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Nebensache Nachbarschaft. Über Kontiguität und Kontinuität in Stifters Die Mappe meines Urgroßvaters, Brigitta und Der Nachsommer

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Stifters Mikrologien

Part of the book series: Abhandlungen zur Literaturwissenschaft ((ABLI))

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Zusammenfassung

Der Aufsatz nimmt eine bislang kaum beachtete Reflexionsfigur in Stifters Erzählungen in den Blick: die der Nachbarschaft. In Die Mappe meines Urgroßvaters, Brigitta und Der Nachsommer verbindet Stifter die soziale und räumliche Beziehungsgröße der Nachbarschaft mit seinem Interesse am Neben(an)liegenden, Peripheren und scheinbar Marginalen. Dies betrifft erstens die Topographie und das Sozialgefüge der Diegese, zweitens die Gestaltung des Plots und der narrativen Struktur sowie drittens das metonymische Prinzip in Stifters Erzählen. Indem sich das jeweilige Nachbarschaftsverhältnis nachträglich als Kern einer scheiternden oder gescheiterten Liebesgeschichte erweist, relativiert Stifter – in einer Art Aufmerksamkeitsübung für Randständiges – die Bedeutung des Hauptschauplatzes, der Erzählinstanz erster Ordnung oder auch der vermeintlich im Fokus stehenden Handlung. Die Nachbarschaft wird dadurch als poetologisches Raummodell einer Umwertungsstrategie lesbar, die sowohl das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebensache als auch die narrative Ordnung insgesamt irritiert.

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Notes

  1. 1.

    Siehe etwa Schuller, Marianne: Das Kleine der Literatur. Stifters Autobiographie. In: Dies./Gunnar Schmidt (Hg.): Mikrologien. Literarische und philosophische Figuren des Kleinen. Bielefeld 2003, 77–89; oder Frei Gerlach, Franziska: Die Macht der Körnlein. Stifters Sandformationen zwischen Materialität und Signifikation. In: Sabine Schneider/Barbara Hunfeld (Hg.): Die Dinge und die Zeichen. Dimensionen des Realistischen in der Erzählliteratur des 19. Jahrhunderts. Für Helmut Pfotenhauer. Würzburg 2008, 109–122.

  2. 2.

    Schuller: Das Kleine der Literatur (wie Anm. 1), 77. Siehe Drügh, Heinz: Ästhetik der Beschreibung. Poetische und kulturelle Energie deskriptiver Texte (1700–2000). Tübingen 2006, 224–332.

  3. 3.

    Aage Hansen-Löve bemerkt, dass sich „die Dinge Stifters […] auf eine graue Gegenständlichkeit“ beschränken, „die sich nicht einmal mehr die Mühe macht, konkret zu werden.“ (Hansen-Löve, Aage: Schwangere Musen – Rebellische Helden. Antigenerisches Schreiben von Sterne zu Dostoevskij, von Flaubert zu Nabokov. Paderborn 2019, 375). Mit anderem Akzent, aber in dieselbe Richtung weist Eva Geulens Formulierung von der „Sprachlosigkeit in der Sprache“ Stifters (Geulen, Eva: Worthörig wider Willen. Darstellungsproblematik und Sprachreflexion in der Prosa Adalbert Stifters. München 1992, 105).

  4. 4.

    Es sei ein „schier grenzenloser Differenzierungsfuror“ am Werk (Giuriato, Davide: „klar und deutlich“. Ästhetik des Kunstlosen im 18./19. Jahrhundert. Freiburg i.Br. 2015, 287).

  5. 5.

    Vgl. Vogel, Juliane: Prosa der Entfärbung. Stifters ‚Bunte Steine‘. In: Eva Eßlinger/Heide Volkening/Cornelia Zumbusch (Hg.): Die Farben der Prosa. Freiburg i.Br./Berlin/Wien 2016, 65–78.

  6. 6.

    Vgl. Koschorke, Albrecht: Erzählen. In: Christian Begemann/Davide Giuriato (Hg.): Stifter-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart 2017, 209–213; hier: 210.

  7. 7.

    Jakobson, Roman: Randbemerkungen zur Prosa des Dichters Pasternak [1935]. In: Ders.: Poetik. Ausgewählte Aufsätze 1927–1971. Hg. von Elmar Holenstein und Tarcisius Schelbert. Frankfurt a.M. 1972, 192–211; hier: 202.

  8. 8.

    Die Unterscheidung ‚homogener Raum (Metonymie)‘ und ‚heterogener Raum (Metapher)‘ entnehme ich Eggs, Ekkehard: Art. ‚Metonymie‘. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Hg. von Gert Ueding, mitbegründet von Walter Jens. 12. Bde. Tübingen 1992–2015; hier: Bd. 5, Sp. 1196–1223; bes. Sp. 1197–1199.

  9. 9.

    Vgl. Begemann, Christian: Die Welt der Zeichen. Stifter-Lektüren. Stuttgart/Weimar 1995, 333 f.

  10. 10.

    Ich konzentriere mich im Folgenden auf die sogenannte Buchfassung der Mappe, die 1847 im Rahmen der Studien erschien, und auf die ebenfalls 1847 in den Studien erschienene Fassung der Erzählung Brigitta, bevor ich abschließend auf den Nachsommer von 1857 eingehe.

  11. 11.

    Dass Stifter an solchen Operationen der Umwertung interessiert war, belegt die „Vorrede“ zu den Bunten Steinen hinlänglich.

  12. 12.

    Aristoteles’ Physik. Vorlesung über die Natur. Griechisch-Deutsch. Übers., mit einer Einleitung und mit Anmerkungen hg. von Hans Günter Zekl. Hamburg 1988, 2. Halbband: Bücher V–VIII, 19 f. (Buch V, 227a–227b).

  13. 13.

    Hron-Öberg, Irina: Nahewohnen. Figuren der Nachbarschaft bei Kafka und Rilke. In: Michael Grote/Beate Schirrmacher/Anja Pietzuch (Hg.): Perspektiven. Das IX. Nordisch-Baltische Germanistentreffen in Os/Bergen. Stockholm 2013, 143–155; hier: 144. Irina Hron verfolgt Nachbarschaftsfigurationen von der Frühen Moderne bis zur Gegenwart im Rahmen ihres Habilitationsprojekts, das derzeit an den Universitäten Stockholm und Wien entsteht.

  14. 14.

    Zu Stifters Auseinandersetzung mit Familienmodellen siehe Willer, Stefan: Familie. In: Begemann/Giuriato: Stifter-Handbuch (wie Anm. 6), 330–334 sowie Blasberg, Cornelia: Erschriebene Tradition. Adalbert Stifter oder das Erzählen im Zeichen verlorener Geschichten. Freiburg i.Br. 1998, 33–55.

  15. 15.

    Almog, Yael/Born, Eric: Introduction. In: Dies. (Hg.): Neighbors and Neighborhoods. Living Together in the German-Speaking World. Newcastle upon Tyne 2012, 1–7; hier: 1.

  16. 16.

    Zu Freuds Unterscheidung zwischen Unterdrückung (bewusster Abwehrmechanismus) und Verdrängung (unbewusster Abwehrmechanismus) siehe den Eintrag zur ‚Unterdrückung‘ in Laplanche, Jean/Pontalis, Jean-Bertrand: Das Vokabular der Psychoanalyse. Frankfurt a.M. 1972, 570 f.

  17. 17.

    So der Titel des Stifterkapitels in Sebald, W. G.: Die Beschreibung des Unglücks. Zur österreichischen Literatur von Stifter bis Handke. Salzburg/Wien 1985, 15–37.

  18. 18.

    Die Bezeichnung „eulenspiegeliger Herr“ rückt Augustinus einerseits in die Nähe der Scharnast-Narren (Die Narrenburg, Prokopus), mit denen der Obrist der Journalfassung noch verwandt ist, und andererseits in die Nähe des Dyl Ulenspegel – und damit in die Nähe des Obristen Casimir Uhldom, der in der dritten Fassung Casimir Uhl von Uhldom und in der vierten Casimir Ulsin von Ulheim heißen wird.

  19. 19.

    Vgl. Schneider, Sabine: Vergessene Dinge. Plunder und Trödel in der Erzählliteratur des Realismus. In: Dies./Hunfeld: Die Dinge und die Zeichen (wie Anm. 1), 157–174; hier: 163–169.

  20. 20.

    Vgl. Turk, Horst: Die Schrift als Ordnungsform des Erlebens. Diskursanalytische Überlegungen zu Adalbert Stifter. In: Jürgen Fohrmann/Harro Müller (Hg.): Diskurstheorien und Literaturwissenschaft. Frankfurt a.M. 1988, 400–417; hier: 407.

  21. 21.

    Die hierarchische Implikation des Figurennamens bzw. -ranges ist hier mitzudenken. Ich komme darauf zurück.

  22. 22.

    In der dritten Fassung fehlt dieses Credo, ansonsten ist die Stelle nahezu identisch (vgl. HKG 6.1, 132–134).

  23. 23.

    Goethe, Johann Wolfgang: Die Wahlverwandtschaften. In: Ders.: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. Hg. von Friedmar Apel u. a. 40 Bde. Frankfurt a.M. 1985–2013; hier: Abt. I, Bd. 8, 470 f. Die Verbindung der Mappe zu Goethes Romanwerk ist insgesamt auffällig: Der Obrist steht als „oberster feldherr, hauptmann“ (so der Art. ‚ober‘ in: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbdn. Leipzig 1854–1960; hier: Bd. 13, Sp. 1073–1080, bes. Sp. 1078) der Figur des Hauptmanns in den Wahlverwandtschaften nahe und auch das Motiv der Grundsteinlegung und des Richtfestes teilen beide Texte. Die Nähe zu Werther ist vor allem durch den Suizidversuch, den es in der Novelle von den „wunderlichen Nachbarskindern“ freilich auch gibt, gegeben. Und Wilhelm Meister ist durch das Entwicklungsnarrativ und den Themenkomplex der (Selbst-)Heilung präsent.

  24. 24.

    Die Nachbarschaft sei eine „Gewaltressource erster Ordnung.“ (Reemtsma, Jan Philipp: Nachbarschaft als Gewaltressource. In: Mittelweg 36 13/5 (2004), 103–120; hier: 104.)

  25. 25.

    Reemtsma: Nachbarschaft als Gewaltressource (wie Anm. 24), 118. Zur Differenz von geopolitischen und zivilen Nachbarschaftskonflikten vgl. ebd., 111 f.

  26. 26.

    Art. ‚nachbar‘. In: Grimm: Wörterbuch (wie Anm. 23); hier: Bd. 13, Sp. 22–24, bes. Sp. 22: „nachbar ist zusammengesetzt aus dem adv. nach nahe und bauer, das in dieser composition noch die alte bedeutung von bauen ‚sich niederlassen, wohnen‘ festhält: der nahewohner, anwohner.“ Als jemand, der in der Nähe baut, wird der Obrist in den späten Fassungen eingeführt. So sagt der Pfarrer zu Augustinus: „‚[F]reilich ist er noch nicht euer Nachbar, sondern sein angefangenes Haus ist es[.]‘“ (HKG 6.1, 114)

  27. 27.

    Zum Problem der Familienlosigkeit des Augustinus vgl. Turk: Die Schrift als Ordnungsform (wie Anm. 20), 407 f.

  28. 28.

    Dass es wesentlich auf den „rezeptiven Umgang“ mit dem eigenen Lebenstext ankommt, zeigt Begemann: Die Welt der Zeichen (wie Anm. 9), 250.

  29. 29.

    Zum Begriff der Selbstmeditation in Bezug auf Goethes Werther siehe Campe, Rüdiger: Von Fall zu Fall. Goethes Werther, Büchners ‚Lenz‘. In: Inka Mülder-Bach/Michael Ott (Hg.): Was der Fall ist. Casus und lapsus. Paderborn 2014, 33–55; hier: 41 f.: „Die Passionsmeditation verlangt ja zweierlei: erst die Entleerung der Seele von allen vorangehenden Eindrücken, Kommunikationsverhältnissen und Augenblicksverhaftungen; und dann die Wiederanfüllung der zur tabula rasa gewordenen Seele durch die Bilder des Lebens und Leidens Christi.“ Stifters Figur des Augustinus legt bereits durch ihren Namen eine Lesart der Mappe nahe, die dessen selbstmeditative Schreibhaltung zum Ausgangspunkt nimmt.

  30. 30.

    Mayer, Mathias: ‚Die Mappe meines Urgroßvaters‘. In: Ders.: Adalbert Stifter. Erzählen als Erkennen. Stuttgart 2001, 92–114; hier: 112.

  31. 31.

    Sabine Schneider spricht anlässlich dieser Formulierung von der „grausamen Logik einer über das konkrete Menschenschicksal hinweggehenden Theodizee“ (Schneider: Vergessene Dinge (wie Anm. 20), 169).

  32. 32.

    Stifter an Heckenast, 16. Februar 1847 (HKG 1.9, 234).

  33. 33.

    Stifter an Heckenast, 12. Februar 1864 (HKG 6.4, 34).

  34. 34.

    Mit Blick auf die Vorgeschichte des Obristen hat W.G. Sebald Stifters Frauenbilder treffend als „Musen des Zölibats“ bezeichnet (Sebald: Die Beschreibung des Unglücks (wie Anm. 17), 36).

  35. 35.

    Turk: Die Schrift als Ordnungsform (wie Anm. 20), 413.

  36. 36.

    Der Obrist spricht in seiner Erzählung davon, dass seine „Ansichten“ nach dem Wiederöffnen seiner ersten Aufzeichnungen „gewachsen“ seien und er von der „heftigst[en] Begierde“ ergriffen worden sei, diese Ansichten „gleich wieder in einem neuen Packe nieder zu schreiben.“ (HKG 1.5, 51)

  37. 37.

    Zur Karriere der eingeschobenen Vorgeschichte im modernen Roman siehe Zumbusch, Cornelia: Nachgetragene Ursprünge. Vorgeschichten im Roman (Wieland, Goethe, Stifter). In: Poetica 43/1–2 (2011), 267–299 (zum Nachsommer: 289–297).

  38. 38.

    Die auffällige Nähe dieser Texte betont Begemann: Die Welt der Zeichen (wie Anm. 9), 322: „Insbesondere aber lassen sich zwischen Brigitta und dem Nachsommer so viele und gerade auch strukturelle Übereinstimmungen entdecken, daß man versucht ist, den Roman als eine Art ‚Remake‘ der Brigitta-Problematik zu lesen.“

  39. 39.

    Die psychologische Dimension der Landschaftsdarstellung und -bearbeitung in Brigitta wurde von der Forschung viel diskutiert. Ich verweise stellvertretend auf Begemann: Die Welt der Zeichen (wie Anm. 9), 266–284.

  40. 40.

    Es handle sich um „einen analytischen Prozeß in ineinandergeschachtelten Rückerinnerungen“ (Gutjahr, Ortrud: Das ‚sanfte Gesetz‘ als psychohistorische Erzählstrategie in Adalbert Stifters ‚Brigitta‘. In: Johannes Cremerius/Wolfram Mauser (Hg.): Psychoanalyse und die Geschichtlichkeit von Texten. Würzburg 1995, 285–305; hier: 286).

  41. 41.

    Zu den „physiognomischen Verunsicherungen“ im Werk Stifters siehe Begemann, Christian: Das „Titelblatt der Seele“. Stifters Gesichter und das Dilemma der Physiognomik. In: Michael Gamper/Karl Wagner (Hg.): Figuren der Übertragung. Adalbert Stifter und das Wissen seiner Zeit. Zürich 2009, 15–43; hier: 30.

  42. 42.

    Die Journalfassung untertitelt Stifter mit „Novelle“. Zu Stifters Umgang mit der Gattungskonvention siehe Blasberg, Cornelia: Augenlider des Erzählens. Zu Adalbert Stifters gerahmten Erzählungen. In: Michael Minden/Martin Swales/Godela Weiss-Sussex (Hg.): History, Text, Value. Essays on Adalbert Stifter. Jahrbuch des Adalbert-Stifter-Institutes des Landes Oberösterreich 11 (2004). Linz 2006, 89–97.

  43. 43.

    Vgl. dazu v.a. Begemann: Die Welt der Zeichen (wie Anm. 9), 260–291.

  44. 44.

    Hervorh. O.G. Wenn Brigittas Vorgeschichte von einer „Aschenputtel-Konstellation“ geprägt ist, wie Ortrud Gutjahr zeigt, so konterkariert dieses Resümee auch ein märchenhaftes Glück – bzw. die dazugehörige Schlussformel (Gutjahr: Das ‚sanfte Gesetz‘ (wie Anm. 40), 288).

  45. 45.

    Vgl. Thürmer, Wilfried: „Die ganze Welt kömmt in ein Ringen sich nutzbar zu machen, und wir müssen mit“. Zur Ambivalenz der Liebes-Geschichte in Stifters Erzählung ‚Brigitta‘. In: Wirkendes Wort 57/2 (2007), 231–256; hier: 235 f.

  46. 46.

    „[E]r ließ sich immer Major nennen, welchen Rang er in Spanien erworben hatte“ (HKG 1.5, 474).

  47. 47.

    Siehe dazu Zumbusch: Nachgetragene Ursprünge (wie Anm. 37), 294 f.

  48. 48.

    Vgl. Drügh: Ästhetik der Beschreibung (wie Anm. 1), 278.

  49. 49.

    So lautet eine der Kapitelüberschriften. Gemeint ist damit vorderhand die Annäherung Heinrichs an die Schönheit der Kunst und zugleich an die Schönheit Natalies. Siehe dazu Vogl, Joseph: Der Text als Schleier. Zu Stifters ‚Der Nachsommer‘. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 37 (1993), 298–312.

  50. 50.

    Tatsächlich wird das hohe Maß an Unsicherheit, das den Nachsommer insgesamt prägt, durch die abschließende „Hypostase des Familienglücks“ keineswegs wirksam entkräftet, sondern lediglich „in den Hintergrund gedrängt.“ (Giuriato: „klar und deutlich“ (wie Anm. 4), 310).

  51. 51.

    Dieses Gitter ist deshalb „Schauplatz eines ödipalen Aufbegehrens an der Schwelle zur symbolischen Ordnung“. Vogel, Juliane: Stifters Gitter. Poetologische Dimensionen einer Grenzfigur. In: Schneider/Hunfeld (Hg.): Die Dinge und die Zeichen (wie Anm. 1), 43–58; hier: 53.

  52. 52.

    Siehe dazu Grill, Oliver: Die Wetterseiten der Literatur. Poetologische Konstellationen und meteorologische Kontexte im 19. Jahrhundert. Paderborn 2019, 170–212. Die nachfolgend angedeuteten Überlegungen zur ‚Psychologie‘ dieses Gewitters sind ebd. ausgeführt.

  53. 53.

    Ansonsten nennt er Risach meist seinen „Begleiter“ oder „Gastfreund“ (z. B. HKG 4.1, 59, 67). Den Namen seines Gastfreundes erfährt Heinrich bekanntlich viel später.

  54. 54.

    Die Paradoxie dieser Ordnung liege, so Begemann, in der „Engführung zweier Prinzipien […], die im Roman in einer nirgends ausgetragenen Spannung stehen: des Postulats der klaren Kontur, der Gestalt, der Entmischung einerseits, […] und des Prinzips der überspielten Grenze, der Übergänglichkeit, der Kontinuität andererseits.“ (Begemann: Die Welt der Zeichen (wie Anm. 9), 336) Zum metonymischen Stil des Nachsommers siehe ders.: Adalbert Stifter: ‚Der Nachsommer‘. In: Dorothea Klein/Sabine Schneider (Hg.): Lektüren für das 21. Jahrhundert. Schlüsseltexte der deutschen Literatur von 1200 bis 1990. Würzburg 2000, 203–225; hier: 221.

  55. 55.

    Dass Stifter die beiden Höfe nach der Losung per aspera ad astra benannte, ist bekannt.

  56. 56.

    Einen ähnlichen Hintersinn hat auch die Bemerkung Risachs, dass zur Wetterkunde, wie zu allem, auch Liebe gehöre. Vgl. Neumann, Gerhard: Archäologie der Passion. Zum Liebeskonzept in Stifters ‚Nachsommer‘. In: Minden/Swales/Weiss-Sussex: History, Text, Value (wie Anm. 42), 69–79; hier: 73.

  57. 57.

    Unter anderem deshalb ist der Nachsommer als ein (zumindest beinahe) moderner Roman zu verstehen, der um die Unmöglichkeit seiner Totalitätsansprüche weiß.

  58. 58.

    Zur Ästhetik der Übersicht und Durchsicht im Nachsommer siehe Giuriato: „klar und deutlich“ (wie Anm. 4), 308–332.

  59. 59.

    Risach erzählt, dass er nach der Versöhnung mit Mathilde dieser den Vorschlag gemacht habe, „die Rosen, wenn sie ihr schmerzliche Erinnerungen [an die Trennung, O. G.] weckten, von dem Hause [zu] entfernen“, doch Mathilde besteht darauf, dass der „Schmuck dieses Hauses“ erhalten bleibe (HKG 4.3, 221).

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Grill, O. (2019). Nebensache Nachbarschaft. Über Kontiguität und Kontinuität in Stifters Die Mappe meines Urgroßvaters, Brigitta und Der Nachsommer. In: Giuriato, D., Schneider, S. (eds) Stifters Mikrologien. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04884-4_9

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