorie sozialer Systeme damit eine Welttheorie, die System und Umwelt immer im Blick hat.“ (Breuer 1996, S. 171).

  4. 4.

    Vgl. zur Gesamtentwicklung seiner Position auch Luhmann 1990b, S. 54: „Obwohl der Kon­struktivismus bisher eher von Forschungen der Biologie, der Neurophysiologie und der Psychologie (Maturana, Varela, Piaget, von Glasersfeld) profitiert hat, begünstigt er im Effekt eine soziologische Erkenntnistheorie. Das Quine’sche Programm der ‚naturalisierten Epistemologie‘ muss um Soziologie ergänzt werden, ja es leistet erst so eigentlich, was es verspricht.“

  5. 5.

    In Die Gesellschaft der Gesellschaft prägt Luhmann (1997) für die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien der unterschiedlichen sozialen Systeme im Hinblick auf ihre Funktion den prägnanteren Begriff ‚Erfolgsmedien‘. Vgl. zum Gesamtzusammenhang der hier nur angedeuteten medientheoretischen Dimension der Systemtheorie (Luhmann 1997, S. 190–412). Die ‚reale‘ Erscheinungsform des Erfolgsmedium ‚Wahrheit‘ im Wissenschaftssystem ist der sich fortschreitend ausdifferenzierende Gesamtzusammenhang von aufeinander Bezug nehmenden Publikationen, und der vieldiskutierte Effekt der Abkopplung von der Welt die zunehmende Spezialisierung und Binnendifferenzierung der modernen Wissenschaft, deren Erkenntnisse außerhalb des Systems nicht mehr ohne weiteres zu kommunizieren sind.

  6. 6.

    Vgl. dazu Luhmann (1997, S. 1135): „In der heutigen Wissenschaftslandschaft liegt es nahe, diese paradoxe Ausgangslage als Einheit von Konstruktivismus und Dekonstruktivismus zu formulieren. Das schließt ein, dass die Konstruktionen der Soziologie ihre eigene Dekonstruierbarkeit mitreflektieren müssen.“

  7. 7.

    Vgl. dazu Luhmann in Breuer (1996, S. 173 f.): „Derridas Differenzphilosophie ist wichtig, und ich denke, dass ich ihr folge, wenn auch mit einer anderen Terminologie. Ich denke […], dass man mit systemtheoretischen Mitteln […] mehr Präzision erreicht, dass also Begriffe genauer definiert sind oder stärker einschränken, was damit bezeichnet werden soll. Und das ist natürlich wichtig, wenn man eine Gesellschaftstheorie aufbauen will.“

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Reinfandt, C. (2015). Das Wissen der Systeme. In: Pörksen, B. (eds) Schlüsselwerke des Konstruktivismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19975-7_17

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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