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Theorie: Geschlecht und Männlichkeit im soziologischen Diskurs

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Geschlecht und Männlichkeit

Zusammenfassung

Die Geschlechtssensibilisierung der Soziologie ist recht jungen Datums und in der angloamerikanischen Diskussion weiter fortgeschritten als hierzulande. Dies zeigt sich, wenn man soziologische Einführungsliteratur, Handbücher und Lexika durchsieht12, wird aber auch anhand der Rezeption deutlich, welche die soziologischen Klassiker erfahren. Daß die Autoren des von Dirk Käsler 1976 bzw. 1978 herausgegebenen Standardwerks über die „Klassiker des soziologischen Denkens“ der Geschlechterthematik keine Beachtung zukommen ließen, verwundert nicht weiter, stand doch vor 20 Jahren die Herausforderung des soziologischen mainstream durch die Frauenforschung erst bevor. Circa ein Jahrzehnt später entsteht zunächst in den Vereinigten Staaten eine Klassikerrezeption, die das Augenmerk auf die expliziten Konzeptualisierungen des Geschlechterverhältnisses wie auf implizite Annahmen über die soziale Position von Frauen und Männern richtet (für übergreifende Abhandlungen vgl. Sydie 1987; Kandal 1988).

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Literatur

  1. In amerikanischen und englischen Einführungen und Handbüchern ist ein Kapitel zum Geschlechterverhältnis inzwischen obligatorisch (vgl. z.B. Doob 1985; Turner 1985; Smelser 1988; Giddens 1989). Der soziologische mainstream in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien hat erkannt, daß dies ein Gegenstand ist, der den Kern des Faches betrifft. Bei der Lektüre deutschsprachiger soziologischer Einführungsliteratur erfährt man dies hingegen in der Regel nicht. Selbst aktuelle Auflagen bekannter und bewährter Werke vernachlässigen das Thema (vgl. Amann 1991; Bellebaum 1991, Reimann 1991, Wiswede 1991 ). Hinweise auf Geschlecht und Geschlechterverhältnisse haben einen eher beiläufigen Charakter. Im Index sucht man meist vergeblich nach einem entsprechenden Eintrag. Sensibler’ für die Bedeutung des Themas sind neuere Wörterbücher (vgl. Endruweit/ Trommsdorff 1989; Reinhold 1991; Fuchs-Heinritz u.a. 1994 ).

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  2. Anders als Meurer sieht Bologh ( 1990, S. 55) im Werk Max Webers eine soziologische Theorie des Geschlechts enthalten. Diese Theorie entwickelt Bologh aber eher selbst auf der Basis Weberscher Kategorien, als daß sie sie aus dem Werk Webers rekonstruierte. So bildet sie beispielsweise die Gegenüberstellung von Politik und religiöser Ethik auf der Achse männlich - weiblich ab. Webers Analyse der Zweckrationalität und kulturelle Stereotype über Männlichkeit werden parallelisiert. „Instrumental, calculating rationality brings with it qualities considered masculine: smart and decisive self-determination of free, confident, aggressive action“ (S. 127; Hervorhebung: MM). Solche Zuordnungen nimmt Weber selbst nicht vor. Indem Bologh dies tut, dekonstruiert sie den Klassiker Weber dadurch, daß sie die „masculine, masculinist and patriarchal” (S. 1 ) Färbung seiner Theorie offenlegt. Eine Webersche Geschlechtersoziologie ist damit aber nicht rekonstruiert.

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  3. Wie Thomas Laqueur (1992) in seiner mit der Antike beginnenden Geschichte der körperlichen Inszenierung der Geschlechter gezeigt hat, entdecken auch Biologie und Medizin in genau der gleichen Epoche, in der den Geschlechtern unterschiedliche Charaktere zugewiesen werden, daß sich die primären Geschlechtsmerkmale von Männern und Frauen wesentlich voneinander unterscheiden. Zuvor war ein Verständnis der geschlechtlichen Körper vorherrschend, das z.B. in der Vagina einen nach innen gestülpten Penis erkannte. Auch im Rahmen dieses „Ein-Geschlecht-Modells“, wie Laqueur es nennt, kommt der Frau eine untergeordnete Position zu, gilt sie als die ‘mindere Ausgabe’ des Mannes, doch von einer wesensmäßigen Differenz ist nicht die Rede.

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  4. In diesem Zusammenhang sind auch die im gleichen historischen Kontext einsetzenden Bemühungen um eine Normativierung von ‘Mutterliebe’ zu sehen (vgl. Badinter 1981; Schütze 1986).

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  5. Die zweite Lesart wird von Bickel (1991, S. 158ff.) und von Weiß ( 1991, S. 177) vertreten.

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  6. Meurer ( 1991, S. 379) weist darauf hin, daß Tönnies für den Bereich der Familie - und in diesem wird für ihn das Geschlechterverhältnis manifest - eine vorsoziologische Begrifflichkeit für angemessen hält, handele es sich bei der Familie doch um eine vorrationale Lebensform.

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  7. Eine andere Frage ist, inwieweit hier reale Ausprägungen männlicher Dominanz idealisiert werden. Meurer (1991b) und Greven (1991) halten Tönnies eine Verklärung patriarchaler Herrschaftsbeziehungen vor.

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  8. Rehberg ( 1993, S. 34f.) spricht in diesem Zusammenhang von einem nicht intendierten Substantialismus bei Tönnies.

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  9. Auch die Interpretationen, die eine Entsubstantivierung vornehmen, kommen nicht ohne eine Bezugnahme auf empirische Frauen und Männer aus; so z.B. Bickel ( 1991, S. 162): „Die Zugehörigkeit des weiblichen Prinzips zum Wesenwillen hat zur Folge, daß der gesamte Bereich des ‘geistig-sittlichen’ Lebens unter dem bestimmenden Einfluß der Frau steht“.

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  10. In Simmels geschlechtersoziologischen Arbeiten finden sich zahlreiche Stellen, die geradezu feministisch anmuten. So bemerkt er, daß fir eine Kommunikation des psychischen Erlebens der Frauen keine adäquaten symbolischen Mittel zur Verfügung stehen, da die Ausdrucksweisen, „die unsere Kultur der seelischen Innerlichkeit zur Verfügung stellt, im wesentlichen von Männern geschaffen sind und darum unvermeidlich vor allem der männlichen Wesensart und ihren Bedürfnissen dienen“ (1985, S. 195). Das ist eine Perspektive ähnlich derjenigen, die den aktuellen Diskussionen um Frauensprache, weibliche Moral, auch um feministische Wissenschaft und Methodologie zugrunde liegt.

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  11. In dem 1902 erschienenen Aufsatz „Weibliche Kultur“ (1985, S. 159ff.), in dem zusammen mit seiner 1890 publizierten „Psychologie der Frauen” (1985, S. 27ff.) und der hier vorrangig berücksichtigten Arbeit „Das Relative und das Absolute im Geschlechter-Problem“ Simmels Geschlechtertheorie entfaltet ist. 1m Gegensatz zu dem letztgenannten Aufsatz enthalten die beiden anderen mehr (explizite) Ausführungen über die Frau als über den Mann.

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  12. Simmel geht in dem Aufsatz über „Weibliche Kultur“ der Frage nach, worauf denn eine solche als eigenständige basieren und worin sie sich manifestieren könne. Seine Cherlegungen führen ihn zu einer Wesensbestimmung des Weiblichen, die dessen weitgehend noch ungebrochene Nähe zur Natur betont - das „in dem undifferenzierten Naturgrund wurzelnde Wesen” (S. 203) heißt es später (ich komme darauf zurück) - und die in der Hauswirtschaft „die große Kulturleistung der Frau“ (S. 170) erblickt. Die feministische Simmel-Rezeption sieht in diesen Bestimmungen einer weiblichen Kultur die Bruchstelle, an der Simmels soziologisch-kritische Analyse in Geschlechtermetaphysik und in eine Affirmation der bestehenden Geschlechterverhältnisse umschlägt (vgl. Bovenschen 1979, S. 39ff.; Klinger 1988; Wolfer-Melior 1985).

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  13. Klinger ( 1988, S. 150) weist darauf hin, daß diese „einigermaßen paradoxe Position, die Simmel einnimmt, indem er die Gleichsetzung von männlich und objektiv entlarvt und doch gleichzeitig auf ihrer Gültigkeit beharrt“, eine für die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert durchaus typische Erscheinung ist. Freilich dominierte damals - wie auch früher und später - eine fraglos vorgenommene Gleichsetzung den Geschlechterdiskurs, aus dem Simmel insofern herausragt, als er die begrifflichen Mittel für eine kritische Perspektive zumindest entwickelt, wenn er sie auch nicht konsequent einsetzt.

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  14. Beck ( 1986, S. 179) hat die These von einer „im Grundriß der Industriegesellschaft halbierten Moderne“ formuliert, welche deren als unteilbar konzipierten Prinzipien ( Freiheit, Gleichheit) dem einen Geschlecht zuerkennt, dem anderen vorenthält. An Simmels Geschlechtertheorie läßt sich gut beobachten, wie diese Halbierung auch in der wissenschaftlichen Selbstbeschreibung der Moderne ihren Niederschlag findet. Die moderne Gesellschaft bleibt in ihrer Selbstreflexion ihrer Praxis verhaftet.

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  15. In der „Psychologie der Frauen“ findet sich eine Passage, in der eine soziologische Analyse der Einheitlichkeit des weiblichen Geschlechts angelegt ist. Hier, in dieser geschlechtersoziologischen Frühschrift, rekurriert Simmel auf die Art der Tätigkeit, welche die Frauen bei der häuslichen Arbeit verrichten. „Vorläufig pflegt sich die Tätigkeit der Frauen noch so auf das Haus zu konzentrieren, daß man, vereinzelte Extreme ausgenommen, wohl sagen kann, die Tätigkeit der höchsten und der niedrigsten Frau unterscheide sich lange nicht so sehr, wie sich die des höchsten und des niedrigsten Mannes unterscheidet” (Simmel 1985, S. 46). Die hier angedeutete Perspektive, die differenten Geschlechtscharaktere aus unterschiedlichen Praxisformen zu erklären, bleibt allerdings unausgearbeitet und wird in späteren Arbeiten nicht mehr aufgenommen. Ulmi (1989, S. 58) bemerkt, daß Simmel zunächst der Meinung gewesen sei, die Frau nicht als Gattungswesen erfassen zu können, daß er später hingegen das Gattungsmäßige als das die Frau bestimmende verstanden habe.

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  16. Die methodische Fragwürdigkeit solcher Vergleiche, die auf einem „kruden wissenschaftlichen Materialismus“ (Roth 1992, S. 175) beruhen, sei vermerkt, braucht hier aber nicht weiter diskutiert zu werden.

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  17. Durkheim weist selbst darauf hin, daß „im übrigen“ „die allgemeine Sittenauffassung” dem Mann bestimmte Privilegien einräumt, „mit deren Hilfe er in gewissem Maße die Strenge der Vorschriften abmildern kann“ (1990, S. 314). Dieser knappe Verweis auf dem Mann offenstehende Möglichkeiten außerehelichen Geschlechtsverkehrs, der sich scheut, die Dinge beim Namen zu nennen, und der keinen Hinweis auf eine Doppelmoral beinhaltet, ist für Durkheim kein Anlaß, seine These zu relativieren.

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  18. Für eine kritische Diskussion des von Durkheim angewandten methodischen Verfahrens vgl. Selvin 1976.

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  19. In seiner Rezension von Marianne Webers Buch „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“ wendet er sich gegen Tendenzen, die „organische Einheit” von Familie und Ehe zu zerstören, wie sie etwa in politischen Vorstößen zu einer völligen rechtlichen Gleichstellung der Ehegatten und zu einer Liberalisierung der Scheidungsgesetzgebung gegeben seien. Durch solche Tendenzen gerät die weibliche Würde in Gefahr, denn: „The respect shown her, a respect that has increased over historical time, has its origin mainly in the religious respect which the hearth inspires“ (Durkheim 1978, S. 144).

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  20. Durkheim betont die Bedeutung der Einbindung des Mannes in eine Berufsgruppe. „Only this group, in my view, is able to perform the economic and moral functions which the familiy has become increasingly incapable of performing.… In the hearts of men, professional duty must take over the place formerly occupied by domestic duty“ (Durkheim 1965, S. 535f.).

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  21. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie Durkheim in seinen Vorlesungen über Erziehung und Moral den unterschiedlichen Stellenwert von Kunst und Wissenschaft bestimmt, wird diehierarchische Ordnung noch deutlicher. Den Moralcharakter zu bilden ist Aufgabe des Unterrichts der Wissenschaften, denn: „Die Moral ist das ernste Leben, sie hat das Wirkliche zum Ziel“. Die Kunst hingegen „bildet keinen positiven Faktor der Moralität. Sie ist ein Mittel, das bereits gebildete Moraltemperament gegen gewisse ungesunde Einflüsse zu behüten” (Durkheim 1984, S. 307 ).

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  22. Diese Annahme steht im Widerspruch zu der These Durkheims, daß die Berufsgruppen fir die männliche Orientierung immer wichtiger werden (vgl. Fußnote 37).

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  23. Diese Skalen stellen die in der Sozialpsychologie vorherrschende Methode dar, um die Geschlechtsrollenidentifikation von Versuchspersonen zu messen. In die Testkonstruktion, d.h. in die Formulierung und in die Auswahl der items, gehen massive stereotypisierende Annahmen über Geschlechtscharaktere ein. Ein Vergleich der Test-items und der Eigenschaften, die der Geschlechterdiskurs des 19. Jahrhunderts als weibliche und als männliche definiert hat, ergibt verblüffende Übereinstimmungen (vgl. die Übersichten bei BierhoffAlfermann 1989, S. 30ff. und Hausen 1976, S. 368 ). Folgte die Testkonstruktion zunächst dem Prinzip der Bipolarität - ein item ist entweder Indikator fir Femininität oder für Maskulinität, nicht aber fir beides; niedrige Werte auf der Maskulinitätsskala indizieren ein hohes Maß an Femininität und vice versa -, so wird das heute zunehmend als ein. Problem gesehen. Wer hohe Ladungen auf der Femininitätsskala aufweist, muß deswegen nicht notwendig niedrige Maskulinitätswerte haben. Gleichsam dem kulturellen Diskurs folgend, der z.B. von weiblichen Anteilen beim Mann spricht, werden zweidimensionale Konzepte und Androgynitätsskalen entwickelt. Eine Versuchsperson kann hohe Werte auf beiden Skalen haben, auf der Femininitäts-und auf der Maskulinitätsskala, und gilt dann als androgyn. Maskulin ist, wer hoch auf der M- und niedrig auf der F-Skala lädt; fir feminine Individuen gilt das umgekehrte. Wer auf beiden Skalen niedrige Werte erzielt, gehört zur Restkategorie der Undifferenzierten. Andere Reformulierungen der ursprünglichen Skalen verstehen diese nicht mehr als Operationalisierung von Maskulinität und Femininität, sondern von instrumentellen und expressiven Persönlichkeitsmerkmalen.

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  24. Eine anders strukturierte Sexualität bezeichnet Parsons ( 1964a, S. 225) als „regressiv“.

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  25. Die funktionalistische Perspektive bedeutet nicht, daß Parsons nicht auch die Möglichkeit von Spannungen und Inkonsistenzen sieht. Diese sieht er vor allem in der Jugendkultur gegeben, für die er eine Art künstlicher Isolierung der romantischen Liebe von Heirat und folgender Elternschaft diagnostiziert (vgl Parsons 1964a, S. 391). Da die Jugendphase aber eine vorübergehende ist und gewöhnlich in eine normale Erwachsenenorientierung einmündet - in eine Berufsorientierung beim Mann, eine Familienorientierung bei der Frau (vgl. Parsons 1964b, S. 71) -, stellen solche Abweichungen kein gravierendes Problem für die Systemintegration dar.

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  26. Neuere Parsons-Interpretationen betonen, daß Parsons - anders als popularisierte Versionen der Geschlechtsrollentheorie - die Geschlechtsrollen nicht als eine kulturelle Ausarbeitung des biologischen Dimorphismus begreift (vgl. Connell 1995, S. 22), daß er Geschlecht ebenso wie Alter und Verwandtschaft als sozial konstruiert konzipiert, da deren Bedeutung interkulturell variiert (vgl. Johnson 1993, S. 117). Das heißt jedoch nicht, daß die Geschlechtsrollen von den anatomischen Unterschieden entkoppelt wären (s. auch Fn. 45 ).

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  27. Parsons kritisiert an dieser Stelle Margaret Meads These, derzufolge es Gesellschaften gibt, in denen die Zuweisung von instrumentellen und expressiven Funktionen an die Geschlechter genau umgekehrt zu der von Parsons behaupteten allgemeinen Regel geschieht. Parsons erscheint dies „zweifelhaft in Anbetracht der weiblichen Funktionen bei der Fürsorge für das Kind“ (1968, S. 58, Fn. 2). Wenn auch die anatomischen Unterschiede keine Inhalte von Geschlechtsrollen vorgeben, so stellt sich Parsons die Zuweisung der elementaren Funktionen an die Geschlechter dennoch nicht als losgelöst von körperlichen Voraussetzungen dar. An anderer Stelle bemerkt er zum Symbolismus des Geschlechtsverkehrs, der Mann in seiner instrumentellen Rolle sei der Initiator, „with his penis as instrument, the main active ‘giver of pleasure’ to both partners;… The woman, on the other hand is not only typically more passive and receptive, but by admitting the penis and ‘embracing’ it in her vagina, she may be said to be symbolizing her acceptance of the relationship and of her partner in it” (Parsons/Bales 1955, S. 151, Fn. 11). Anatomische Unterschiede prädestinieren zumindest fir die Zuweisung differenter sozialer Funktionen.

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  28. Und auch innerhalb der Berufssphäre wiederholt sich dieses Muster. Typische Frauenberufe wie Lehrerin, Sozialarbeiterin, Krankenschwester, Sekretärin haben starke expressive Komponenten und stehen zu männlichen Rollen oft in einer unterstützenden Funktion (vgl. Parsons/Bales 1955, S. 15, Fn. 13 ).

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  29. Parsons sieht die Macht dieses Symbols in Zusammenhang damit, „daß die Bindung der Kultur an das Verwandtschaftssystem als solches überwunden wurde“ (1968, S. 68).

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  30. In dem Aufsatz über das „Vatersymbol“ (Parsons 1968, S. 46–72), in dem Parsons über dessen Bedeutung fir die Geschlechtsrollensozialisation schreibt, findet eine interessante, aber vom Autor nicht kenntlich gemachte Perspektivenverschiebung statt. Der Aufsatz befaßt sich auf den letzten Seiten nur noch mit der Vater-Sohn-Beziehung bzw. mit der Bedeutung des Vatersymbols für die Aneignung der männlichen Geschlechtsrolle. Man könnte argumentieren, daß dies die unterschiedliche Bedeutung des Vaters fir weibliche und männliche Geschlechtsrollensozialisation reflektiert. Dies allerdings tut Parsons nicht, er begründet seine Perspektivenbegrenzung nicht. Man mag das als einen impliziten ‘male bias’ der Parsonsschen Theorie bezeichnen. Allerdings hebt Parsons sich von einer in den Sozialwissenschaften verbreiteten und unter dem Stichwort von der ‘Männlichkeit der Wissenschaft’ kritisierten Praxis in gewisser Weise ab. Auf männliche Erfahrungswelten bezogene Aussagen werden nicht umstandslos zu allgemeinen, geschlechtsneutralen Thesen generalisiert, die Geschlechtsbezogenheit bleibt deutlich sichtbar.

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  31. Erste weitere Rollendifferenzierungen finden nach Parsons im Anschluß an die familiale Primärsozialisation statt. Voraussetzung ist freilich eine klare Geschlechtsrollenidentität. „Das nach-ödipale Kind tritt eindeutig als Junge oder Mädchen kategorisiert in das System der formalen Erziehung ein, aber weiter ist seine Rolle noch nicht differenziert“ (Parsons 1968, S. 166). Bei Schuleintritt ist das Geschlecht die einzige Basis einer formellen Statusdifferenzierung. Eine strukturelle Differenzierung erfolgt dann zunehmend nach dem Kriterium der Leistung.

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  32. An anderer Stelle bemerkt Parsons, der Inhalt von Maskulinität und Femininität habe sich in der amerikanischen Familie geändert, das Prinzip der Differenzierung sei jedoch keineswegs ungültig geworden (vgl. Parsons/Bales 1955, S. 24).

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  33. Den Parsonsschen „pattern-variables“ liegt eine ähnliche Logik zugrunde wie den Tönniesschen Dichotomien von Gemeinschaft und Gesellschaft (vgl. Jensen 1980, S. 59).

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  34. Eine feministische Fortführung dieses Denkens stellt Chodorows (1985) bekannte Schrift „Das Erbe der Mütter“ dar. An Freud, aber auch an Parsons anknüpfend, beschreibt sie den Prozeß der Ablösung des Jungen aus der primären Mutterbindung als einen krisenhaft verlaufenden Prozeß, der dem Jungen Anstrengungen abverlangt, die das Mädchen, das das Identifikationsobjekt nicht wechseln muß, nicht auf sich nehmen muß. Überhaupt haben Parsonssche Konzepte einen größeren Widerhall in der feministischen Theoriebildung gefunden, als man anzunehmen geneigt ist. Gilligans ( 1984 ) Unterscheidung einer weiblichen Fürsorge-und einer männlichen Gerechtigkeitsmoral weist den Geschlechtern Eigenschaften zu, die sich auf der Achse expressiv/instrumentell abbilden lassen. Freilich nimmt der feministische Diskurs eine Umwertung vor. Die Gleichwertigkeit, wenn nicht Höherwertigkeit expressiver Werte wird betont.

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  35. Luhmann ( 1988, S. 49) bemerkt, „daß anschlußfähige Unterscheidungen eine (wie auch immer minimale, wie immer reversible) Asymmetrisierung erfordern“. Eine Unterscheidung der Geschlechter nach expressiven und instrumentellen Rollen ist nicht neutral hinsichtlich der Dimensionen von Macht, Herrschaft und Ungleichheit, zumindest solange nicht, wie Geschlecht selbst ein potentiell omnirelevantes Strukturmerkmal sozialer Interaktion und Organisation ist.

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  36. In seinem 1942 erschienenen Aufsatz über „Alter und Geschlecht in der Sozialstruktur der Vereinigten Staaten“ befaßt sich Parsons (1964b) eingehend mit der Modernisierung der weiblichen Rolle und geht auch auf Probleme der Männerrolle ein. - Eine andere Frage ist, inweiweit das Konzept der Geschlechtsrolle selbst das begriffliche Instrumentarium bereithält, um Prozesse sozialen Wandels erklären zu können (s.u.).

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  37. Die feministische Kritik - genausowenig wie man von Klassen-oder Rassenrollen spreche, mache es Sinn, von Geschlechtsrollen zu sprechen; die Rollenbegrifflichkeit vernachlässige notwendig das Element der Unterdrückung im Geschlechterverhältnis - hat paradoxerweise zumindest nicht zu einem quantitativen Bedeutungsverlust der Geschlechtsrollenforschung geführt. Auch wenn das Konzept in der feministischen Theoriebildung eher das Dasein eines ‘armen Verwandten’ fristet, „sex role research boomed as never before with the growth of academic feminism“ (Connell 1995, S. 23).

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  38. In einer Literaturbesprechung zum Thema Männerrolle und Männerleben finden wissenschaftliche, populärwissenschaftliche und sonstige Bücher gleichermaßen Berücksichtigung (vgl. Harrison 1978a). Zur Absicherung der eigenen Thesen wird häufig auf Bücher der ‘Bewegungsliteratur’ verwiesen.

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  39. Eine rollentheoretische Beschreibung dieser Krise gibt Pleck (1981) in seinem für den sozi- alwissenschaftlichen Männlichkeitsdiskurs wichtigen Buch „The Myth of Masculinity“.

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  40. Diesem Verständnis von Unterdrückung liegt die Konzeption eines außergesellschaftlichen Ichs zugrunde, das gegenüber der „ärgerlichen Tatsache der Gesellschaft“ (Dahrendorf 1974. S. 20) von vornherein auf verlorenem Posten steht.

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  41. Die von Kessler und McKenna beobachteten Versuchspersonen reproduzieren ein Wahrnehmungsmuster, das eine lange und ‘ehrwürdige’ Tradition hat. So schreibt etwa Simmel (1985, S. 28) über den körperlichen Unterschied von Mann und Frau: „Die Oberfläche des männlichen Körpers ist mehr differenziert als die des weiblichen. Das Knochengerüst tritt energischer hervor, macht sich durch Hebungen und Senkungen bemerkbar, während bei dem Weibe die gleichmäßigeren Fettpolster den Körper als eine mehr ebene, nur in groben Zügen gehobene und gesenkte Fläche erscheinen lassen“.

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  42. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der ethnomethodologischen These, daß „doing gender“ eine Aufgabe ist, die sich immer und überall, in jeder sozialen Situation, stellt, vgl. Hirschauer 1994.

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  43. Freilich sollte man von der Transsexualitätsforschung nicht mehr erwarten, als sie leisten kann. Ihre Theorierelevanz besteht darin, gut zeigen zu können, daß Geschlecht in sozialer Interaktion hergestellt wird. Weniger gut eignet sie sich dazu, ein ‘Inventar’ der Praktiken und Symboliken von ‘normaler’ Weiblichkeit und Männlichkeit zu erstellen. Weil die untersuchten Transsexuellen im angestrebten Geschlecht noch nicht heimisch sind, machen sie oft Fehler, nicht zuletzt solche des übersteigerten Enaktierens stereotypisierter Ausdrucksformen, so daß die Darstellung des Geschlechts als solche erkennbar ist (vgl. Hirschauer 1989 ).

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  44. Die geschlechtersoziologischen Arbeiten sind 1976 und 1977 erschienen, der Aufsatz zur Interaktionsordnung ist die von Goffman nicht gehaltene Präsidentenansprache vor der American Sociological Association von 1982, die gewissermaßen Goffmans theoretisches Vermächtnis enthält.

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  45. In Heiratsanzeigen ist die Wirksamkeit dieser Norm augenfällig dokumentiert. Neben der Angabe des Alters gehört die der Körpergröße zu den Kerninformationen, die ein Inserent oder eine Inserentin über sich mitteilt. Das ist eine gewisse Garantie, daß nur größenmäßig ‘passende’ Personen auf die Anzeige antworten. Die Anzeigen, in denen zusätzlich Erwartungen über die gewünschte Größe des potentiellen Ehepartners geäußert werden, belegen eindeutig die Bedeutung der Körpergröße für die Konventionen der Paarbildung (vgl. Gern 1992, S. 143ff.).

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  46. Kotthoff ( 1994, S. 166) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Goffman den Körper im Unterschied zu dekonstruktivistischen Geschlechtertheorien nicht als bloßen diskursiven Effekt begreift. - Zur Bedeutung der Inkorporierung siehe auch Kap. 4.

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  47. Empirisch instruktiv ist hierfür Hochschilds (1990) Studie über die Gefühlsarbeit, die FlugbegleiterInnen und Angestellte von Inkassofirmen zu leisten haben. Für Männer und Frauen sind jeweils andere Gefihlsdarstellungen obligatorisch, in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht, und diese Unterschiede in der Gefühlsarbeit spiegeln und reproduzieren die geschlechtliche Dominanzordnung. Die größere Kompetenz der Frauen in emotionalen Angelegenheiten erfährt eine kommerzielle Nutzung, die den Frauen allerdings nicht einen Statusgewinn beschert (vgl. insb. S. 132ff.).

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  48. Darüber hinaus hat die Frauenforschung auf einer die einzelnen Disziplinen übergreifenden Ebene eine Diskussion methodologischer und erkenntnistheoretischer Fragen in Gang gesetzt (vgl. z.B. Harding 1990; List/Studer 1989).

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  49. Eine Analyse des Männerbilds in einigen populären feministischen Schriften, wissenschaftlichen und anderen, hat Rave (1991) vorgelegt. Sie konstatiert eine Gleichsetzung der „gesellschaftlichen Kategorie patriarchaler Macht“ mit der biologisch gegebenen Geschlechtlichkeit (S. 20).

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  50. Gute Überblicke bieten der von England (1993) herausgegebene Sammelband sowie die Monographien von Tong (1989) und Evans (1995).

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  51. Zu einer anderen Einschätzung kommen Gildemeister und Wetterer ( 1992, S. 202ff.). Sie machen darauf aufmerksam, daß die deutsche Frauenforschung die von den amerikanischen women’s studies eingeschlagene Richtung der gender-Forschung nicht mitvollzieht. Einen hohen Stellenwert hat das Patriarchatskonzept nach wie vor in der britischen Frauenforschung (vgl. Cockburn 1991 a; Walby 1990 ).

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  52. Die amerikanische Literatur unterscheidet folgende Richtungen des Feminismus: einen liberalen, einen marxistischen, einen sozialistischen (auch „dual-systems theory“), einen radikalen, einen psychoanalytischen, einen existenzialistischen und einen postmodernen Feminismus (vgl. Tong 1989).

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  53. Anders als der radikale Feminismus geht dieser Ansatz nicht davon aus, daß das Patriarchat universell das primäre Unterdrückungsverhältnis ist, und anders als der marxistische Feminismus nimmt der Zwei-Systeme-Ansatz an, daß die Strukturen des Geschlechterverhältnisses fundamental andere sind als die des Klassenverhältnisses und daß Patriarchat und Kapitalismus zwei interdependente Systeme sind, die sich tendenziell in einer Konfliktlage befinden (vgl. Hartmann 1979; Walby 1986) Die Logik des Kapitals wird als geschlechtsblind begriffen und kann deswegen nicht die Unterdrückung von Frauen erklären (vgl. Shelton/Agger 1993, S. 29f; Tong 1989, S. 173f0.

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  54. Kennzeichnend für diese Variante des Patriarchatskonzepts ist eine modifizierende Verwendung marxistischer Begrifflichkeit. Das Verhältnis von Mann und Frau wird analog dem von Kapitalist und Lohnarbeiter konzipiert; der marxistische Begriff der Produktion wird erweitert: „The concept of production ought to encompass both the production of ‘things’, or material needs, and the ’production’ of people or, more accurately, the production of people who have particular attributes, such as gender“ (Hartmann 198la, S. 371).

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  55. Für eine Diskussion verschiedener Patriarchatskonzepte vgl. Walby 1986, S. 5ff.

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  56. However, ‘patriarchy’ has come to be a popular shorthand term for systemic male dominance and for that reason I use it here“ (Cockburn 199la, S. 7f.).

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  57. So auch Metz-Göckel ( 1987, S. 28): „Analytisch ist Patriarchat ein Systembegriff insofern, als es jenseits des Wollens einzelner Männer existiert. Einzelne können als Individuen persönlich von den Zumutungen und Zuschreibungen patriarchalen Denkens und Handelns abweichen, ohne daß sich am Geschlechterverhältnis insgesamt etwas ändert“.

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  58. Lorber ( 1994, S. 30f.) unterscheidet a) die Ebene sozialer Institutionen, b) die des Individuums und führt folgende Dimensionen auf: a) „Gender statuses“, „Gendered division of labor”, „gender kinship“, „gendered sexual scripts”, „gendered personalities“, „gendered social control”, „gender ideology“, „gender imagery”; b) „sex category“, „gender identitiy”, „gendered marital and procreative status“, „gendered sexual orientation”, „gendered personality“, „gendered processes”, „gender beliefs“, „gender display”.

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  59. Das gilt nicht nur fir die Soziologie, auch in anderen Sozial-und Geisteswissenschaften wird eine Ausdehnung des Gegenstandsbereiches der Frauenforschung gefordert. Für die deutsche Geschichtswissenschaft diagnostiziert Ute Frevert (1991 b, S. 268) einen ausgesprochenen „Forschungsnotstand“. „In der Frauengeschichte nimmt man ‘den Mann’ und ‘das Männliche’ hauptsächlich als das generalisierte Andere wahr, ohne ein Gespür für seine enorme Variationsbreite zu entwickeln”. Hanna Schissler (1992, S. 220) zufolge kann „das feministische Projekt, die Überbetonung und normative Überhöhung des Männlichen aufzubrechen“, nur gelingen, wenn „Männer als Männe erforscht werden.

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  60. Manche Positionsbestimmungen erinnern an die (Anfänge der) Frauenforschung. So postulieren die Herausgeber eines deutschsprachigen Sammelbandes zur Männerforschung: „Kritische Männerforschung ist nach unserer Auffassung allerdings nicht nur ein neuer Wissenschaftsbereich. Sie ist historisch, personell und politisch sehr stark mit der antisexistischen Männerbewegung verknüpft und versteht sich als politisch-emanzipative Theorie “ (BauSteineMänner 1996, S. 7 ).

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  61. Hearn und Morgan (1990) beobachten skeptisch die Tendenz zu einer Institutionalisierung von gender studies, fügen dann aber hinzu: „We say this with some caution, aware that some feminists support the term ‘gender studies’ as an umbrella term“ (S. 204 ). Der Frauenforschung gebührt die ‘Meinungsführerschaft’. Sollte diese sich entschließen, sich in gender studies umzubenennen, hätte die Männerforschung dem zu folgen. Keinesfalls aber dürfte diese eine Vorreiterrolle spielen.

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  62. In einer neueren Arbeit unterscheidet Hearn (1992, S. 53) explizit zwischen einem privaten und einem öffentlichen Patriarchat.

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  63. Hearn rekurriert auf die Thesen von Adrienne Rich (1980).

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  64. Hearn ( 1992, S. 67) erwähnt in diesem Zusammenhang den Begriff „fratiarchy“, entfaltet ihn aber nicht, sondern bestimmt die ‘Bruderschaft’ als Element des öffentlichen Patriarchats.

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  65. In dieses Buch ist der 1992 erschienene Aufsatz als ein Kapitel aufgenommen, in dem aber genau die Passagen fehlen, in denen er das Patriarchatskonzept kritisiert.

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  66. In seinem neuesten Buch (1995) ist der Begriff der Arbeit durch den der Produktion ersetzt.

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  67. In früheren Epochen (z.B. Athen) und in anderen Kulturen gelten hingegen institutionalisierte und zeitlich limitierte sexuelle Kontakte zwischen (älteren und jüngeren) Männern als notwendiger Schritt der Mannwerdung (vgl. Gilmore 1991, S. 161ff.; Winterling 1990; Bohle 1990).

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  68. Instruktive ethnographische Beschreibungen verschiedener Männerbünde und ihrer Prakti- ken und Riten finden sich in dem zweibändigen Sammelband von Völger/Welck 1990.

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  69. In einer ausführlichen Diskussion des Connellschen Ansatzes stellt Armbruster (1993, S. 83) die Frage, „ob nicht an verschiedenen Orten oder in verschiedenen Diskursen jeweils andere Versionen von Männlichkeit hegemonial sind“.

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  70. Hirschauer ( 1994, S. 669) sieht zwei Gründe fir die „soziologische Indifferenz gegenüber dem sozialen Phänomen der Geschlechterunterscheidung“: die implizite Naturalisierung des Phänomens und eine Arbeitsteilung mit der Frauenforschung. Dieser Arbeitsteilung sei die Frage „nach dem sozialen Charakter der Geschlechterdifferenz” zum Opfer gefallen. „Denn auch die Frauenforschung griff diese Fragestellung über Jahrzehnte nicht auf, sondern verwendete die Geschlechtskategorisierung einfach zur Organisation ihrer Themen, Theorien und ihres Personals“. Ähnlich urteilen Gildemeister und Wetterer (1992), die in der „Positivierung der Differenz ” (S. 203), wie sie von einem Teil der deutschen Frauenforschung betrieben werde, einen Grund dafür sehen, daß „die Frauenforschung in einem sehr grundlegenden Bereich an Selbstverständlichkeiten des Alltagshandelns (partizipiert), statt sie zum Gegenstand kritischer Analyse zu machen“ (S. 204 ). (Vgl. auch Nunner-Winkler 1994).

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  71. Zum Verhältnis von Liebe und Dominanz vgl. Dröge-Modelmog 1987.

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  72. Diskurstheoretische Ansätze wie z.B. den von Judith Butler (1991) lasse ich hier außer Betracht. Ich beschränke mich auf explizit soziologische Ansätze.

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  73. Die geschlechter-und wissenschaftspolitischen Konsequenzen einer solchen Perspektive sind weitreichend. Sie betreffen die Frage, inwieweit Frauenförderung und Frauenforschung die unintendierte Folge einer Dramatisierung und Reifizierung der Geschlechterdifferenz haben, statt sie abzubauen (vgl. Gildemeister/Wetterer 1992, S. 247f.).

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  74. Maihofer (1994) bemerkt, daß die zweite Fragestellung in den sozialkonstruktivistischen Ansätzen zu kurz kommt. Sie fordert eine Perspektive ein, die berücksichtigt, daß ungeachtet der Tatsache, daß Geschlecht sozial konstruiert ist, Frauen und Männer in den geschlechtsbezogenen Praxen „tatsächlich existieren“ (S. 258 ).

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  75. Die Etikettierung des Habituskonzepts als formale Theorie gibt diesem Konzept einen Status, den es der Intention Bourdieus zufolge nicht hat, den es aber im Zuge der Theoriediskussion in der Soziologie mehr und mehr erhält. Bourdieu versteht seine Arbeiten eher nicht als ‘große Theorie’, vielmehr kritisiert er die Tendenz zu einer „theoretizistischen Deutung“ seiner empirischen Studien (1989, S. 396) und grenzt seine Art der Theoriebildung als „Wahrnehmungs-und Aktionsprogramm”, „das sich nur aus der empirischen Arbeit, in der es realisiert wird, erschließt“, von einem Stil der Theoriediskussion ab, die er „theoretische Theorie” nennt: „ein prophetischer oder programmatischer Diskurs, der sich selbst Zweck ist und aus der Konfrontation mit anderen Theorien erwächst und von ihr lebt“ ( 1997a, S. 59 ).

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  76. Im „Entwurf einer Theorie der Praxis“ beziehen sich die Beispiele in dem Kapitel über die „Einverleibung der Strukturen” (Bourdieu 1979, S. 189–202) vornehmlich auf die Geschlechtszugehörigkeit und das Geschlechterverhältnis.

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  77. Auf die Bedeutung des kindlichen Spiels für die Aneignung der dem eigenen Geschlecht sozial angemessenen Dispositionen verweisen aus der Perspektive der kognitiven Entwicklungspsychologie Piaget (1973, S. 80ft) und Gilligan (1984). Diese Übereinstimmung ist nicht zufällig. Piagets Modell der Adaptation von Handlungs-und Wahrnehmungsschemata an eine widerständige Umwelt hat starke Affinitäten zu Bourdieus Verständnis des Körpers als „Analogien-Operator“ (vgl. Raphael 1991, S. 250f.)

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  78. An Bourdieus Theorie ist häufig kritisiert worden, daß sie mit ihrem Klassenbegriff der Vielfalt ausdifferenzierter Lebenslagen in der modernen postindustriellen Gesellschaft nicht gerecht wird. Zu berücksichtigen sei auch, in welcher Weise sich „die kollektiven Erfahrungen der einzelnen Generationen (…), Nationalitäten, Geschlechter, Altersgruppen in Form spezifischer Habitus“ (Hradil 1989, S. 126) niederschlagen. Wiewohl es nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die Bourdieusche Theorie fortzuentwickeln - der Rekurs auf Bourdieu ist, wie erwähnt, durch die Erwartung eines besseren Gegenstandsverständnisses motiviert -, so mag die Entwicklung eines Begriffs des geschlechtlichen Habitus doch vielleicht auch dazu beitragen, daß die Engführung des Habitus als Klassenhabitus ein wenig aufgebrochen wird.

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  79. Allgemein heißt es bei Bourdieu ( 1993, S. 111): „Die Soziologie behandelt alle biologischen Individuen als identisch, die als Erzeugnisse derselben objektiven Bedingungen mit denselben Habitusformen ausgestattet sind“.

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  80. Hirschauer ( 1994, S. 673) sieht - unter Rekurs auf Bourdieu - auch den geschlechtlichen Körper in dieser Weise vergesellschaftet: „Daß Individuen nicht autonom über ihren Körper verfügen, führt hier nicht auf den phänomenologischen Gedanken, daß sie ihr Leib sind, sondern auf den, daß er ihnen nicht allein gehört. Wenn Individuen ihr Leib sind, dann nicht ihr eigener. Der Habitus ist ein gesellschaftlicher Körper: mit Haut und Haaren gehört er der Gesellschaft“.

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  81. Auch Goffman ( 1981, S. 39) betont, daß das Verhältnis zur Natur ein Moment ist, hinsichtlich dessen sich Geschlechtslage und Klassenlage unterscheiden. „Zusammenfassend können wir sagen, daß das Geschlecht, zusammen mit dem Lebensalter - vielleicht mehr als soziale Klassen und andere gesellschaftliche Unterteilungen -, ein Verständnis dafür ermöglicht, wie wir unsere Natur letztlich begreifen und wie oder wo wir diese Natur zeigen sollen“

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  82. Daß dieses Substrat selbst kulturell erzeugt ist, hat Laqueur (1992) in seiner Sozialgeschichte des geschlechtlichen Körpers eindrucksvoll gezeigt. Dies kann hier jedoch vernachlässigt werden, weil die soziale Praxis den Körper als vorsozial wahrnimmt.

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  83. Wie diese Naturalisierung sozialgeschichtlich entstanden ist, in welchen gesellschaftlichen Konstellationen, das zeigen Studien zur „Erfindung“ der Geschlechtscharaktere in der bürgerlichen Gesellschaft (vgl. Hausen 1976; Honegger 1991; Frevert 1995). Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, mit der Etablierung der vergleichenden Anatomie konstituiert sich, so Honegger (1991, S. 8), „der Körper auf moderne Weise als erzeugungsmächtiger ‘Analogien-Operator’ (Pierre Bourdieu), der es vor allem gestattet, die Geschlechterdifferenz zu regulieren”.

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  84. Umgekehrt impliziert ein Aufkündigen der Komplizenschaft, symbolische Gewalt als Gewalt zu thematisieren. Das ist die Strategie des Feminismus. „Im ideologischen Kampf zwischen Gruppen (z.B. Alters-oder Geschlechtsklassen) oder gesellschaftlichen Klassen um die Definition der Wirklichkeit wird der symbolischen Gewalt als verkannter und anerkannter, also legitimer Gewalt das Bewußtmachen der Willkür gegenübergestellt, das den Herrschenden einen Teil ihrer symbolischen Stärke nimmt, indem es Verkennung beseitigt“ (Bourdieu 1993, S. 244, Fn. 1).

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  85. An der besagten ‘Komplizenschaft’ scheitern u.a. immer wieder Versuche, Maßnahmen positiver Diskriminierung zugunsten von Frauen zu implementieren (vgl. Meuser 1992).

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  86. Bourdieu ( 1997b, S. 215f.) spricht von einer gesellschaftlich konstituierten „libido dominandi“ des Mannes, die, „und das oft in derselben Bewegung, ebenso zu extremen Gewalttätigkeiten des virilen Egoismus wie zu äußersten Opfern der Hingabe und der Uneigennützigkeit führen” könne.

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Meuser, M. (1998). Theorie: Geschlecht und Männlichkeit im soziologischen Diskurs. In: Geschlecht und Männlichkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95120-5_2

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