Einleitung zu Author meets Critics: Frank Hillebrandt: „Praktiken des Tauschens. Zur Soziologie symbolischer Formen der Reziprozität“

Zusammenfassung

Marcel Mauss’ Essai sur le don (1923-24) hat in den vergangenen Jahren weltweit zu einer bemerkenswerten Renaissance der ‚gift economy‘ geführt. In ihr bündeln sich zentrale Motive der zeitgenössischen Kapitalismuskritik. Die in diesem Zusammenhang wegweisende Unterscheidung zwischen dem geldwirtschaftlich geprägten Äquivalententausch einerseits und der Ökonomie der Gabe andererseits steckt dabei das Feld ab, in dem sich die 2009 veröffentlichte Münsteraner Habilitationsschrift von Frank Hillebrandt bewegt. In dieser Neuerscheinung werden Grundlagenprobleme der Soziologie erörtert, die bis heute nicht an Relevanz verloren haben. Die im Anschluss an Georg Simmel in den 1960er Jahren eine gewisse Konjunktur erfahrende soziologische Austauschtheorie stellt dabei nur eine höchst reduktionistische Fassung einer allgemeinen Theorie der Reziprozität dar, die Marcel Mauss in Gestalt des Zyklus des Gebens, Nehmens und Erwiderns meisterhaft beschrieben hatte.