Zusammenfassung
Die soziologische Theoriebildung hat lange Zeit die Frage vernachlässigt, welche Rolle die Geschlechtszugehörigkeit bei der Erklärung des Sozialverhaltens spielen soll. Für zahlreiche Klassiker des Faches schien es keinen Unterschied zu machen, welchem Geschlecht die jeweiligen Akteure angehören, wichtiger war, je nach befragter Theorie, der „subjektiv gemeinte Sinn“ einer Handlung, die zugehörige „objektive Klassenlage“ oder was immer. Hinsichtlich der hier aufgeworfenen Frage ist es wichtig sich zu verdeutlichen, daß die fehlende Auseinandersetzung mit der Kategorie des Geschlechts wohl keineswegs zufällig war, sondern vielmehr einer tiefsitzenden Skepsis gegenüber allen Behauptungen einer biologischen Grundlage menschlichen Verhaltens entsprungen sein dürfte. Den Klassikern der Soziologie kam es ja darauf an, sofern für den Augenblick eine Gemeinsamkeit ihrer Ziele angenommen werden darf, daß das menschliche Sozialverhalten keineswegs mehr als Ergebnis einer unwandelbaren menschlichen Natur verstanden werden sollte, wie dies die älteren Sozialphilosophen angenommen hatten, sondern die neue Disziplin setzte bei den historisch wandelbaren gesellschaftlichen Verhältnissen an, welche auch die Verkehrsformen des Alltags in immer neue Formen goß. Im Zeitalter der Industriellen Revolution entstanden, welche die Lebensverhältnisse der Menschen in bislang unbekanntem Masse veränderte, durfte für die Ablehnung unwandelbarer Kausalitäten als Erklärung des Sozialverhaltens die Zustimmung einer Mehrheit der Sozialwissenschaftler erwartet werden.
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© 1997 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Meyer, P. (1997). Unterschiede im aggressiven Verhalten der Geschlechter: Möglichkeiten und Grenzen soziobiologischer Erklärung. In: Meleghy, T., Niedenzu, HJ., Preglau, M., Traxler, F., Schmeikal, B. (eds) Soziologie im Konzert der Wissenschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83248-1_3
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