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Funktionale Äquivalente zu Theorien der Bildung

Bildungstheoretische Implikationen einer „kritischen Theorie der Mensch-Welt-Verhältnisse“

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Die Rede von Bildung

Zusammenfassung

Man könnte es bei diesem ernüchternden Befund belassen, dass die Suche nach einer akzeptablen Theorie der Bildung auch aktuell ergebnislos ausgeht. Pädagogisierung des Themas ist anscheinend keine angemessene Theoriestrategie und in einer integrativen Bildungswissenschaft wird in Gestalt einer forschungsresümierenden „Superwissenschaft“ keine Theorie mit eigenem Forschungspotential ausgewiesen. Die Theoretizität und Systematizität des Denkens über Bildung müsste als ungelöst gelten, wenn es nicht Arbeiten gäbe, im außerdeutschen Kontext, auch außerhalb von Pädagogik und Bildungsphilosophie, selbst in den Sozialwissenschaften, die mehr versprechen und, ohne den Begriff der Bildung zu nutzen, nämlich als systematisch funktionale Äquivalente all die Probleme zu lösen, die in der Rede von Bildung ungelöst geblieben sind.

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Notes

  1. 1.

    Meine Anspielungen gelten Jürgen Schriewer (Hrsg.): Weltkultur und kulturelle Bedeutungswelten. Zur Globalisierung von Bildungsdiskursen. Frankfurt a. M./New York 2007.

  2. 2.

    In Pauli Siljander, Ari Kivela, Ari Sutinen (Hrsg.): Theories of Bildung and Growth. Rotterdam 2012 betonen die Herausgeber in ihrem Nachwort jedenfalls zu Recht, dass man nicht allein die Differenzen zwischen den großen, traditional, regional oder sprachlich eher kontingent zu einer (Pseudo-)Einheit gefügten Konzepte schauen, sondern auch die gravierenden Differenzen innerhalb der jeweiligen erziehungsphilosophischen Konzepte beachten sollte. (Näheres zu diesem Buch in meiner Rezension 2013 in http://www.socialnet.de/rezensionen/14498.php).

  3. 3.

    Für die Funktion dieses Reflexionsestablishments, wie man im Anschluss an Niklas Luhmann sagen könnte, in historischer Perspektive und national Heinz-Elmar Tenorth: Politikberatung und Wandel der Expertenrolle oder: Die Expertise der Erziehungswissenschaft. In: R.Fatke/J.Oelkers (Hrsg.): Das Selbstverständnis der Erziehungswissenschaft: Geschichte und Gegenwart. Weinheim/Basel 2014, S. 139–171, im aktuellen Politik- und Wissenschaftsraum Richard Münch: Der bildungsindustrielle Komplex. Schule und Unterricht im Wettbewerbsstaat. Weinheim/Basel 2018.

  4. 4.

    Disziplinbezogen hat das Jürgen Schriewer früh belegt, in: J.S.: Discourse Formation in Comparative Education. Frankfurt am. (usw.) 2000.

  5. 5.

    Rosa Bruno-Jofré/Jürgen Schriewer (Hrsg.): The Global Reception of John Dewey’s Thought. Multiple Refractions through Time and Space. New York 2012. Die Beiträge belegen das für eine weltweite Varianz von Kulturen, Nationen und Konfessionen, zwar nicht für Afrika, aber auch für Latein-Amerika, das nicht immer gleichgewichtig angesichts der dominierenden Ost-West-Perspektiven, die hier natürlich auch nicht fehlen, im Blick ist.

  6. 6.

    Bei dem Skandinavisten Bernd Henningsen habe ich das gelernt.

  7. 7.

    Zu Grundtvig historisch, jetzt für die Pädagogik und für Erwachsenenbildung und ‚Volk‘-Bildung, z. B. Norbert Vogel: Grundtvigs Bedeutung für die deutsche Erwachsenenbildung. Ein Beitrag zur Bildungsgeschichte. Bad Heilbrunn 1994.

  8. 8.

    Souleymane Bachir Diagne: „Négritude“. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2018 Edition); https://plato.stanford.edu/archives/sum2018/entries/negritude/ (zuletzt: 30.07.2019). Das Thema dieser umfangreichen Debatte des Begriffs lautet: „„Négritude“, or the self-affirmation of black peoples, or the affirmation of the values of civilization of something defined as „the black world“ as an answer to the question „what are we in this white world?““.

  9. 9.

    Einen Eindruck von dieser Diskussion geben Andreas Eckert: Afrikas Morgenröte. In: Zeitschrift für Ideengeschichte 11(2017)2, S. 117–119 anlässlich einer Besprechung von Achille Mbembe: Ausgang aus der langen Nacht. Versuch über ein entkolonisiertes Afrika. Berlin 2016, sowie, im Kontext von Kolonialisierung und Dekolonialisierung, erneut Souleymane Bachir Diagne: Afrikanische Philosophie und die Sprachen Afrikas. In: Merkur 843, 73(2019), S. 94–99 – mit einem Plädoyer für eine „Haltung der Vielstimmigkeit“.

  10. 10.

    Theodor Litt: Individuum und Gemeischaft. Leipzig 2. Aufl. 1924 – aus dem Kontext der zeitgenössischen Debatte über „Integration“ (vgl. die Hinweise in IV.23.4 oben).

  11. 11.

    Dazu gibt es für die USA schon die klassische Studie von Randall Collins: The Credential Society. An Historical Sociology of Education and Stratification. (1979). Aktuell auch die Neuauflage, mit einem New preface to the Legacy Edition von R.Collins selbst, sowie den Vorworten von Tressie McMillan Cottom und Mitchell L. Stevens. New York 2019.

  12. 12.

    So die Ausgangsannahme bei Rieger-Ladich, Bildungstheorien, 2019, S. 20, der explizit auf den Begriff der Bildung in der Rezeption und Diskussion aktueller Theorien westlicher Sozialphilosophie auch deswegen meint verzichten zu können, weil die Rede von Bildung nicht den theoretischen Status habe, der „für Spezialdiskurse charakteristisch ist“ (zit. S. 21) – aber er zahlt dafür auch den Preis, dass sein Thema uferlos wird und die Rede von „Bildungstheorien“ ihre klare Referenz verliert.

  13. 13.

    Exemplarisch, schon wegen des Erscheinungsortes und der dort behandelten Thematik, nenne ich nur den systematischen Einblick in diese Forschungen bei Karin Jurczyk/G. Günther Voß/Margit Weihrich: Alltägliche Lebensführung – theoretische und zeitdiagnostische Potenziale eines subjektorientierten Konzepts. In: Erika Alleweldt/Anja Röcke/Jochen Steinbicker (Hrsg.): Lebensführung heute. Klasse, Bildung, Individualität. Weinheim/Basel 2016. S. 53–87.

  14. 14.

    Tenorth, Heinz-Elmar: Basiskompetenzen – Über die Ignoranz gegenüber dem Selbstverständlichen in der Bildungstheorie. In: K.F. Wessel (Hrsg.): Die Zukunft der Bildung und die Bildung für die Zukunft. Bielefeld 2007, S. 32–41.

  15. 15.

    Das ist Thema bei Jutta Hartmann/Astrid Messerschmidt/Christine Thon (Hrsg.): Queertheoretische Perspektiven auf Bildung. Pädagogische Kritik der Heteronormativität. Wiesbaden 2017.

  16. 16.

    Charles Taylor: Perspektiven der Erziehungs- und Bildungsphilosophie. Hrsg. Von Nicole Balzer, Jens Beljan und Johannes Drerup. Münster 2019 (i.Dr.).

  17. 17.

    Stephanie Hellekamps: Selbsterschaffung und Bildsamkeit. Bildungstheoretische Überlegungen zu Rortys Konzept des „creation of self“. In: Zeitschrift für Pädagogik 42(1996), S. 767–779.

  18. 18.

    Für die bildungstheoretische Rezeption schon die Arbeiten von Micha Brumlik, zur jüngeren Mead-Rezeption z. B. George Herbert Mead: Philosophie der Erziehung. Hrsg. und eingel. von Daniel Tröhler und Gert Biesta. Bad Heilbrunn 2008.

  19. 19.

    Dewey ist z. B. erst jüngst wieder Thema geworden, in einer Kritik der schönen Bilder, die im Kontrast zur Realität von der Praxis der Labor-Schule in Chicago existieren, bei Michael Knoll: Anders als gedacht. John Deweys Erziehung zur Demokratie. In: Zeitschrift für Pädagogik 64 (2018) 5, S. 700–718, sowie in der Metakritik an Knoll bei Fritz Bohnsack: Noch einmal „Anders als gedacht“. Ein Kommentar zu Michael Knolls Dewey-Aufsatz …In: Zeitschrift für Pädagogik 65 (2019)3, S. 445–450.

  20. 20.

    Zu diesen Themen in der Offenheit der Rezeption und der Referenzen u. a. Christiane Thompson/Gabriele Weiß (Hrsg.): Bildende Widerstände – widerständige Bildung. Blickwechsel zwischen Pädagogik und Philosophie. Bielefeld 2008; oder Norbert Ricken/Rita Casale/Christiane Thompson (Hrsg.): Subjektivierung. Erziehungswissenschaftliche Theorieperspektiven. Weinheim/Basel 2019.

  21. 21.

    Man betrachte nur die Referenzen und Themen in einem aktuellen Sammelband: Heike Delitz/Frithjof Nungesser/Robert Seyfert (Hrsg.): Soziologien des Lebens. Überschreitung – Differenzierung – Kritik. Bielefeld 2018. In der Einleitung der Herausgeber finden sich Sätze, die geradezu als Einladung für eine affirmative oder kritische Rezeption durch Bildungstheoretiker gelesen werden können: „Für eine lebenssoziologische Denkweise ist das Leben Subjekt und ebenso Objekt des Sozialen – Subjekt und Objekt von Gesellschaft. Diese lebenstheoretische Kernidee findet sich in ganz unterschiedlichen Ansätzen.“ (zit. S. 7).

    Aber man kann vielleicht schon jetzt erinnern, dass diese „Kernidee“ angesichts der Tradition des Bildungsdenkens zumindest keinen Originalitätsanspruch mit sich führt, selbst „Leben“ als Referenz ist eine romantische Kernidee z. B. in der Bildungs- und Erziehungsreflexion von Friedrich Fröbel. Aber weder Bildungsphilosophie noch Fröbel bilden aktuell, erwartungsgemäß, eine Referenz für die soziologische Theoriebildung.

  22. 22.

    Mein Hinweis zur Distanz gegenüber der Bildungsreflexion trotz thematischer Nähe gilt Volker Gerhardt: Selbstbestimmung. Das Prinzip der Individualität. Stuttgart 1999.

  23. 23.

    Die Irritation über Sprangers Japan-Reise und seine Japan-Wahrnehmung dokumentiert schon die Autobiografie von Karl Löwith: Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933. Ein Bericht. Frankfurt a. M. 1989. Zu den Spezifika dieser Rezeption im Ganzen jüngst die Beiträge zum Thema „Die Wahrheit über Japan“, in denen sich alle Fallstricke dieser wechselseitigen Aufmerksamkeit studieren lassen, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 13(2019)2. Für die Rezeption im Kontext von Überlegungen zum Thema „Nationalerziehung“, wie sie aus der Weimarer Republik und der Lehrerbildung als Instrument der „Volkbildung“ präsent waren, u. a. der Beitrag von Hans-Joachim Bieber: Das Spannen des völkischen Bogens. Graf Dürckheim in Japan. Ebd., S. 53–61.

  24. 24.

    Das Thema liegt in der Erziehungsphilosophie vor: Daisaku Ikeda/Josef Derbolav: Auf der Suche nach einer neuen Humanität- München 1988. Einer der Ausgangspunkte ist „Bildung und Wissenschaft“ (S. 26), Japan wird hier als „ein ermutigendes Experiment“ wahrgenommen, u. a. weil die „Naturtradition der Menschheit“ hier überlebt habe, wie schon damals an Diagnosen für die ökologische Problematik angesichts der „Ausbeutung der Erde“ (276) belegt wird.

  25. 25.

    Aktuell z. B. Michael Quante/Hiroshi Goto/Tim Rojek/Shinge Segawa (Hrsg.): Der Begriff der Person in systematischer wie historischer Perspektive. Ein deutsch-japanischer Dialog. Münster 2019 (i. Dr.).

  26. 26.

    Alexander Kluge: Chronik der Gefühle, Bd. I, Frankfurt a. M. 2000, S. 795–892. Kluge stellt dem Kapitel diese Sätze voran: „In uns sitzt ETWAS, das will spielen. … Dieses ETWAS gilt als ‚verwildert‘. Und es ‚behauptet sich selbst‘. Es hat ein Auge darauf, daß nichts so ist, wie es definiert wird.“ Dann folgen „Geschichten über das verstreute Front-Theater, kritische Theorie, Menschenpark und ‚Feigheit als Mutter der Grausamkeit‘“ (S. 797).

  27. 27.

    Hartmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Frankfurt a. M. Suhrkamp 2016. (Zitate im Folgen nach der Sonderausgabe 2018).

  28. 28.

    Karl-Friedrich Wessel: Der ganze Mensch. Eine Einführung in die Humanontogenetik oder Die biopsychosoziale Einheit Mensch von der Konzeption bis zum Tode. Berlin 2015. Das früheste Dokument der damit verfolgten Ambitionen bietet Karl-Friedrich Wessel: Vorwort. In: Biopsychosoziale Einheit Mensch. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 36(1987)6, S. 547–549.

  29. 29.

    Nachweise aus Rosa, Resonanz, 2016, im Folgenden in Klammern im Text.

  30. 30.

    Ich nenne hier neben dem Sammelband von Christian Helge Peters/Peter Schulz (Hrsg.): Resonanzen und Dissonanzen. Harmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion. Bielefeld 2017 nur die folgenden Arbeiten (in alphabetischer Folge): Sebastian Bandelin: Resonanzverlangen oder Kampf um Anerkennung? Überlegungen zum normativen Gehalt der Resonanztheorie. In: Peters/Schulz (Hrsg.), (2017), S. 129–144; Micha Brumlik: Resonanz oder: Das Ende der kritischen Theorie. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 60 (2016), 5, Seite 120–123; Marie-Kristin Döbler,: Rosa, Hartmut: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp Verlag 2016. In (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2016-3-112); Holger Schulze: Klangkolumne. Resonanz. In: Merkur 808 70(2016), S. 75–80; Dieter Thomä: Hartmut Rosa: Soziologie mit der Stimmgabel. Mehr Resonanz, bitte! Hartmut Rosa will die Gesellschaft, deren Beschleunigung er immer beklagt, durch zwischenmenschliche Anerkennung heilen. In: DIE ZEIT Nr. 26/2016, 16. Juni 2016; Johannes Twardella: Rezension von: Rosa, Hartmut/Endres, Wolfgang (Hrsg.): Resonanzpädagogik, Wenn es im Klassenzimmer knistert. Weinheim und Basel: Beltz 2016. In: EWR 15 (2016), Nr. 5 (29.09.2016), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978340725751.html; Sonja Witte: In Liebe gebor(g)en. Heilsversprechen der Resonanz als Symptom für das Unbehagen in der Kultur. Psychoanalytisch-kulturtheoretische Anmerkungen zu Hartmuts Rosas Theorie der Weltbeziehungen. In: Peters/Schulz (Hrsg.), 2017, S. 291–307.

  31. 31.

    Hartmut Rosa: Affirmative Revolution. In: Peter/Schulz (Hrsg.) (2017), S. 312–329.

  32. 32.

    Vor allem: Hartmut Rosa (2009): Kritik der Zeitverhältnisse Beschleunigung und Entfremdung als Schlüsselbegriffe der Sozialkritik. In: R.Jaeggi/T.Wesche (Hrsg.): Was ist Kritik? Frankfurt a. M., S. 23–54; ders. (2012). Resonanz statt Entfremdung: Zehn Thesen wider die Steigerungslogik der Moderne. Aus: Von Krise zu Krise. Transformation ohne Ende. SFB 580, Jena, Tagung 14./15.06.2012; ders. (2013): Beschleunigung und Entfremdung. Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit. (Zuerst englisch 2010) Aus dem Englischen von Robin Celikates. Frankfurt a. M.; ders.: (2016): Politik ohne Resonanz. Wie wir die Demokratie wieder zum Klingen bringen. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 60 (2016), 5, S. 89–100.

  33. 33.

    Rosa (2017, S. 311) formuliert das nach der Lektüre seiner Kritiker so: „Die Idee, die Soziologie der Weltbeziehung vergleichend zum je eigenen Ansatz in Beziehung zu setzen, verleitet die Autor_innen dazu, diese Aufgabe im Sinne einer ‚Abstandsvermessung‘ anzugehen. Die Resonanztheorie wird dann für all das gelobt, was sie mit der eigenen Position und Herangehensweise teilt, und getadelt, für alles, was sie anders macht. Differenz wird dann nahezu automatisch zur methodischen, konzeptuellen oder normativen Devianz: Wo immer sich zeigt, dass die Resonanztheorie eben keine Systemtheorie, Praxistheorie, Anerkennungstheorie, Ausbeutungstheorie, Körpersoziologie etc. ist, wird sie genau dafür getadelt – dabei will sie all das ja gar nicht sein.“

  34. 34.

    „Dissonanzen“ sind dort das Thema, die Kritik von Kulturindustrie und Populärmusik dominiert, Musik, ja Kunst generell wird nicht (mehr) das Potential zugesprochen, den allgemeinen Verblendungszusammenhang aufzuheben.

  35. 35.

    Niklas Luhmann: Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? (1986) Opladen 21988 diskutiert „Resonanz“ begrifflich (S. 40–50), und zwar als Irritation im System durch System-Umwelt-Beziehungen, allerdings ohne diese Irritation vorab normativ zu qualifizieren, denn sie gewinnt ihren Status als systemrelevante Kommunikation erst in der Reflexion im System und nach dessen Operationen. Später fragt er unter dem Titel „Beschränkung und Verstärkung. Zu wenig und zu viele Resonanz“ (S. 218 ff.), und kommt zu dem Ergebnis: „Der Begriff Resonanz weist daraufhin, daß Systeme nur nach Maßgabe ihrer eigenen Struktur auf Umweltereignisse reagieren können“ (269) – und es gibt wenig Gründe anzunehmen, dass er die Umwelt-Beziehungen von Person-Systemen anders beurteilt als ebenfalls ergebnisoffen, letztlich kontingent. Auch hier wird er sicherlich auf der Differenz von „Angst, Moral und Theorie beharren“ (ebd., S. 237–248), anders als in normativ fixierten Bildungstheorien und ihren Äquivalenten.

  36. 36.

    Hartmut Rosa: Beschleunigung und Entfremdung. Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit. Berlin 2013.

  37. 37.

    Diese Qualifizierung des Entfremdungsbegriffs übernimmt er von Rahel Jaeggi: Entfremdung. Zur Aktualität eines sozialphilosophischen Problems. Frankfurt a. M./New York 2005.

  38. 38.

    So die Bezeichnung in der gegen die Kritik bekräftigten Version der Bestimmung von Resonanz in Rosa, Affirmative Revolution, 2016, S. 315 f., (Herv. von mir, H.-E.T.), nach der ich hier zitiere, weil er hier den Begriff an einer Stelle und kondensiert wiedergibt, auch für die Diskussion deutlicher als in den umfangreichen Debatten in Rosa 2016, dort z. B. S. 281–291. Aber die umfangreiche Ausdifferenzierung der Nachweise von Resonanz und ihren Komposita – das sind: „Resonanz-achse; -beziehung, -blockade, -draht, -dreieck, -erwartung, -fähigkeit, -hafen, -katastrophe, -killer, -oase, -pathologie, -sensibilität, -simulation, -sphäre, -unterdrückung, -verdinglichung, -verlangen, -verlust, -versprechen, -vertrauen, -verweigerung“ – belegen, dass der Begriff seine Bedeutung jenseits der „Kernelemente“ erst im Buch insgesamt findet.

  39. 39.

    In der hier ausgelassenen Passage räumt Rosa dann ein, dass angesichts dieses Merkmals das von ihm zur Veranschaulichung von Resonanz vielfach genutzte Exempel der resonanten Stimmgabeln nicht mehr trägt.

  40. 40.

    Die Tab. 2: Vier kulturelle Formen der Weltbeziehung (S. 222) entsteht aus einer kritischen Auseinandersetzung mit einschlägigen Theoriestücken von Max Weber bzw. Jürgen Habermas.

  41. 41.

    So im „Glossar“ zu Hartmut Rosa/Wolfgang Endres; Resonanzpädagogik. Wenn es im Klassenzimmer knistert. Weinheim/Basel 2. Aufl. 2016, S. 127.

  42. 42.

    Rosa, Affirmative Revolution, 2016, S. 759).

  43. 43.

    Man lese z. B. schon früh Dietmar Kamper/Christoph Wulf (Hrsg.): Lachen – Gelächter – Lächeln: Reflexionen in 3 Spiegeln. Frankfurt a.M 1986 (dessen erstes Kapitel mit „Der Ausbruch des Körpers“ einsetzt, dem „das Artistische Spiel“ folgt und schließlich „der enigmatische Weg“) oder, später, Christoph Wulf/Dietmar Kamper (Hrsg.): Logik und Leidenschaft. Erträge Historischer Anthropologie. Berlin 2002 und dort die Kapitelüberschriften, um die Nähe zu Rosa zu sehen: „Die Wiederkehr des Körpers und das Schwinden der Sinne“ (mit einem resonanztheoretisch nicht ganz uninteressanten Beitrag von Michael Wimmer: Verstimmte Ohren und unerhörte Stimmen), „Die Gewalt in der Geschichte und die erloschene Seele, „Das Heilige und das Gelächter“ (Klaus Heinrich schreibt dort über ‚Theorie‘ des Lachens), oder „Der Schein des Schönen und das Schicksal der Liebe“ (auch hier resonanztheoretisch offenbar sehr gut anschlussfähig: Christina von Braun: Das Weib als Klang. Die Frauengestalten im Werk Richard Wagners). Ergänzt man diesen Band durch die Themen der jährlichen Hefte von „Paragrana“ ist der Gleichklang der Themen, vom „Ohr als Erkenntnisorgan“ (1993) über „Medien – Körper – Imagination“ (2008) und zu den dort beanspruchten, für die zünftigen Historiker immer prekären Argument- und Beweisfiguren noch deutlicher. Im jüngsten Heft: „Balance – Rhythmus – Resonanz“ (2018) spielt allerdings, anders als der Titel erwarten lässt, Rosas Resonanzbegriff keine Rolle.

  44. 44.

    Es ist deshalb auch kein Zufall, dass die Begriffe im Register nicht auftauchen, auch nicht Kommunikation (etc.).

  45. 45.

    Brumlik hat die Rezeption von Bubers Reflexion über „Ich und Du“ und das dialogische Prinzip zu Recht entsprechend scharf kritisiert, pointiert gestützt auf Adorno, der „Buber in den 1920er Jahren als „Religionstiroler“ verspottet (hatte)“ (Brumlik 2016, S. 123). Aber Buber wird auch anderer Stelle kritiklos-emphatisch und zusammen mit dem Resonanzbegriff und den Neurowissenschaften (sic!) neu entdeckt, z. B. bei Joachim Bauer: Wie wir werden, wer wir sind. Die Entstehung des menschlichen Selbst durch Resonanz. München 2019. Der Verlag preist diesen Text als Basis für „ein völlig neues [! – HET] Verständnis von der Natur des Menschen“, weil der Autor erkläre, „warum unser Selbst nur im Einklang mit anderen entstehen und gedeihen kann“. Aber solche naiv-emphatischen Harmonietheorien darf man Rosa nicht zuschreiben.

  46. 46.

    Humboldt sieht z. B. die Risiken des Umgangs mit Welt, dass die „Natur“ des Menschen ihn „dringt … beständig von sich aus zu den Gegenständen ausser ihm überzugehen“, freilich mit dem Risiko, dass er „in dieser Entfremdung nicht sich selbst verliere.“ (237) Humboldt findet die Lösung in den von Kant und Schiller bekannten Dualen von „Stoff“ und „Form“, in der Wechselwirkung von „Empfindsamkeit“ und „Selbsttätigkeit“, die den Gegenstand „in verschiedenen Gestalten, bald als Begriff des Verstandes, bald als Bild der Einbildungskraft, bald als Anschauung der Sinne“ zeigt. Die Aufgabe des Menschen ist dann eindeutig und klar, „er (muss) die Masse der Gegenstände sich selbst näher bringen, die diesem Stoff die Gestalt seines Geistes aufdrücken und beide einander ähnlich machen.“ Das ist mehr als „Resonanz“.

  47. 47.

    Jüngst intensiv und klar herausgearbeitet bei Lars Osterloh: Die Bildung der Person. Eine ideengeschichtliche Analyse über Umfang und Grenzen des Bildungsbegriffs. Würzburg 2015.

  48. 48.

    Eine Detailanalyse dazu findet sich in Hartmut Rosa: Leading a Life. Five Key Elements in the Hidden Curriculum of Our Schools. Nordic Studies in Education 2(2013) 2, S. 97–111.

  49. 49.

    Rosa (vgl. S. 238) übernimmt den Begriff aus Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft (1997) und dessen Analyse von, wie er typisiert, fünf „milieuspezifischen Existenzformen“. Das sind: Bedrohung, Bewährung, Stimulation, Selbsterfahrung und Anpassung, modifiziert über die „primäre Perspektive“ und das „Basisinteresse“, in denen sich – so zitiert Rosa S. 239, Anm. 196 – „die Gesamtheit des Handelns, Denkens und Fühlens eines Menschen“ repräsentiert, und zwar – so Rosa – „unhintergehbar und gegenüber kognitiven Einsichten gleichsam immunisiert“ (238).

  50. 50.

    Sogar in zwei Varianten, allgemein und für Schulleiter: Hartmut Rosa/Wolfgang Endres: Resonanzpädagogik. Wenn es im Klassenzimmer knistert. 2. Aufl., mit einem Nachwort von Reinhart Kahl. Weinheim/Basel: 2016; ders./Claus G. Buhren/Wolfgang Endres: Resonanzpädagogik und Schulleitung. Neue Impulse für die Schulentwicklung. Weinheim/Basel 2018 sowie, handlich aufbereitet, in Hartmut Rosa/Wolfgang Endres/Jens Beljan: Resonanz im Klassenzimmer. 48 Impulskarten zur Resonanzpädagogik mit 16-seitigem Booklet. Weinheim/Basel 2017. Eine Rezension dieser Arbeiten zur Rosa-Rezeption in der Pädagogik habe ich in der Zeitschrift für Pädagogik 65(2019), 3, S. 453–458 gegeben.

    Die Nutzung von Rosas Vorgaben für eine Theorie der Schule bei Jens Beljan: Schule als Resonanzraum und Entfremdungszone. Eine neue Perspektive auf Bildung. Weinheim 2017 findet auch nicht nur Zustimmung, liest man etwa die Rezension von Wilfried Lippitz in EWR 17 (2018), Nr. 6 (Veröffentlicht am 31.12.2018), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978377993671.htmls. Lippitz gehört im Übrigen zur phänomenologischen Reflexionstradition der Erziehungswissenschaft und mit Recht notiert er, dass es Beljan wie Rosa in den Überlegungen zur Schule nicht geschadet hätte, auch deren Arbeiten zur Kenntnis zu nehmen.

  51. 51.

    Wolfgang Geisler: Anerkennung. Über den Umgang mit Menschen in der Schule. Schwalbach 2017; Benno Hafeneger/Peter Kenkenborg/Albert Scherr (Hrsg.): Pädagogik der Anerkennung. Grundlagen, Konzepte, Praxisfelder. Schwalbach/Ts. 2013. Aber die Referenz wird auch für die Erwachsenenpädagogik gesucht, z. B. Wolfgang Müller-Commichau: Anerkennung in der Pädagogik. Ein Lehrstück. Hohengehren 2014. Die Karriere von Honneths Konzept setzt bekanntlich früh mit der „Pädagogik der Vielfalt“ in den Arbeiten von Annedore Prengel ein und ist heute kaum mehr zu überschauen.

  52. 52.

    Johannes Twardella hat einerseits, reforminteressiert, den „pädagogischen Pessimismus“ scharf kritisiert (in J.T.: Pädagogischer Pessimismus. Eine Fallstudie zu einem Syndrom der Unterrichtskultur an deutschen Schulen. Frankfurt a. M. 2008), er liefert andererseits eine höchst ungnädige Rezension z. B. von Hartmut Rosa/Wolfgang Endres (Hrsg.): Resonanzpädagogik, Wenn es im Klassenzimmer knistert. Weinheim und Basel 2016. In: EWR 15 (2016), Nr. 5 (Veröff. am 29.09.2016), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978340725751/html. Dort liest man u. a.: „Der romantische Impuls, so sympathisch er auch ist, schießt letztlich über das Ziel hinaus. Und er ist mit dem Risiko verbunden, dass die Pädagogik ins Irrationale abrutschen könnte.“ Für Twardella ist die Analyse der schulischen Arbeit bei Rosa also theoretisch nicht angemessen fundiert, weil Bildungsarbeit und Schulfach in ihrem untrennbaren Zusammenhang nicht systematisch genug und die Praxis der Schule nicht realitätsnah und hinreichend kritisch gesehen werden.

  53. 53.

    Meine Anspielung gilt dem nüchternen Blick bei Roland Reichenbach: Für die Schule lernen wir. Plädoyer für eine gewöhnliche Institution. Seelze 2013. Reichenbach kann auch, ohne leichtfertige Kritik oder Entrüstung, die Schule als „Täuschung“ beschreiben und zeigen, was man dabei lernt, wenn man in einer solchen Institution unter diesen Prämissen lebt.

  54. 54.

    Käte Meyer-Drawe: Diskurse des Lernens. München 2008, zum „Einspruch der Dinge“ S. 159 ff.) – mit Merleau-Ponty, und im Übrigen im ganzen Band ganz ohne „Resonanz“, dafür gelegentlich mit „Rückkoppelung“.

  55. 55.

    Schulze, Merkur 2016, S. 79.

  56. 56.

    Seine Form der Modellierung von Zusammenhängen ist, in der Nutzung von Verweiszeichen, aus sozialwissenschaftlichen Denkmodellen nicht ganz unbekannt: „“Af ← ekt und E → motion, also durch die doppelseitige Bewegung des Affiziertwerdens und der (aktiven) Bezugnahme“ (296). Aber in der Konzentration auf Affekt und Emotion wird im Schema die von ihm selbst reklamierte Vielfalt der Weltbeziehungen deutlich reduziert, die komplexe Form von Wechselbeziehungen so wenig angedeutet wie die Prozessdimension oder gar Kausalitäts- und Wirkungsfragen. Man studiere z. B. nur die grafische Modellierung von Angebots-Nutzungs-Modellen in der Bildungsforschung oder die Arbeiten an „MoAbiT“, also am „Model of Ability Tracking“ bei Hartmut Esser, um sich mit den Komplikationen vertraut zu machen, die hier warten, im Kern des Themas, das Rosa vermeintlich klärt.

  57. 57.

    Martin Dornes: Macht der Kapitalismus depressiv? Über seelische Gesundheit und Krankheit in modernen Gesellschaften. Frankfurt a. M. 2016 – der die Zuschreibung generell bestreitet. Wie man selbst die Resonanzbegrifflichkeit auch begründet optimistisch sehen kann, belegt psychoanalytisch argumentierend und als Ergebnis langer Studien, Martin Altmeyer: Auf der Suche nach Resonanz. Wie sich das Seelenleben in der Moderne verändert. Göttingen 2016. Er liefert „eine Zeitdiagnose der digitalen Moderne“, mit der man Rosas „Bildschirm“-Diagnosen absolut bestreiten kann, weil sie nur die „apokalyptischen Reiter eines medientechnologischen Totalitarismus“ spiegeln (so im Spiegel 22, 2016, S. 132). Rosa zitiert keinen dieser Autoren.

  58. 58.

    Brumlik titelt seine Rezension als „Resonanz oder das Ende der kritischen Theorie“ und resümiert schlicht, dass Rosa die kritische Theorie „um ihr Bestes gebracht hat, um ihre theoretisch informierte, kalt auf die Gesellschaft schauende Unversöhnlichkeit“ (Brumlik 2016, S. 123).

  59. 59.

    Bei Rosa ohne Angabe der Seitenzahlen zitiert. Die Zitate hier aus T.W.A.: Negative Dialektik. (1966) tb-Ausgabe, 3. Aufl. 1982.

  60. 60.

    Gegen diese Zuschreibung, die sich ja bei Witte 2016, findet wehrt sich Rosa zu Recht.

  61. 61.

    Schulze (2016, S. 80) erkennt den „Ton scholastischer Vorlesung“ und „ein audiopietistisches [!, H.-E.T.] Vademecum zur Selbstoptimierung“ (80).

  62. 62.

    So Dieter Thomä: Hartmut Rosa: Soziologie mit der Stimmgabel. In: Die Zeit Nr. 26/2016, 16. Juni 2016.

  63. 63.

    Julian Nida-Rümelin: Philosophie einer Humanen Bildung. Hamburg 2013, Waschzettel. Sein Thema ist entsprechend umfangreich, wenn er klären will, „was Bildung ist?“ und belegt, welche Themen die Rede von Bildung auch bei ihm hat, der Humboldt und Dewey als seine zentralen Referenzautoren nennt: „Um was geht es eigentlich? Welches Menschenbild liegt unseren Bemühungen zugrunde? Was ist Bildung und welche Rolle spielt dabei die Persönlichkeitsentwicklung? Um welches Wissen und welche Fähigkeiten sollte es uns gehen? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Bildung und Gerechtigkeit? Auf solche Fragen versucht dieses Buch Antworten zu geben. Im Mittelpunkt steht dabei die Idee der Einheit – der Person, des Wissens und der Gesellschaft.“ (S. 8) Die zweite Frage, wie solche Bildung möglich ist, überlässt er kluger Weise anderen, z. B. den Pädagogen, gibt als Philosoph nur die „drei Prinzipien einer humanen Bildungspraxis“, die erneut mit den starken Einheits-Formeln der Einleitung vorgestellt werden: „die Idee der Einheit – der Person, des Wissens und der Gesellschaft.“

  64. 64.

    Karl-Friedrich Wessel: Pädagogik in Philosophie und Praxis. Berlin (DDR) 1975, eine unveränderte „Neuherausgabe“ erschien mit Epilog und Anhang herausgegeben von M. Ketting/F.Kleinhempel und P.Tittel Berlin/Basel 2015.

  65. 65.

    Karl-Friedrich Wessel sowie Projektrat BIPSEM/Rolf-Dieter Hegel/Friedrich Kleinhempel (Hrsg.): Interdisziplinäres Institut für Wissenschaftsphilosophie und Humanontogenetik: Beiträge und Berichte der Berliner Konferenz 1989 „Biopsychosoziale Einheit Mensch“ (BIPSEM). Berlin 1991. Wessel gibt selbst 2015, S. 28–38 eine Skizze der Geschichte seines Projekts.

  66. 66.

    Karl-Friedrich Wessel: Der ganze Mensch. Eine Einführung in die Humanontogenetik. Berlin 2015.

  67. 67.

    Thomas Diesner/Dieter Kirchhöfer/Friedrich-Karl Wessel (Hrsg.): Biografieforschung und Bildungssoziologie. Berlin 2017.

  68. 68.

    Man muß einfach den Ethologen Günter Tembrock in seiner Bedeutung für Wessel eigens hervorheben.

  69. 69.

    Thomas Diesner/Michael Ketting/Olaf Scupin/Andreas Wessel (Hrsg.): Humanontogenetik. Interdisziplinäre Theorie und Brücke in die Praxis. Berlin 2016.

  70. 70.

    Sie haben sich im „Projekt Humanontogenetik der Humboldt-Universität zu Berlin und der Gesellschaft für Humanontogenetik e. V.“ organisiert. Mir liegt – mit Diesner/Kirchhöfer/Wessel (Hrsg.): Biografieforschung und Bildungssoziologie. Berlin 2017 – Bd. 36 ihrer Schriftenreihe vor.

  71. 71.

    Dieter Lenzen z. B. übernimmt den Begriff in seine Rezeption der Überlegungen von Niklas Luhmann zum Erziehungssystem, konzentriert sich allerdings auf den Versuch, „Autopoiesis“ als Ersatz für „Bildung“ zu propagieren, vgl. D.L.: Lebenslauf oder Humanontogenese? Vom Erziehungssystem zum kurativen System – von der Erziehungswissenschaft zur Humanvitologie. In: Ders./Niklas Luhmann (Hrsg.): Bildung und Weiterbildung im Erziehungssystem. Lebenslauf und Humanontogenese als Medium und Form. Frankfurt a. M. 1997, S. 228–247.

  72. 72.

    2015 ermahnt er sich schon im Vorwort seiner Arbeit, man müsse „nur die Überzeugung bewahren, dass der Mensch nie in Gänze zu erkennen ist“ (S. 5) – und man wundert sich bei seiner Vorliebe für Zitate und Argumente seit Lukrez allenfalls, dass er nicht „Individuum est ineffabile“ als Motto gewählt hat. Aber auch das Diktum kennt ja unterschiedliche Übersetzungen: bei wikipedia kann man aktuell lesen: „Individuum est ineffabile (lateinisch für „Das Individuum ist nicht zu fassen“)“, bei Erich Rothacker: Logik und Systematik der Geisteswissenschaften. Bonn 1947, S. 122: „Das Persönliche ist unwiderlegbar“ – und natürlich diskutiert Rothacker dann grundlagentheoretisch, was der Satz bedeutet.

  73. 73.

    Nachweise aus diesem Buch von 1975 in Klammern im Text.

  74. 74.

    Die „wissenschaftlich-technische Revolution“ und damit die naturwissenschaftliche Bildung spielten hier eine große Rolle, aber, seit Honeckers Machtübernahme, auch die Möglichkeiten des Erziehungssystems im Allgemeinen. Die Chancen einer „kommunistischen Erziehung“ und der Konstruktion der „allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeit“ waren Anfang der 1970er Jahre zentrale politische und theoretische Themen der DDR-Erziehungswissenschaft und der 1970 neu errichteten Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, vgl. für die damit verbundenen Forschungsprobleme, in denen Wessel ebenfalls eine Rolle spielte, Heinz-Elmar Tenorth: Die „Erziehung gebildeter Kommunisten“ als Aufgabe und Problem. Erziehungsforschung in der DDR zwischen Theorie und Politik, Wissenschaftssystem und Praxis. In: S.Reh/E.Glaser/B.Behm/T.Drope (Hrsg.): Wissen machen. Beiträge zu einer Geschichte erziehungswissenschaftlichen Wissens in Deutschland zwischen 1945 und 1990. Weinheim/Basel: Beltz, 2017, S. 207–275 (63. Beiheft der ZfPäd).

  75. 75.

    Deshalb fehlen weder die Rückgriffe auf Marx und Lenin noch die Erwähnung von Beschlüssen der SED-Parteitage; auch kritische Bemerkungen gegen themenverwandte Denker in der bürgerlichen Wissenschaft zumal der BRD finden sich und kühne Behauptungen, dass die richtige Theorie und die richtige Praxis „nur in der sozialistischen Gesellschaft zu realisieren sei“ (z. B. 92). In der Substanz seiner Argumentation ist Wessel aber schon 1975 bemerkenswert unabhängig gegenüber solchen Argumentationsritualen und eindeutig in der Kritik nicht nur der wissenschaftlichen Pädagogik der DDR (eine Kritik, die nicht nur bei Philosophen, sondern z. B. auch in der Akademie der Wissenschaften gang und gäbe war), sondern auch gegenüber der zeitgenössischen Bildungspolitik. Kurz, man muss Wessel als Außenseiter im Wissenschaftssystem einstufen.

  76. 76.

    Was Wessel nur für die „marxistisch-leninistische Pädagogik“ behauptet (11) – aber der Vorwurf trifft eine argumentative Tradition in Deutschland, zumal in Verbindung mit den anderen Defizitdiagnosen, die Wessel vorträgt.

  77. 77.

    Karl-Friedrich Wessel: Bildung zwischen Selbstregulation und Fremdbestimmung. (1993) In: K.-F. Wessel u. a. (Hrsg.): Bildungstheoretische Herausforderungen. Beiträge der Interdisziplinären Sommerschulen 1990 bis 1993. Bielefeld 1996, S. 201–213. Der Text beginnt mit der bekannten humanontogenetischen Frage: „Wie kann man das Verhältnis des Individuums zur Umwelt charakterisieren?“ – und das Hauptargument des Buches gilt seiner bekannten These von den „Grenzen der schulischen Bildung“, die er, wie schon früher, humanontogenetisch aufhebt. Für die Verbreitung des Nachfolgekonzepts, jetzt auch in einem Band über „Bildung“, Karl-Friedrich Wessel: Vorwort. In: K.F. Wessel (Hrsg.): Die Zukunft der Bildung und die Bildung für die Zukunft. Bielefeld 2007, S. 7–8 – sein eigener Beitrag zu dieser Festschrift für Dieter Kirchhöfer (dem er quasi die Referenz auf Bildung und die Pädagogik als Disziplin überlassen hat) gilt dem von ihm selbst eingeführten Nachfolgebegriff: Der souveräne Mensch – Souveränität in der Humanontogenese. (S. 93–101).

  78. 78.

    Nachweise aus Wessel, Der ganze Mensch, 2015 nachfolgend in Klammern im Text.

  79. 79.

    Die Kritik wiederholt 2015 noch einmal die These von 1975, dass „die Pädagogik bisweilen (vergisst), das ihr Gegenstand einerseits die Voraussetzungen für das Werden der menschlichen Individuen einschließlich der genetischen Voraussetzungen missachtet und andererseits den lebenslangen Prozess der Entwicklung bis ins hohe Alter übersieht“ (2015, S. 24) Aber inzwischen muss man wohl die Pädagogen suchen, die diese Fehler machen, und gegenüber der Gesamtheit der bildungstheoretischen Reflexion ist das auch schon historisch falsch. Zu seiner generellen Kritik an der Pädagogik der DDR Karl-Friedrich Wessel: Über Realitäts- und Theorieverlust in der Erziehungswissenschaft der DDR. In: Die Deutsche Schule 83 (1993), S. 505–51.

  80. 80.

    Heinrich Roth: Pädagogische Anthropologie, Bd. 1: Bildsamkeit und Bestimmung; Bd. 2: Entwicklung und Erziehung. Hannover 1969/1971.

  81. 81.

    Thomas Diesner/Dieter Kirchhöfer/Friedrich-Karl Wessel (Hrsg.): Biografieforschung und Bildungssoziologie. Berlin 2017.

  82. 82.

    Ich zitiere Eva Jablonka/Marion J.Lamb: Evolution in four dimensions: Genetic, epigenetic, behavioral and symbolic variation in the history of life. Cambridge, Mass./London: MIT-Pr., ²2014. Man könnte auch interdisziplinär angelegte Arbeiten aus der Leopoldina zitieren, u. a. Onur Güntürkün/Jörg Hacker (Hrsg.): Geist – Gehirn – Genom – Gesellschaft. Wie wurde ich zu der Person, die ich bin? Halle/Saale 2014 (Nova Acta Leopoldina N.F. Nummer 405, Bd. 120).

  83. 83.

    Sehr informativ zur Einführung in diese Diskussion Nessa Carey: The Epigenetics Revolution. How Modern Biology is Rewriting our Understanding of Genetic Disease and Heritance. London: Icon Books 2012.

  84. 84.

    Zu dieser Diskussion und v. a. im Blick auf die lange Gattungsgeschichte des Menschen und die offenen Forschungsfragen für Historiker ist höchst aufschlussreich das Kontroversen repräsentierende Roundtable in American Historical Review 2014 „History meets Biology“ (AHR 2014, S. 1492–1620; dort u. a. John L. Brooke/Clark Spencer Larsen: The Nurture of Nature: Genetics, Epigenetics and Environment in Human Biohistory. In: American Historical Review (2014), S. 1500–1513, Lynn Hunt: The Self and Its History. S. 1576–1586 sowie der abschließende Kommentar von Norman MacLeod: Comment. Historical inquiry as a Distributed, Nomothetic, Evolutionary Discipline. 1608–1620.

  85. 85.

    Wessel, Pädagogik in Philosophie und Praxis, 1975, S. 126–127, im Abschnitt „Dialektik der Persönlichkeitsentwicklung im Bildungs- und Erziehungsprozess“.

  86. 86.

    Für die Komplexitätstheorie selbst, ihr Weltmodell und ihre Aussagekraft für das schwierige Problem der Wirkung in der Erziehung Elmar Anhalt: Komplexität der Erziehung. Geisteswissenschaft – Modelltheorie – Differenzierung. Bad Heilbrunn 2012, für die Reintepretation der Bildungstheorie innerhalb dieses Modells, vor allem für die Annahmen über „Wechselwirkung“, „Selbstorganisation“ und „Selbstreferenz“ Thomas Rucker: Komplexität der Bildung. Beobachtungen zur Grundstruktur bildungstheoretischen Denkens in der (Spät-)Moderne. Bad Heilbrunn 2014.

  87. 87.

    Bei Wessel kann man deshalb nicht zufällig auch die Argumente gar nicht finden, die für kritische Bildungstheorie so signifikant waren und sind, z. B. „daß das vergesellschaftete Dasein immer schon ein defizienter Modus der Möglichkeiten des Menschen ist“, und zwar deswegen, weil „die gesellschaftlichen Implikationen des Heranwachsens prinzipiell dasjenige reduzieren, was als Mündigkeit doch die erklärte Norm dieses Vorgangs sein sollte.“ (Klaus Mollenhauer: Pädagogik und Rationalität. (1964) In: K.M.: Erziehung und Emanzipation. München 1968, S. 55–74, zit. S. 65).

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Tenorth, HE. (2020). Funktionale Äquivalente zu Theorien der Bildung. In: Die Rede von Bildung. Kindheit – Bildung – Erziehung. Philosophische Perspektiven. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05669-6_27

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