Zusammenfassung
Wir setzen gewöhnlich voraus, daß es zwei Welten gibt: die Welt der Natur und die Welt der Geschichte. In der einen weiß sich der Mensch mehr oder minder fremd, weil sie ohne ihn, von Natur aus, ist; mit der andern mehr oder minder vertraut, weil sie eine von ihm hervorgebrachte, menschliche Welt ist. In beiden Welten geschieht etwas, aber das Naturgeschehen scheint in die menschliche Welt zumeist nur herein, sofern es kulturfördernd und -hemmend ist. Wir fragen darum auch nicht nach dem Sinn der Natur, sondern nur nach dem Sinn der Geschichte. Der Mensch wird zwar immer wieder von seiner eigenen Welt und Geschichte wie von etwas Fremdem und Sinnfremdem überwältigt; was ihn dabei überwältigt, ist aber doch ein Geschehen, das auf dem Handeln des Menschen beruht. Diese Unnatur des geschichtlichen Geschehens gehört zur »Natur« des Menschen. Je künstlicher, kultivierter und zivilisierter unsere Zustände sind, desto mehr verlangen wir zurück zur Natur. Das seit Rousseau vernehmliche »Unbehagen in der Kultur« und die Flucht zur Natur bestätigt nur, daß wir kultur-geschichtlich existieren und der Natur entfremdet sind.
Eine historisch ausgeführte Darstellung des hier zusammengefaßten und verschärften Leitgedankens enthält Weltgeschichte und Heilsgeschehen (Sämtliche Schriften 2, S. 7ff.).
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Notizen
Zur Frage der Ableitung des verum vom factum siehe B. Croce, La Filosofia di G. Vico, besonders Anhang 3.
Siehe dazu die grundsätzliche Erörterung von Leo Strauß, Political Philosophy and History, Journal of the History of Ideas, Jan. 1949.
K. Nishida, Die morgenländischen und abendländischen Kulturformen in alter Zeit vom metaphysischen Standpunkt aus gesehen. Abhandl. der Preuß. Akad. der Wiss. 1939.
Vgl. Laotse, Tao Te King § 8, 43, 78.
Siehe Eugen Herrigels unübertrefflich konkrete Analyse des Zengeistes in: Zen in der Kunst des Bogenschießens, Konstanz 1948.
Siehe D. T. Suzuki, Die große Befreiung, Kap. 7. Konstanz 1948.
Eine von K. Nishida gemalte Tuschzeichnung zeigt auf weißem Papier nichts weiter als einen schwarzen leeren Kreis. Die ihm zur Seite gemalten Schriftzeichen besagen wörtlich: Mond, Geist (Herz), einsam, Kreis, Licht, zehntausend Dinge (das All), verschlucken. Diese Wortfolge meint ungefähr folgendes: ein Geist (Herz), der vollkommen rund, erleuchtet und leer geworden ist, ist wie das einsame Licht des Vollmonds: er vermag alles zu fassen und zu verschlucken.
Wir Philologen, § 259ff.
Siehe K. Reinhardt, Von Werken und Formen, Godesberg 1948, S. 163ff.
Vgl. W. von Humboldt, Politischer Briefwechsel, Berlin 1935, Brief Nr. 77.
A. von Tocquevilles Einleitung zur Demokratie in Amerika.
H. Cohen, Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, Leipzig 1919, S. 307ff. und 293ff.
F. Schlegel, Athenäumsfragmente Nr. 222.
Siehe Schelling, Werke I. Abt. V, S. 249; Kierkegaard, Begriff der Angst, Kap. 3, § 2.
Gottesstaat, XII, 10 bis 13 und 17 bis 20; XI, 4 und 6.
Nach Nietzsche hat O. Weininger das christliche Argument gegen den Kreislauf wieder zur Geltung gebracht. Über die letzten Dinge, Wien 1907, S. 95ff.
Th. Haecker, Der Christ und die Geschichte, Leipzig 1935, S. 122.
Hegel, Werke IX (3. Aufl.), S. 89f.
Hegel, Werke IX, S. 26f.
Brief an Schiller vom 9. März 1802; vgl. Gespräche I, S. 494f.
Briefe von und an Hegel, S. 13.
Hegel, Werke IX, S. 20.
Briefe von und an Hegel, S. 401f.
Vgl. Augustin, Gottesstaat V, 1 und 8, über die teilweise Übereinstimmung von Fatum und Vorsehung im heidnischen und christlichen Glauben.
Siehe vom Verf. Von Hegel bis Nietzsche, Zürich 1941, S. 219ff. (Sämtliche Schriften 4, S. 209ff.).
Grundsätze der Philosophie der Zukunft, § 21.
Siehe A. Harnack, Der Vorwurf des Atheismus in den ersten drei Jahrhunderten, Texte und Untersuchungen zur Gesch. der altchristlichen Lit., N. F. (1905) XIII, 4.
Siehe dazu Michael Carrouges, La Mystique du Surhomme, Paris 1948.
Bossuet, Discours sur l’histoire universelle, III. Teil, Kap. 8.
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Löwith, K. (1990). Weltgeschichte und Heilsgeschehen. In: Lutz, B. (eds) Der Mensch inmitten der Geschichte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03324-6_4
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