Zusammenfassung
Die Geschichte der musikalischen Moderne ist ohne den Faust-Stoff kaum vorstellbar: Wie kein zweites literarisches Sujet hat er im 19. Jahrhundert die europäischen Opernbühnen zwischen Paris und Mailand beherrscht; Komponisten wie Hector Berlioz, Robert Schumann und Franz Liszt widmeten ihm zudem symphonisch-oratorische Formexperimente, die in der romantischen Musik ihresgleichen suchen; und auch die Entwicklung des mit Franz Schubert einsetzenden Kunstliedes ist auf untrennbare Weise mit den verschiedenen Facetten des Faust-Stoffes verwoben. Dass die abenteuerliche Geschichte eines Gelehrten, der mit dem Teufel paktiert, für die Musik des 19. Jahrhunderts eine so zentrale Bedeutung gewinnen konnte, ist vor allem auf Goethes Faust-Dichtung zurückzuführen, deren erster Teil im Jahre 1808 publiziert wurde, nachdem eine als »Fragment« bezeichnete Fassung bereits 1790 erschienen war. Hatte die Faust-Fabel bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lediglich unbedeutende und nur noch punktuell rekonstruierbare Vertonungen hervorgerufen, so erfuhr sie in der Folge von Goethes Neugestaltung eine äußerst komplexe und intensive Rezeption über alle Musikgattungen hinweg. In Paris brach während der späten 1820er Jahre sogar ein regelrechtes Faust-Fieber aus, das zahlreiche Tonkünstler ansteckte und insbesondere den jungen Berlioz zu seinen revolutionären Huit scènes de Faust inspirierte (Bunke 2011, 105–228). Eine ganze Generation aufstrebender Komponisten betrachtete die musikalische Beschäftigung mit dem Faust-Stoff als Ausweis ästhetischer Modernität. Hierbei stand der erste Teil des Goethe-Dramas stets unangefochten im Zentrum des Interesses, während der zweite Teil nach seiner Veröffentlichung im Jahre 1833 nur gelegentlich Berücksichtigung fand, etwa in Schumanns Scenen aus Göthe’s Faust (Burger-Güntert 2006), in der Faust-Kantate von Fanny Hensel (Erfurt-Freund 2001) oder in den Vertonungen der Lynceus-Gedichte von Carl Loewe (Huck 1997).
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Literatur
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Valk, T. (2018). Musik. In: Rohde, C., Valk, T., Mayer, M. (eds) Faust-Handbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05363-3_20
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