Zusammenfassung
Str. hat als phantasievoller Anekdotenerzähler Dutzende von Romanschriftstellern und Filmemachern zu vermeintlich authentischen Lebensabrissen inspiriert. Wenn es aber um handfeste Dokumentation ging — wie in der biographischen Einleitung zur Gesamtausgabe der Werke seines Vaters (1889) — , da ließ er sie vom Ghostwriter Eduard Hanslick nachempfinden. Tatsächlich war das Debüt des Komponisten Str. im Oktober 1844 ein riskantes Unternehmen. Klavier- und Violinstudien hatte Str. durchaus emsig betrieben, aber mit dem Theoriestudium haperte es. Doch Mutter Anna, zermürbt von der ›Fremdgängerei‹ des Ehegemahls, bestimmte unmittelbar nach Josef Lanners Tod ihren Ältesten (17) zur Nachfolge. Nach nur einjähriger Ausbildung erfolgte die Bewerbung um eine Lizenz als Musikdirektor; wenige Tage danach reichte Anna Str. die Scheidung gegen den Vater ein. Zur Unterstützung wurde der mährische Klarinetten-Virtuose und Arrangeur des Vaters, Joseph Proksch, hinzugezogen. Prompt priesen alle Debüt-Kritiker das angebliche Vermögen des Juniors, aus dem Stand so hervorragende Partituren schreiben zu können wie der weltberühmte Vater. In Wirklichkeit hatte Str. seinem Arrangeur ein Notenbuch ausgehändigt, in dem er rund 260 Melodien zusammengetragen hatte. Das derzeit in der USA aufbewahrte erste Melodienbuch läßt erkennen, daß Str. im Debütjahr 1844 noch nicht in der Lage war, Melodien, Harmonien und Baßfortschreitungen metiergerecht zu notieren, geschweige denn in Partitur zu bringen.
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Literatur
J. Str. Sämtliche Werke, hrsg. von Fr. Racek, fortgeführt von E. Hilmar, Wien 1967 ff.
Weigel, H.: Flucht vor der Größe, Wien 1960.
,Linke, N.: J. Str. (Sohn) in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei Hbg. 1982, erw. 31992. Ders.: Musik erobert die Welt oder Wie die Wiener Familie Str. die ›Unterhaltungsmusik‹ revolutionierte, Wien 1987.
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Linke, N. (1992). Strauß, Johann (Sohn). In: Weber, H. (eds) Metzler Komponisten Lexikon. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03421-2_295
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