Zusammenfassung
Da jetzt mit dem Erscheinen der ersten, achten und neunten symphonischen Dichtung von Franz Liszt die ganze Reihe dieser gewaltigen Tonschöpfungen lückenlos vorliegt, dürfte der Versuch einer eingehenden, sachlichen Besprechung genannter Werke gewiß gerechtfertigt erscheinen. Denn bis jetzt ist wol über einzelne derselben, bei Gelegenheit von Aufführungen, dem Publicum berichtet worden, doch hat man sich darauf beschränkt, die vollständige musikalische Analyse einer spätern Zeit zu überlassen und vor der Hand nur allgemeine Gesichtspuncte für die Anschauung der Werke zu geben, – ein Verfahren, das unter den angedeuteten Verhältnissen gewiß als das einzig anwendbare sich herausstellte und der höchsten Billigung eines Jeden gewiß sein konnte. So begrüßten wir denn auch mit besonderer Freude die Berichte aus St. Gallen und Leipzig, deren wir bei Erwähnung solcher Besprechungen hauptsächlich gedachten, da sie gewiß vollkommen geeignet erschienen, in würdiger Weise das Publicum auf den Genuß der in Rede stehenden großartigen Compositionen vorzubereiten. So wurde ferner unsere Freude nicht wenig vermehrt, als diesen Stimmen, welche für die Anerkennung des großen Mannes in die Schranken getreten waren, sich auch Richard Wagner’s gewichtige hinzugesellte und durch Veröffentlichung eines Privatbriefes das gesammte musikalische Deutschland erfuhr, wie sein allgefeierter Componist über die Werke seines [262] Freundes urtheilte. Ja uns selbst würde dies kritisch so hochbedeutende Document jedenfalls den Muth zu der hier begonnenen, versuchten Besprechung genommen haben, wenn nicht auch in ihm, und zwar mit Absicht, die rein musikalische Analyse gänzlich bei Seite gelassen und hauptsächlich das Epochemachende der ganzen Erscheinung Liszt’s in genialer und wunderbar klarer Weise zur Anschauung gebracht worden wäre. Wagner findet nun freilich die trockene, rein sachliche Besprechung verwerflich und will, was bei dem Dichter begreiflich erscheint, über Musik blos in poetischer Weise geschrieben wissen; – trotzdem aber dürfte gerade im vorliegenden Falle ein solches angedeutetes Eingehen auf die einzelnen künstlerischen Elemente der zu besprechenden Werke sich nur vortheilhaft für diese erweisen, da vielleicht hierin das wirksamste Gegenmittel gegen das grenzenlose, zum Theil abgeschmackte Mißtrauen zu finden ist, mit welchem der größte Theil der musikalischen Welt Liszt, den Componisten, seit Beginn seiner neuen großartigen Laufbahn betrachtet hat. –
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von Roth, D., Roesler, U. (2020). Nr. 107 | Felix Draeseke, „Franz Liszt’s neun symphonische Dichtungen. Erster bis vierter Artikel“, in: Anregungen 2 (1857), Nr. 5 (September/Oktober), S. 261–265, S. 298–317; 3 (1858), Nr. 1 (Januar), S. 10–16, 51–61; [Nr. 4], S. 140–144; [Nr. 5], S. 178. In: von Roth, D., Roesler, U. (eds) Die Neudeutsche Schule – Phänomen und Geschichte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04923-0_107
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04923-0_107
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-04922-3
Online ISBN: 978-3-476-04923-0
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