Zusammenfassung
Mein Aufsatz geht aus von Hoffmanns Das Fräulein von Scudieri und zeigt, wie in dieser Erzählung ein neuer Künstlertyp mit einem Modell der modernen Machtausübung verknüpft wird, einem Machtmodell, das von Foucault als Bio-Macht bezeichnet wird.1 Die neue Macht des Künstlers läßt sich als direkte Wirkung auf den Rezipienten, dessen traumatische Verführung und Sexualisierung beschreiben. Der Effekt dieser Verführung wird in Hoffmanns Werk nahezu formelhaft als synästhetische Reizüberflutung beschrieben, die in einer vorübergehenden schmerzhaft lustvollen Auflösung von Ichgrenzen mündet. Ausgelöst wird dieser Effekt durch eine Begegnung mit einem Enigma, mit einer ›fremden Macht‹, mit einem X, das vertraute Wahrnehmungsund Interpretationsmodelle radikal in Frage stellt ohne diese brüchig gewordenen Raster durch neue Sicherheiten zu ersetzen. Hier liegt nun auch der enge Bezug zu dem die fantastische Erzählung markierenden wunderbaren oder rätselhaften Ereignis, der nicht nur für Hoffmann, sondern auch für Tieck, Brentano und Arnim hergestellt werden kann, dessen Aufweis allerdings die Grenzen dieses Beitrags überschreiten würde.2 Stattdessen werde ich die poetologische Dimension dieser rein auf Effekt, ja geradezu auf Nervenimpulse zugespitzten Wirkungsästhetik in ihrer Abgrenzung von einem Modell der ästhetischen Signifikation der Darstellung anhand von Hoffmanns Erzählung Die Automate verfolgen.
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Notizen
Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit, Frankfurt a.M. 1983.
Dieser Aspekt meiner Scuderi-Interpretation stützt sich entscheidend auf Friedrich Kittler, »Eine Detektivgeschichte der ersten Detektivgeschichte«, in: Friedrich Kittler, Dichter Mutter Kind, München 1991, 197–218.
E.T.A. Hoffmann, »Das Fräulein von Scuderi« in: E.T.A. Hoffmann, Die Sera-pions-Brüder. (1819–121), Bd. 1, München 1995, 661.
Siehe auch Arnold Davidson, »How to do the History of Psychoanalysis: A Reading of Freud’s Three Essays on the Theory of Sexuality«, Critical Inquiry 13/2 (Winter 1987), 252–277.
Siehe auch zur Definition des das Fantastische bestimmenden Ereignisses Marianne Wünsch, Die Fantastische Literatur der Frühen Moderne (1890–1930). Definition, Denkgeschichtlicher Kontext, Strukturen, München 1991, bes. 14ff.
Johann Gottfried Herder (1778), »Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traume«, in: Herders Sämmtliche Werke, hrsg. Bernhard Suphan, Berlin 1892, Bd. 8, 25.
E.T.A. Hoffmann, »Die Automate«, in: ders., Die Serapions-Brüder. (1819–121), München 1995, Bd. 1, 328–330.
Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn und Friedrich Nicolai, Briefwechsel über das Trauerspiel, hrsg. Jochen Schulte-Sasse, München, 1972, 103 ff.
Zu Theorien der Nervenerregung im 18. Jh. siehe G. J. Barker-Benfield, The Culture of Sensibility, Chicago 1992, 1–36.
Siehe hierzu Friedrich Kittler, Aufschreibesysteme 1800/1900, München 1985, 83–114.
Zu Hoffmanns Auseinandersetzung mit Schubert und Schelling siehe William Arctander O’Brien, »E.T.A. Hoffmann’s critique of Idealism: Psychology, allegory and philosophy in Die Automate«, Euphorion 83 (1989), 369–406.
Siehe Slavoj Zizek, Grimassen des Realen, Köln 1993.
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von Mücke, D. (1999). Bio-Macht und romantische Fantastik. In: von Graevenitz, G. (eds) Konzepte der Moderne. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05565-1_10
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