Zusammenfassung
Ottilies Tod bedeutet weder ihr Ende noch das der Wahlverwandtschaften, sondern den Übergang in extremis auf eine neue Handlungsebene wie auch eine neue Ebene der literarischen Darstellungsmittel. Bei ihrem Begräbnis erscheint Ottilie ihrem kleinen Dienstmädchen wie lebendig »aufWolken oder Wogen getragen« (486), und anscheinend erlangt das Kind nach einem furchtbaren Sturz nur durch die Berührung von Ottilies Sarg Leben und Gesundheit zurück. Unter einem gläsernem Deckel liegend, bewahrt Eduards Geliebte noch im Tod ihre ganze Schönheit, als schliefe sie nur; und so weckt sie im Volk nach und nach fromme Verehrung: die Legenden vom Martyrium ihres Fastens und vom wundersam geheilten Kinde verbreiten sich, eine große Menschenmenge strömt zum Sarg in der Kapelle, denn er gilt als wundertätig…
Nein, du warst kein Raub des Unglücks,
O mein herzgeliebter Sohn!
Dem in seinem trag’schen Tode
Solche Glorie ward zum Lohn.
Calderón/Schlegel1
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Notizen
Vgl. z. B. WJ. Lillyman, Monasticism, »tableau vivant«, and Romanticism: Ottilie in Goethe’s »Die Wahlverwandtschaften«, in: Journal of English and German Philology, LXXXI (1982), S. 347–366; Schings, Willkür, a.a.O., bes. S. 181.
Vgl. Hannelore Schlaffer, Paradies und Parodie: Die letzten Szenen in Goethes letzten Werken, in: J.K. Brown/M. Lee/Th.P. Saine (Hg.), Interpreting Goethe’s »Faust« Today, Columbia 1994, S. 102–111.
Vgl. L. Zagari, Mirabilia sanctae Odiliae. L’accesso ›parodistico‹ di Goethe al mondo romantico del sacro, in: Rivista di Estetica, XXIX (1989), H. 31, S. 46–52.
G. Schulz, Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration, München 1983, 1.Teil, S. 69.
Vgl. E. Behler, Die Bedeutung Calderonsfür den Begriff des Schicksals und der Tragödie in der deutschen Romantik, in: R. Bauer (Hg.), Inevitahilis Vis Fatorum. Der Triumph des Schicksalsdramas auf der europäischen Bühne um 1800, Bern/Frankfurt/M. 1990, S. 18–33.
K. Mommsen, »Herrlich ist der Orient / Übers Mittelmeer gedrungen…«. Zur weltliterarischen Trias Hafis, Calderôn und Goethe auf dem Weimarer Dichterdenkmal, in: Die Pforte. Veröffentlichungen des Freundeskreises Goethe-Nationalmuseum e.V., H. 6 (2002), S. 116–149, hier S. 127.
So K. Wollf, Goethe und Calderon, in: GJb, XXXIV (1913), S. 118–140, hier S. 125, auf den hingewiesen sei, weil er ausführlich über das Verhältnis Goethe-Calderôn berichtet. Er ist allerdings durch die anderen, in diesen Anmerkungen zitierten Beiträge zu ergänzen und zu berichtigen. Zu Goethes Schema über die Epochen deutscher Literatur siehe GA XIV, 402.
Vgl. Chr. Strosetzki, Calderon, Stuttgart-Weimar 2001, S. 162–165.
Vgl. G. Lukâcs, Scritti sul romance, hg. v. M. Cometa, Bologna 1982, 2. Ausg. Palermo 1995 (Der Band enthält Texte aus den Jahren 1911–1915, die meines Wissens auf deutsch immer noch nicht erschienen sind, darunter die unvollendete Abhandlung Die Ästhetik der »Romance«. Versuch einer metaphysischen Grundlegung der Form des untragischen Dramas);
W. Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels (1925), Frankfurt/M. 1993, bes. S. 94. —Wiederum von einem ganz anderen Standpunkt aus siehe etwa Brechts Aufsatz Vergnügungstheater oder Lehrtheater? (1936), in: ders., Schriften zum Theater, Frankfurt/M. 1963–1964, Bd. III, S. 51–65, hier S. 64: »In stilistischer Hinsicht ist das epische Theater nichts besonders Neues […]. Lehrhafte Tendenzen zeigte sowohl das mittelalterliche Mysterienspiel als auch das klassische spanische Theater«.
B. Böschenstein, »Frucht des Gewitters«. Hölderlins Dionysos als Gott der Revolution, Frankfurt/M. 1989;
Vgl. St. Keppler, Die Heiligung der »sündigen Liebe«: Goethes »Wahlverwandtschaften« und der Tristanstoff, in: Archiv, CLII (2000), H. 237, S. 64–91.
Vgl. P. de Man, Allegorien des Lesens, Frankfurt/M. 1988, S. 44 (engl. O.: Allegories of Reading, New Haven/London 1979).
Rights and permissions
Copyright information
© 2003 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Sampaolo, G. (2003). Klassisch-romantische Mysterien. In: »Proserpinens Park«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02927-0_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02927-0_5
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01948-6
Online ISBN: 978-3-476-02927-0
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)