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Der Leipziger Calvinistensturm von 1593

Einige Anmerkungen zu Forschungsstand und Quellenlage

  • Chapter
Neues Archiv für sächsische Geschichte
  • 222 Accesses

Zusammenfassung

Das man wider falsche Lehrer sonderlich die Gotteslesterliche Sacrament Schwermerey und Calvinisterey eyfert, daran thut man nicht unrecht. Ja ich wil disen Artickel scherffen mehr denn ihr thut und also sagen: Es ist unleidlich das man mit dieser Gotteslesterlichen Lehre und derselbigen unruhigen friedhessigen blutdürstigen und practicirischen Anhengern nun mehr lenger be vorab in diesen Landen und in dieser Stadt Geduld tragen sol. … noch folget nicht daraus, daß sich jedweder solchen gewalt eignes willens unterwinden oder die Untern den Obern vorgreiffen und mit Sturm, Raub, Plünderung und empörung solches ausrichten sollen.1 So predigte der Jenaer Theologe Georg Müller am 24. Mai 1593 in der Thomaskirche zur Leipziger Bürgerschaft. Der Grund für diese eindringlichen Worte war der sogenannte Leipziger Calvinistensturm, ein Ereignis, das vor allem im 17. und 18. Jahrhundert Anlaß für zum Teil ausführliche Darstellungen bot. Das Chronicon Misnicum2, die Annales Lipsienses3 des Zacharias Schneider, Heydenreichs Leipzigische Chronicke4 und das Leipzigische Geschichtbuch des Johann Jakob Vogel widmen dem Aufruhr ausführliche Passagen.5

Die nachfolgenden Ausführungen gehen auf eine Anregung von Prof. Wieland Held, Leipzig, zurück.

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Notizen

  1. Georg Müller, Warnungspredigt über den unvorsehenen Tumult, welcher sich in Leipzig bei Stürmung eines Calvinischen Bürgers Behausung sehr gefährlich erhoben hat, Leipzig 1593.

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  2. Johann Jacob Vogel, Leipzigisches Geschichtbuch oder Annales. Leipzig 1714, S. 279. Die Darstellung des Calvinistensturmes befindet sich auf den Seiten 278–295. Zum Zusammenhang vgl. auch Döring, Ein bisher unbekannter Bericht (wie Anm. 2), S. 210, Anm. 9.

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  3. Auf diese Problematik soll hier nicht näher eingegangen werden, es sei nur kurz auf die wichtigste Literatur hingewiesen. Zur Regierungszeit Christian I. und dem Charakter der begonnenen Reformen vgl.: Thomas Klein, Der Kampf um die Zweite Reformation in Kursachsen 1586–1591, Köln — Graz 1962; sowie ders., Politische oder kirchlich-religiöse Reform? — Die Regierung Christian I. 1586–1591, in: Um die Vormacht im Reich Christian I., Sächsischer Kurfürst 1586–91, Dresdner Hefte 29 (1992), S. 5–13; siehe auch Siegfried Hoyer, Die sächsischen Stände unter Christian I. in: ebd., S. 14–21; weiterhin Karlheinz Blaschke, Religion und Politik in Kursachsen 1586–1591, in: Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland — Das Problem der „Zweiten Reformation“, hrsg. von Heinz Schilling, Gütersloh 1986, S. 79–97. Zur gesamten Epoche vgl.: Ernst Koch, Ausbau, Gefährdung und Festigung der lutherischen Landeskirche von 1553 bis 1601, in: Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen. Festgabe zum 450jährigen Bestehen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, hrsg. von Helmar Junghans, Berlin 1989, S. 195–223.

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  4. Stadtarchiv Leipzig, Richterstube Strafakten Nr. 55 (Brosius Reidank und cons. wegen Tumult, 1594).

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  5. Die Bürger hatten aus Unzufriedenheit mit dem Stadtregiment die Einrichtung eines ständigen Bürgerausschusses gefordert. Diese Forderung war jedoch von einer landesherrlichen Kommission abgewiesen worden. „Daß aber doch eine gewisse Erbitterung damals in der Bürgerschaft geherrscht hat und mancherlei Zündstoff aufgehäuft war, beweist der Straßenaufstand, zu dem es wenige Wochen später kam und besonders die Haltung, die die Bürgerschaft dabei dem Rate gegenüber einnahm.“ Ebd., S. 62. Zum Zusammenhang vgl.: ebd., S. 59–62.

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  6. Karl Czok, Der „Calvinistensturm“ 1592/93 in Leipzig — seine Hintergründe und bildliche Darstellung, in: Jahrbuch zur Geschichte der Stadt Leipzig 1977, S. 122–144, und neuerlich in der Aussage nicht verändert, ders., Der sogenannte Calvinistensturm in Leipzig 1593, in: Um die Vormacht im Reich Christian I., Sächsischer Kurfürst 1586–91, in: Dresdner Hefte 29 (1992), S. 30–55.

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  7. Eine von Czoks Thesen lautet, daß „die [sich] bekämpfenden Bürgerfraktionen und Bevölkerungsschichten ideologische Begründungen und Vorstellungen für ihre jeweilige politische Haltung entwickelten, die entsprechend dieser Zeit natürlich kirchlich-religiösen Charakter haben mußten.“ Siehe Czok, Der Calvinistensturm (wie Anm. 15), S. 144.

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  8. Stadtarchiv Leipzig, Tit. 22 i, Ware Beschreibung des Stürmens allhier in Leiptzig so Anno 1593 den 19. May, aufden Abend undfolgenden Tages als den 20. May an Adolph Weinhaußens Hause geschehen auch an des Heinrich von Riesels ein Seidensticker hauß den Obgemeldeten 20. May, umb Mittag gleichfalls geschehen ist. Bl. 308–313.

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  9. Döring, Ein bisher unbekannter Bericht (wie Anm. 2), S. 205–225. Zur Handschrift (UB Zürich B 34, S. 61–63) siehe besonders S. 208f. Die Quelle, die als Zeitung bezeichnet wird, ist auf S. 219–225 ediert.

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  10. Vgl. dazu u. a. die Thesen Blaschkes zum Charakter der Regierung Christian I. und den vor allem von Kanzler Christian Krell vorangetriebenen calvinistischen Reformversuchen in Kursachsen, vgl. Blaschke (wie Anm. 6), S. 94f.

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  11. Vgl.: Döring, Ein bisher unbekannter Bericht (wie Anm. 2), S. 208–210.

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  12. In der Quelle wird der 27. Mai als Datum der Abfassung genannt, die Nachricht von der Hinrichtung der vier verurteilten Hauptschuldigen am 1. Juni ist wohl später hinzugesetzt worden. Siehe: ebd., S. 224f.

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  13. Zur Person von Huber, der selbst ursprünglich aus der Schweiz stammte, siehe: ebd., S. 211, Anm. 11 und S. 219, Anm. 24.

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  14. Zu Adolf Weinhaus, der 1585 nach Leipzig gekommen war und 1586 nicht ohne Schwierigkeiten das Bürgerrecht erlangt hatte, vgl.: ebd., S. 220, Anm. 25; weiterhin Wustmann (wie Anm. 2), S. 62.

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  15. Siehe Zeitung — als Anhang bei Döring: Ein bisher unbekannter Bericht (wie Anm. 2), S. 222.

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  16. Zu Ryssel, der aus Maastricht eingewandert war und eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in Leipzig zu dieser Zeit gewesen ist, vgl. Czok: Der Calvinistensturm (wie Anm. 15), S. 124–126.

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  17. Siehe Zeitung — als Anhang bei Döring: Ein bisher unbekannter Bericht (wie Anm. 2), S. 224.

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  18. Döring erwähnt zwar den Abdruck einer 1593 zu Jena erschienenen Flugschrift in: Leipzig. Ein Städte-Lesebuch, hrsg. von Esther Gallwitz, Frankfurt a. M. 1989, S. 395– 402, die mit der unter Anm. 35 (1.) zitierten Flugschrift identisch ist, geht aber nicht näher darauf ein. Vgl.: Döring, Ein bisher unbekannter Bericht (wie Anm. 2), S. 210, Anm. 9.

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  19. Besonders die unter Anm. 35 (2.) zitierte Flugschrift weist eine Reihe von sachlichen und chronologischen Fehlern auf.

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  20. Reidank wird hier folgendermaßen zitiert: Daß der alte Sieber neben andern, in der Hoffgericht stuben gestanden und gelacht da sie den meisten Gewalt und Freuel geübet, sie zu dieser that so sie begangen verleytete sie auch in ihrem vornehmen gesterkt, darumb er auch andere neben ihm zu stürmen angemahnet. Am Tag der Hinrichtung soll Reidank zu einem Kirchendiener gesagt haben: Der Bürgermeister Sieber sampt seinen Mitherren seyen an ihrem Todt ein Ursach. Denn do er in dem er ihrem stürmen zugesehen, ihnen nur mit einem Finger gewincket, darauß sie vermerken können daß es ihm und den Ratt zu entgegen wolten sie ihrfürnemen gar gern eyngestelt haben. Häßleius (wie Anm. 9), S. 55.

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  21. Strafakten Nr. 55. Die 94 Blatt umfassende Akte führt auf dem Einband den zweifellos von der akkuraten Hand Gustav Wustmanns stammenden Titel: „Acten den Aufstand gegen die Calvinisten betreffend“.

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  22. Ebd., Bl. 1–14. Wustmann hat seine Darstellung der Exekution eindeutig diesem Abschnitt entnommen und stützte sich nicht, wie Czok vermutete, auf zeitgenössische Publikationen. Vgl. Wustmann (wie Anm. 2), S. 77–80; Czok, Der Calvinistensturm (wie Anm. 15), S. 142, Anm. 81.

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  23. Zur Aussage von Ryssels Frau vgl. auch Wustmann (wie Anm. 2), S. 70.

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  24. Eine solche Bezeichnung findet sich bei Häßleius, S. 47.

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  25. Über die soziale Zusammensetzung der Tumultuanten werden von Czok und Döring unterschiedliche Thesen vertreten. Für Czok handelte es sich in erster Linie um Angehörige der plebejischen Schichten, siehe Czok: Der Calvinistensturm (wie Anm. 15), S. 141. Döring betont dagegen, gestützt auf Häßleius, daß „die Stürmenden kein Herrenloses Gesindtlein waren, sondern Gesellen, Diener von Kaufleuten, Schneider, Maurer usw. Die vier dann später Hingerichteten gehören genau diesen Einwohner-kreisen an, die keinesfalls außerhalb der Bürgergemeinde angesiedelt waren.“ Döring, Ein bisher unbekannter Bericht (wie Anm. 2), S. 213.

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  26. Das läßt sich der Aussage des Bäckergesellen Hans Müller entnehmen, der sich an den Plünderungen beteiligt hatte, nun aber auf Anweisung seines Meisters die gestohlenen Dinge zurückbringen sollte. Er fand die Tore am Nachmittag verschlossen vor. Vgl. ebd., Bl. 75.

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  27. Es wird berichtet, daß am Vormittag des 20. der Platz vor dem Haus geräumt worden und die Tür zum Haus von Weinhausen vom Rat vernagelt worden sei, nachdem der erste Ansturm abgeebbt war. Vgl. dazu: Häβleius.

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  28. Diese Predigt ist später gedruckt worden, vgl. Müller (wie Anm. 1). In den Beständen der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden befindet sich unter dem Titel Leipzig 1593 ein Sammelband, in dem ein weiteres Exemplar der Warnungspredigt, die beiden oben erwähnten Flugblätter und die Schrift von Häßleius zusammengefaßt sind.

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  29. Vgl.: ebd. Bis jetzt noch keine Erwähnung hat eine zweite Warnpredigt gefunden, die im Juli 1593, nach dem Brand des Vorwerks des Calvinisten Peter Roth, vom Hofprediger Martin Mirus ebenfalls in der Thomaskirche gehalten wurde. Dieser Vorfall kann als eine Art Nachspiel zum Calvinistensturm verstanden werden. Mirus warnte noch einmal eindringlich vor dem Schaden, der durch das Vorgehen gegen die Calvinisten für die Stadt entstehen kann: denn bedenckts selber, welcherfrembde Handelsmann, wileuchsein Gut herein vertrawen, wenn er sich stets fewers gefahr besorgen mus, und da etwas auffgehet, daß kein Bürger begere mit einer Hand zuzugreifen und zu leschen. Vgl.: Martin Mirus, Eine Predigt über den Spruch Christi Luc. am neundten Capitel. … 5. Juli 1593 (wie Anm. 2), (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Predigten Thomaskirche 1593/2).

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Steinführer, H. (1998). Der Leipziger Calvinistensturm von 1593. In: Blaschke, K. (eds) Neues Archiv für sächsische Geschichte. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02963-8_14

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