Zusammenfassung
Der Gebrauch des Wortes Dialektik als Terminus für den Konstitutionsprozess und für die Struktur eines aus einander widersprechenden Elementen bestehenden Zusammenhangs, sei es in der Wirklichkeit (Realdialektik), sei es im Denken (dialektische Methode), ist erst etwa 200 Jahre alt. Kant spricht in diesem Sinne von der Dialektik als der »Logik des Scheins«, Schelling gebraucht das Wort für die Methode der Philosophie als Zusammenwirken der entgegengesetzten Erkenntnisweisen von Spekulation und Reflexion; es sei ihre »Absicht, alles als eins darzustellen und in Formen, die ursprünglich dem Reflex angehören, dennoch das Urwissen auszudrücken (…) Es ist dieses Verhältnis der Spekulation zur Reflexion, worauf alle Dialektik beruht.«1 Hegel sagt: »Dialektik nennen wir die höhere vernünftige Bewegung, in welche solche schlechthin getrennt Scheinende durch sich selbst, durch das, was sie sind, ineinander übergehen (…) Die Form des Dialektischen ist ein Übergehen in Anderes.«2 Schleiermacher hingegen will die Dialektik wieder auf den platonischen Dialog als Kunst der Argumentation im Streitgespräch zurückfuhren: »Dialektik ist Darlegung der Grundsätze für die kunstmässige Gesprächführung im Gebiet des reinen Denkens (…) Denn nur, wo der Streit schon war, und zugleich die Richtung auf das Wissen stark genug, und das reine Denken bestimmt genug von dem andern unterschieden, um den Streit rein in seiner Natur zu erhalten, nur da hat die Dialektik entstehen und sich ausbilden können.«3
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Anmerkungen
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Sämtliche Werke, Stuttgart und Augsburg 1856 ff., I,5, S. 267.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik, Gesammelte Werke, Band 21, Hamburg 1985, S. 92 = Werke (Suhrkamp), Band 5, Frankfurt am Main 1969, S. 111. Enzyklopädie § 84.
Friedrich Schleiermacher, Dialektik, Leipzig und Darmstadt 1976, S. 5 und 10.
Friedrich Engels, Dialektik der Natur, Marx-Engels-Werke (MEW), Band 20, Berlin 1962, S. 481.
Wilhelm Nesde, Vom Mythos zum Logos, Berlin 1940.
Vgl. Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, Darmstadt 1953, Band 2.
Bruno von Freytag-Löringhoff, Logik, Stuttgart 1955, S. 15.
Reiner Winter, IdentitätundGegenstand, Dissertation Marburg/Lahn 1972.
Hans Heinz Holz, Filosofia speculativa e filosofia materialistica, in: Nuovi Annali della Facoltà di Magistern dell’ Università diMessina, Roma 1983, S. 27 ff
Vgl. Bruno Liebrucks, Piatons Weg zur Dialektik, Frankfurt am Main 1949.
Gottfried Wilhelm Leibniz, Kleine Schriflen zur Metaphysik, hg. und von H. H. Holz, Frankfurt am Main und Darmstadt 1965, S. 233.
Gottfried Wilhelm Leibniz, Opuscules inédits, hg. von L. Couturat, Paris 1903, S. 183.
Josef König, a. a. O., S. 33 f. — Vgl. auch Hans Heinz Holz, Dialektik und Wi-derspiegelung, Köln 1983, S. 51 ff.
Vgl. Detlev Pätzold, Kritik und positive Wissenschaft, in: DIALEKTIK 6, Köln 1983, S. 115 ff. -Jindrich Zeleny, Die Wissenschaftslogik und das :Kapitak Frankfurt am Main und Wien 1968. — Otto Morf, Geschichte und Dialektik der politischen Ökonomie, Frankfurt am Main und Wien 1970.
A. Deborin in L Bucharin und A. Deborin, Kontroversen über dialektischen und mechanischen Materialismus, Frankfurt am Main 1974, S. 97–105 und 133.
Jean Paul Sartre, Existentialismus und Marxismus, Frankfurt am Main 1965, S. 30. Vgl. auch Jean Paul Sartre, Kritik der dialektischen Vernunft, Reinbek bei Ham-burg 1967. Dazu Hans Heinz Holz, Sartres Kritik der dialektischen Vernunft, Merkurjg. 15, Heft 10, München 1961, S. 969 ff.
Vgl. Hans Heinz Holz, Die Wissenschaft des Gesamtzusammenhangs, in: DIALEKTIKV 12, Köln 1986, S. 50 ff.
W. I. Lenin, Werke (LW), Berlin 1961 ff, Band 38, S. IX.
Galvano della Volpe, Rousseau und Marx, Darmstadt und Neuwied 1975, S. 183.
J. W. Stalin, Fragen des Leninismus, Berlin 1951, S. 648 ff.
Vgl. Hans Heinz Holz, Dialektik und Widerspiegelung, Köln 1983.
A. Ch. Kasymchanow und W.A. Lektorski, Die Ausarbeitung der Dialektik als Logik und Erkenntnistheorie, in: Autorenkollektiv, Geschichte der marxistischen Dialektik, die Leninsche Etappe, Berlin 1975, Kapitel 2, S. 64 f.
Hans Heinz Holz, Natur und Gehalt spekulativer Sätze, Köln 1981.
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Holz, H.H. (1997). Einleitung: Dialektik — was ist das überhaupt?. In: Einheit und Widerspruch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03706-0_1
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