Zusammenfassung
Als »Anosognosie« wird das mit einer umschriebenen Hirnschädigung einhergehende Nichterkennen von neurologischen Störungen wie der Halbseitenlähmung, kortikalen Blindheit, Hemianopsie oder Taubheit bezeichnet. Den betroffenen Patienten scheint das Bewusstsein für ihre Erkrankung zu fehlen. Sie verhalten sich so, als ob sie von der eingetretenen Schädigung nichts wüssten. Die Patienten lassen jede emotionale Betroffenheit über die eingetretene Behinderung vermissen. Vielmehr versichern sie, dass alles in Ordnung sei. Die Konfrontation mit Tatsachen, die den Patienten eindeutig beweisen, dass bei ihnen eine Beeinträchtigung der Muskelkraft, des Sehens etc. vorliegt, führt nicht dazu, dass sie ihre Behinderung erkennen. Die Anosognosie für Hemiparese tritt typischerweise mit einem ausgedehnten frontotemporoparietalen Infarkt der rechten Hemisphäre, die Anosognosie für Hemianopsie mit einseitigen und die Anosognosie für kortikale Blindheit mit beidseitigen Läsionen der Okzipitallappen auf. Zahlreiche Erklärungen des Phänomens wurden vorgeschlagen, ohne dass es jedoch bislang befriedigend gelungen wäre, den zugrunde liegenden Mechanismus zu identifizieren. Diskutiert wurden Störungen der Informationsaufnahme und -weiterleitung, Defizite der Selbstbeobachtung, Störungen neuronaler »Bewusstseinssysteme«, Mechanismen der Selbsttäuschung sowie psychodynamische Faktoren. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Symptomatik eine neurologische Ursache hat und nicht die psychische Reaktion auf die eingetretene Behinderung darstellt.
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Karnath, HO. (2006). Anosognosie. In: Karnath, HO., Thier, P. (eds) Neuropsychologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/3-540-28449-4_53
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