Weltweit sind der Pandemie durch das „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) mittlerweile fast 2,5 Mio. Menschen zum Opfer gefallen, mehr als 111 Mio. Menschen wurden infiziert [14]. Im globalen Kampf gegen die Coronapandemie spielen die Impfungen gegen SARS-CoV‑2 die entscheidende Rolle. Drei Impfstoffe gegen COVID-19 sind bisher in der Europäischen Union (EU) zugelassen worden. Der Impfstoff von BioNtech/Pfizer (Mainz, Deutschland) (BNT162b) am 21.12.2020, danach folgte am 06.01.2021 der Impfstoff von Moderna (Cambridge, MA, USA) (mRNA-1273) und am 29.01.2021 erteilte die EU-Kommission die bedingte Zulassung für den Impfstoff von AstraZeneca (Cambridge, Vereinigtes Königreich). Offizieller Impfstart eines gestuften Verfahrens in Deutschland war der 27. Dezember 2020 [33].

Mitarbeitende im Gesundheitswesen („health care workers“ HCWs) werden von der Bevölkerung im Allgemeinen als die vertrauensvollste Quelle für Informationen zu Impfungen angesehen [6]. Unabhängig davon zeigen Studien, das HCWs ihr Vertrauen zu Impfungen bei ihren Kindern, bei sich selber, aber auch bei ihren Patienten verlieren können und von den gültigen Impfempfehlungen dann abweichen [11, 22, 30, 34]. Gesundheitsexperten bezeichnen dies als Impfzurückhaltung, Impfunschlüssigkeit oder Impfmüdigkeit („vaccine hesitancy“). Die Strategic Advisory Group of Experts on Immunization (SAGE) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat diese „vaccine hesitancy“ als Verzögerung oder Ablehnung von Impfungen trotz Verfügbarkeit von Impfangeboten definiert; sie ist kontextspezifisch, das heißt, sie variiert in Abhängigkeit von Zeit, Region und dem jeweiligen Impfstoff [3, 21]. Im Jahr 2019 hat die WHO eine Liste der aus ihrer Sicht 10 größten Risiken für die globale Gesundheit vorgestellt [37]. Hierzu gehören auch ausdrücklich Impfvermeidungen und Impfverzögerungen.

Seit Anfang Mai 2020 untersucht die Universität Erfurt u. a. die Impfbereitschaft gegen SARS-CoV‑2 in der Bevölkerung und in speziellen Personengruppen [32]. Dabei finden sich Hinweise darauf, dass die Impfbereitschaft im Gesundheitssektor niedriger als innerhalb der Gesamtbevölkerung ist [24, 32]. Dies zeigt sich auch bei der Einstellung zur Influenzaimpfung beim Krankenhauspersonal. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt medizinischem Personal aufgrund des erhöhten beruflichen Risikos die jährliche Impfung gegen Influenza. Die Ärzteschaft in allen vergangenen Saisons wurde häufiger geimpft als die übrigen untersuchten Berufsgruppen: Die Impfquote unter Ärzt*Innen erhöhte sich in der Saison 2019/20 auf 79,3 %. Im Gegensatz dazu war nur ein Drittel des Pflegediensts jeweils in den Saisons 2016/17 und 2017/18 gegen Influenza geimpft. In der Saison 2018/19 stieg die Impfquote in dieser Gruppe um rund 15 Prozentpunkte und lag in der Saison 2019/20 bei einem mit der Vorsaison vergleichbaren Wert von 46,7 % [26].

Angesichts der Bedeutung der anstehenden Impfungen gegen SARS-CoV‑2 und Unsicherheiten in Bezug auf die Akzeptanz dieses Impfangebots gerade in Bezug auf die völlig neuartige Impftechnologie führten wir Anfang Dezember 2020 [16] sowie Anfang Februar 2021 eine Onlineumfrage bei Mitarbeitenden im Gesundheitswesen durch, die sich vor allem an intensivmedizinisch tätige Pflegekräfte, Ärzt*Innen und andere Berufsgruppen im Krankenhaus richtete. Gerade auf der Intensivstation tätige Mitarbeitende haben ein erhöhtes Infektionsrisiko aufgrund der Kontakte zu COVID-19-Patienten und sind insbesondere in Gebieten einer hohen Prävalenz oft asymptomatisch infiziert und können somit zur Virusverbreitung in den Einrichtungen des Gesundheitswesens beitragen [7].

Methode

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Analyse zweier Onlineumfragen unter Mitarbeitenden in deutschen Krankenhäusern. Die erste Umfrage wurde zwischen dem 03.12. und dem 12.12.2020 [16], die zweite Umfrage vom 01.02.2021 bis zum 10.02.2021 durchgeführt. Über einen Newsletter wurden sowohl die Mitglieder*Innen der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) als auch die der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) eingeladen, an dieser Umfrage teilzunehmen. Über einen Link der Einladungsmail erfolgte die Weiterleitung zur Onlineumfrage. Darüber hinaus wurde über den Facebook-Kanal der DGIIN und der DIVI auf die Umfrage während der Erhebung täglich hingewiesen. Über einen Link in den Posts wurden Interessent*Innen ebenfalls direkt zur Befragung weitergeleitet.

Die Onlineumfrage erfolgte anonymisiert. Auf der ersten Seite der Onlineumfrage wurde den Teilnehmern kommuniziert, welche Daten zu welchem Zweck erhoben werden, wo und wie lange die Daten gespeichert werden. IP-Adressen wurden zur Vermeidung von Mehrfachabgaben bis zum Ende des Befragungszeitraums ohne Zuordnung zu Fragebögen gespeichert und dann gelöscht. Die Teilnahme der Befragung erfolgte nur nach aktiver Zustimmung und konnte jederzeit abgebrochen werden. Es wurden keinerlei persönlich identifizierbare Merkmale erhoben oder gespeichert.

Im Fragebogen wurden als demografische Daten Berufszugehörigkeit, Alter, Geschlecht und Berufserfahrung erhoben. Zum Zeitpunkt der Befragung im Dezember war noch kein Impfstoff in Deutschland zugelassen. Diese Befragung erfasste nur die Einstellung zur Notwendigkeit einer Impfung gegen SARS-CoV‑2, um die Coronapandemie einzudämmen, die Bereitschaft, sich selber impfen zu lassen, und Bedenken zur Wirksamkeit, zu akuten Nebenwirkungen und Langzeitnebenwirkungen der angekündigten Impfstoffe.

Zum Zeitpunkt der Befragung im Februar waren sowohl der Impfstoff der Firma BioNTech/Pfizer als auch der Firma Moderna in Deutschland zugelassen und beide wurden seit Mitte Januar auch in deutschen Krankenhäusern den Mitarbeitenden dort einer Priorisierung folgend angeboten. Der Impfstoff der Firma AstraZeneca hatte am 29.01.2021 die europäische Zulassung erhalten.

Daher wurde der Fragebogen für die zweite Befragung modifiziert und zusätzlich abgefragt, ob eine Impfung schon erfolgt war und mit welchem Impfstoff die Impfung durchgeführt wurde. Weiter wurden die Befragten gebeten anzugeben, ob sie für sich eine freie Wahl des Impfstoffs wünschen würden. Ebenfalls wurden sie gezielt danach befragt, für welchen Impfstoff sie sich bei einer freien Wahl entscheiden würden. Alle übrigen Fragen waren mit der ersten Befragung identisch. Der Fragebogen wurde anonymisiert online mit dem EFS-Survey der Firma Unipark (Norwegen, Oslo) erstellt. Die statistische Auswertung erfolgte mit IBM© SPSS© Statistics Version 22.0 (New York, NY, USA).

Die Auswertung der univariaten und bivariaten Messzahlen erfolgt mittels deskriptiver Statistik. Es werden das arithmetische Mittel (MW) und die Standardabweichung (SD) für normalverteilte Daten und der Median (MD) mit Interquartilsabstand (IQR) für nichtnormalverteilte Variablen angegeben:

Das mittlere Alter mit Standardabweichung, die Häufigkeiten der Geschlechtsverteilung, Berufszugehörigkeit sowie Berufserfahrung wurden getrennt für beide Erhebungszeiträume berechnet und die nominal- sowie ordinalskalierten Daten in einer Kreuztabelle mittels χ2-Test auf signifikante Unterschiede bezüglich der Erhebungszeiträume hin untersucht. Es wurden verschiedene multinominale logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Als abhängige Variablen wurden dabei berücksichtigt: 1) „Impfung wichtig zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie“ (dichotomisiert „Ja“ oder „Nein bzw. bin mir unsicher“), 2) „Impfbereitschaft“ (dichotomisiert „Ja“ oder „Nein bzw. bin mir unsicher“), 3) „Haben Sie Bedenken bezüglich der Wirksamkeit?“, 4) „Haben Sie Bedenken bezüglich der Nebenwirkungen?“, 5) „Haben Sie Bedenken bezüglich der Wirksamkeit?“, 6) Die Likert-Skala der Fragen 3–5 von 1 („keine Bedenken“) bis 6 („starke Bedenken“) wurde dichotomisiert (1–3 = „keine oder wenige Bedenken“; 4–6 = „starke bis sehr starke Bedenken“). Als unabhängige Variablen wurden das Geschlecht (Frauen, Männer), Berufszugehörigkeit (Ärzt*Innen, Pflegekräfte, sonstige Berufsgruppen), Befragungszeitraum (Dezember 2020 vs. Februar 2021), Berufserfahrung (unter 3 Jahren, 3–10 Jahre, über 10 Jahre) sowie die Altersgruppe (bis 24 Jahre, 25–44 Jahre, 45–54 Jahre, ≥ 55 Jahre) in die Regressionsanalyse eingeschlossen. Als Signifikanzniveau wurde ein p-Wert < 0,05 angenommen.

Ergebnisse

An der Dezemberbefragung nahmen 2305 Personen, an der Februarbefragung 3501 Personen teil. Die Teilnehmer der Befragung im Februar waren älter (43,4 ± 11,4 vs. 42,7 ± 10,7; p = 0,034) und waren häufiger weiblich (63,9 % vs. 36,1 %; p < 0,0001). Darüber hinaus nahmen im Februar mehr Teilnehmer aus anderen Berufsgruppen im Krankenhaus (z. B. Physiotherapeut*Innen, Sozialarbeiter*Innen, Verwaltungsmitarbeitende) als im Dezember teil (Tab. 1).

Tab. 1 Demografische Angaben
Tab. 2 Bedeutung der Impfung zur Eindämmung der Coronapandemie

67,2 % (n = 2,177) der Studienteilnehmer im Februar hatten bereits mindestens eine Impfdosis erhalten, davon hatten 26 % (n = 909) schon beide Impfungen erhalten; 73,8 % den Impfstoff der Firma BioNTech/Pfizer und 26,2 % den Impfstoff der Firma Moderna. Die Verträglichkeit der Impfung wurde in 80,7 % der Fälle als „Gut“ oder „Sehr gut“ angegeben.

Impfung wichtig zur Eindämmung der Pandemie

Im Vergleich zur Befragung im Dezember schätzten die Studienteilnehmer im Februar die Impfung häufiger als wichtig zur Eindämmung der Coronapandemie ein (Tab. 2). Die Einschätzung zur Bedeutung der Impfung zeigte eine eindeutige Zunahme der Zustimmung zwischen Dezember und Februar von 85,2 auf 92,1 %. In der multinominalen Regressionsanalyse waren das Geschlecht, die Zugehörigkeit zur Berufsgruppe „Ärzt*Innen“ sowie ein jüngeres Lebensalter unabhängig mit dieser Einschätzung assoziiert. Frauen sowie Befragte mit einem Lebensalter unter 55 Jahre hielten die Impfung zur Eindämmung der Pandemie für weniger relevant. Die Bedeutung des ersten Befragungspunkts im Dezember wurde in dieser Analyse ebenfalls nochmals sehr deutlich (Tab. 3). Im Dezember vor Beginn der Impfkampagne wurden die Bedeutung der Impfungen noch weniger relevant eingeschätzt.

Tab. 3 Einflussfaktoren auf die Bedeutung der Impfung (multinominale logistische Regressionsanalyse). Abhängige Variable „Halten Sie die anstehenden Impfungen gegen SARS-CoV‑2 für wichtig zur Eindämmung der SARS-CoV‑2 Pandemie?“ (dichotomisiert „Ja“ oder „Nein bzw. bin mir unsicher“). Unabhängige Variablen sind das Geschlecht (Frauen, Männer), Berufszugehörigkeit (Ärzt*Innen, Pflegekräfte, sonstige Berufsgruppen), Befragungszeitraum (Dezember 2020 vs. Februar 2021), Berufserfahrung (unter 3 Jahren, 3–10 Jahre, über 10 Jahre) sowie Altersgruppe (bis 24 Jahre, 25–44 Jahre, 45–54 Jahre, ≥ 55 Jahre). Referenzkategorie ist „Ja, ich würde mich impfen lassen“

Impfbereitschaft

Auch im Februar wurde die Frage nach der Impfbereitschaft gestellt, 1324 Personen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht geimpft. Im Vergleich zum Dezember fand sich auch hier eine Zunahme der Impfbereitschaft (Tab. 4). In allen Untergruppen kam es zwischen beiden Befragungszeitpunkten zu einer Zunahme der Impfbereitschaft. Die multinominale Regressionsanalyse zeigte, dass das weibliche Geschlecht, die Zugehörigkeit zur Berufsgruppe Pflegekräfte und ein Lebensalter unter 45 Jahren unabhängig und signifikant mit einer eingeschränkten Impfbereitschaft assoziiert waren (Tab. 5).

Tab. 4 Impfbereitschaft
Tab. 5 Einflussfaktoren auf Impfbereitschaft (multinominale logistische Regressionsanalyse). Abhängige Variable „Würden Sie sich impfen lassen?“ (dichotomisiert „Ja“ oder „Nein bzw. bin mir unsicher“). Unabhängige Variablen sind das Geschlecht, Berufszugehörigkeit (Ärzt*Innen, Pflegekräfte, Sonstige) und Befragungszeitraum (Dezember vs. Februar). Referenzkategorie ist „Ja, ich würde mich impfen lassen“

Freie Wahl des Impfstoffs

Die Teilnehmer der Februarumfrage wurden gefragt, ob sie eine freie Wahl eines Impfstoffs bevorzugen würden. 66 % votierten dafür, 11 % dagegen und 24 % war es egal.

Auswahl eines bestimmten Impfstoffs

Die Teilnehmer der Befragung im Februar konnten ebenfalls ein Votum abgeben, ob sie sich bei Verfügbarkeit und Möglichkeit der freien Wahl für einen Impfstoff mit dem jeweiligen Präparat impfen lassen würden. 88 % votierten für den Impfstoff der Firma BioNTech/Pfizer, 74 % für den Impfstoff der Firma Moderna und nur 27 % für den Impfstoff der Firma AstraZeneca (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

a Impfung mit dem Impfstoff der Firma BioNTech/Pfizer (Mainz, Deutschland). b Impfung mit dem Impfstoff der Firma Moderna (Cambridge, MA, USA), c Impfung mit dem Impfstoff der Firma AstraZeneca (Cambridge, Vereinigtes Königreich)

Bedenken zur Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Langzeitschäden

Abb. 2 zeigt die Ergebnisse der Fragen zu Bedenken bezüglich der Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Langzeitschäden sowohl für die Dezemberbefragung als auch für die Befragung im Februar. Es konnte in allen Punkten eine signifikante Abnahme der Bedenken in Bezug auf Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Langzeitschäden nachgewiesen werden. Tab. 6 und 7 zeigen nochmals den Einfluss des weiblichen Geschlechts, der Zugehörigkeit zur Berufsgruppe sowie des Alters der Befragten auf die Einschätzung zur Wirksamkeit (Tab. 6), Nebenwirkungen (Tab. 7) und Langzeitschäden (Tab. 8).

Abb. 2
figure 2

a Bedenken bezüglich der Wirksamkeit der Impfstoffe. b Bedenken bezüglich der Nebenwirkungen der Impfstoffe. c Bedenken bezüglich der Langzeitschäden der Impfstoffe

Tab. 6 Multinominale logistische Regressionsanalyse. Abhängige Variable „Haben Sie Bedenken bezüglich der Wirksamkeit?“. Die Likert-Skala von 1 („keine Bedenken“) bis 6 („starke Bedenken“) wurde dichotomisiert (1–3 = „keine oder wenige Bedenken“; 4–6 = „starke bis sehr starke Bedenken“). Unabhängige Variablen sind das Geschlecht (Frauen, Männer), Berufszugehörigkeit (Ärzt*Innen, Pflegekräfte, sonstige Berufsgruppen), Befragungszeitraum (Dezember 2020 vs. Februar 2021). Berufserfahrung (unter 3 Jahren, 3–10 Jahre, über 10 Jahre) sowie die Altersgruppe (bis 24 Jahre, 25–44 Jahre, 45–54 Jahre, ≥ 55 Jahre). Referenzkategorie ist „keine bis wenige Bedenken“ (Likert-Skala 1–3)
Tab. 7 Multinominale logistische Regressionsanalyse. Abhängige Variable „Haben Sie Bedenken bezüglich der Nebenwirkungen?“. Die Likert-Skala von 1 („keine Bedenken“) bis 6 („starke Bedenken“) wurde dichotomisiert (1–3 = „keine oder wenige Bedenken“; 4–6 = „starke bis sehr starke Bedenken“). Unabhängige Variablen sind das Geschlecht (Frauen, Männer), Berufszugehörigkeit (Ärzt*Innen, Pflegekräfte, sonstige Berufsgruppen), Befragungszeitraum (Dezember 2020 vs. Februar 2021). Berufserfahrung (unter 3 Jahren, 3–10 Jahre, über 10 Jahre) sowie die Altersgruppe (bis 24 Jahre, 25–44 Jahre, 45–54 Jahre, ≥ 55 Jahre). Referenzkategorie ist „keine bis wenige Bedenken“ (Likert-Skala 1–3)
Tab. 8 Multinominale logistische Regressionsanalyse. Abhängige Variable „Haben Sie Bedenken bezüglich der Langzeitschäden?“. Die Likert-Skala von 1 („keine Bedenken“) bis 6 („starke Bedenken“) wurde dichotomisiert (1–3 = „keine oder wenige Bedenken“; 4–6 = „starke bis sehr starke Bedenken“). Unabhängige Variablen sind das Geschlecht (Frauen, Männer), Berufszugehörigkeit (Ärzt*Innen, Pflegekräfte, sonstige Berufsgruppen), Befragungszeitraum (Dezember 2020 vs. Februar 2021). Berufserfahrung (unter 3 Jahren, 3–10 Jahre, über 10 Jahre) sowie die Altersgruppe (bis 24 Jahre, 25–44 Jahre, 45–54 Jahre, ≥ 55 Jahre). Referenzkategorie ist „keine bis wenige Bedenken“ (Likert Skala 1–3)

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Befragungen zeigen, dass 1) die Bedeutung der Impfung gegen SARS-CoV‑2 zur Eindämmung der Coronapandemie als außerordentlich hoch eingeschätzt wird; 2) die Impfbereitschaft hoch ist; 3) die Mehrheit eine freie Wahl des Impfstoffs bevorzugen würden; 4) nur etwa ein Viertel der Befragten sich für den Impfstoff der Firma AstraZeneca entscheiden würde, wenn sie die Wahl hätten; 5) die Bedenken bezüglich Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Langzeitschäden außerordentlich gering sind; 6) das weibliche Geschlecht, Zugehörigkeit zum Pflegeberuf und ein jüngeres Alter mit einer höheren Impfskepsis unabhängig vom Befragungszeitpunkt assoziiert sind und insgesamt die Impfbereitschaft innerhalb von 2 Monaten vor und nach Beginn der Impfungen signifikant zugenommen und Bedenken signifikant abgenommen haben.

Eine Impfung gegen COVID-19 trägt sowohl zum individuellen Schutz als auch zur Eindämmung der Pandemie bei. Allein in Deutschland sind mehr als 2,3 Mio. Menschen an COVID-19 erkrankt und mehr als 66.000 daran gestorben [27]. Studiendaten der mittlerweile zugelassenen Impfstoffe zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu erkranken, bei den geimpften TeilnehmerInnen um 95 % (BioNTech, Moderna) bzw. 70 % (AstraZeneca) geringer war als bei den mit Placebo/Kontrollimpfstoff geimpften TeilnehmerInnen [28]. Auch die Rate schwerer Verläufe wurde durch alle 3 Impfstoffe zuverlässig reduziert.

Zum Zeitpunkt der Befragung Anfang Dezember lagen den Mitarbeitenden im Gesundheitswesen noch keine genauen Daten zu den bevorstehenden Impfterminen vor, ebenfalls waren zu diesem Zeitpunkt noch keiner der aktuell verfügbaren Impfstoffe zugelassen. Die Bedeutung der Impfung gegen SARS-CoV‑2 wurde schon Anfang Dezember von allen Befragten als sehr hoch eingeschätzt (85 % Zustimmung), diese Bewertung lag Anfang Februar bei 92 % Eine Impfbereitschaft bestand nur bei 64 % der Befragten, bei Pflegekräften allerdings nur bei 50 % (ÄrztInnen 71 %). Die Zustimmung verbesserte sich deutlich Anfang Februar (73 % vs. 81 %).

Auf den ersten Blick verwundert es, dass die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen die Bedeutung der Impfung zwar als sehr hoch einschätzen und gleichzeitig sich deutlich weniger einer Impfung unterziehen würden. Dabei findet sich diese Impfzurückhaltung auch in der Allgemeinbevölkerung. Im August 2020 gaben nur 44 % der deutschen Bevölkerung an, sich auf jeden Fall gegen SARS-CoV‑2 impfen zu lassen, im November sank dieser Wert auf 37 %. Im Januar 2021 stieg dieser Wert auf 54 % und im Februar auf 59 % [13].

Tatsächlich besteht nicht nur in der aktuellen Coronapandemie eine Impfzurückhaltung sowohl bei HCWs als auch in der allgemeinen Bevölkerung. Schon vor der Coronapandemie konnte weltweit eine Abnahme bei der Impfbereitschaft und dem Vertrauen in Impfungen aus kulturellen, politischen, aber auch persönlichen Gründen beobachtet werden [4].

Eine Befragung von 1138 türkischen HCWs im September 2020 ergab eine Impfbereitschaft gegen SARS-CoV‑2 von 69 % [17]. Zwischen März und Juli 2020 wurden 1554 französische HCWs befragt, dabei votierten 77 % für eine Impfung [10]. Kalifornische HCWs (n = 609) gaben in 67 % der Fälle an, aufgrund von Bedenken eine Impfung gegen SARS-CoV‑2 bei Verfügbarkeit nach hinten zu verschieben [9]. In 26 chinesischen Provinzen nahmen im März 2020 352 HCWs an einer Befragung teil. 76 % der Befragten sprachen sich für eine Impfung gegen SARS-CoV‑2 aus (Allgemeinbevölkerung, n = 189 im Vergleich 73 %; [8]). In Israel wurde im März 2020 eine Onlineumfrage unter 1661 Personen (Ärzt*Innen n = 338; Pflegekräfte n = 211 und Allgemeinbevölkerung n = 1,112) zur Akzeptanz zukünftiger Impfungen gegen SARS-CoV‑2 durchgeführt [5]. Dabei sprachen sich 78 % der Ärzt*Innen, 61 % der Pflegekräfte und 75 % der Allgemeinbevölkerung für eine eigene Impfung gegen SARS-CoV‑2 aus.

In beiden Befragungen zeigte sich ein Unterschied im Antwortverhalten in Abhängigkeit vom Geschlecht, der Berufsgruppe und auch ein Zusammenhang mit Lebensalter. Befragte weiblichen Geschlechts, aus der Gruppe der Pflegekräfte und jüngeren Alters zeigten allesamt eine höhere Impfskepsis und hatten auch mehr Bedenken in Bezug auf Wirksamkeit der Impfungen, Nebenwirkungen und Langzeitschäden. Befragungen von HCWs in anderen Ländern zeigen analoge Ergebnisse: bei israelischen HCWs waren Frauen und Pflegekräfte assoziiert mit Skepsis gegenüber der Impfung, ähnlich fielen Befragungen französischer und amerikanischer HCWs aus [5, 9, 10].

Die aktuell sehr öffentlich und polarisierend geführte Diskussion um die Wirksamkeit der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe aber auch um die Nebenwirkungen schlägt sich auch in den Ergebnissen der Februarumfrage nieder: Nur 27 % würden sich mit dem Präparat der Firma AstraZeneca impfen lassen, 34 % waren sich unsicher und 38 % votierten gegen eine Impfung. 66 % der Befragten würden für sich eine freie Wahl des Impfstoffs wünschen, für 24 % war eine freie Impfstoffwahl unerheblich. Das Psychology and Infectious Diseases Lab (PIDI Lab) sowie COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO) haben detailliert die Merkmale von HCWs analysiert, die einer Impfung besonders skeptisch gegenüber stehen [24]. Dabei konnten u. a. folgende Merkmale identifiziert werden: niedriges Vertrauen in die Sicherheit der Impfung und fehlende gefühlte Notwendigkeit durch geringe Bedrohung durch COVID-19, als gering wahrgenommenes individuelles Erkrankungsrisiko, Skepsis gegenüber anderen Impfungen, junges Alter oder noch im Studium, insbesondere Schwangere oder solche, die es noch werden möchten, Elternschaft, kein Kontakt mit (COVID-19-)Patient*Innen, geringe kollektive Verantwortung, keine oder nur geringe Angst vor SARS-CoV‑2 [5, 10, 15, 17, 18]. Relevant erschienen auch die Argumente und Haltungen von HCWs, die einer Impfung kritisch gegenüberstehen. Es bestehen Zweifel an der Sicherheit der Impfung und Kritik am straffen Zeitplan der Entwicklung und hier insbesondere an mangelnden Langzeitstudien. Angst vor sowie Mangel an Kommunikation über Nebenwirkungen, der Zweifel an der Wirksamkeit der Impfung, das politische Klima, ein Misstrauen gegenüber Pharmaunternehmen sind weitere relevante Einflussfaktoren [5, 9, 15, 29, 35].

Angesichts der offensichtlichen Impfunschlüssigkeit müssen die Gründe hierfür besser verstanden werden, um die Impfbereitschaft nicht nur bei den HCWs zu verbessern. Die Modelle des Impfverhaltens sind mit psychologischen Profilen hinterlegt, um die Gründe des (Nicht‑)Impfens messbar zu machen [1, 2]. Das „5C-Modell“ beschreibt als wesentliche psychologische Begründungen einer Impfentscheidung die folgenden Aspekte [3, 19,20,21]: Confidence (Vertrauen) beschreibt das Ausmaß an Vertrauen in die Effektivität und Sicherheit von Impfungen, das Gesundheitssystem und die Motive der Entscheidungsträger. Complacency (Risikowahrnehmung) beschreibt die Wahrnehmung von Krankheitsrisiken und ob Impfungen als notwendig angesehen werden. Constraints (Barrieren in der Ausführung, auch: Convenience) beschreibt das Ausmaß wahrgenommener struktureller Hürden wie Stress, Zeitnot oder Aufwand. Calculation (Berechnung) erfasst das Ausmaß aktiver Informationssuche und bewusster Evaluation von Nutzen und Risiken von Impfungen. Die Collective Responsibility (Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft) beschreibt das Ausmaß prosozialer Motivation durch die eigene Impfung zur Reduzierung der Krankheitsübertragung [3]. Vor dem Hintergrund dieser relevanten Motive für oder v. a. gegen eine Impfentscheidung sollten alle Maßnahmen ergriffen werden, um eine möglichst hohe Impfbereitschaft zu erzielen. Impfbarrieren müssen verringert werden. Nicht klar zu erkennen ist, welcher der 5 C-Punkte hier am kritischsten ist. Das Risikobewusstsein vor relevanten Folgeerkrankungen nach COVID-19 ist vermutlich bei HCWs am ehesten vorhanden, offensichtlich ist die Diskussion um die unterschiedlichen numerischen Werte der Wirksamkeit der verschiedenen Impfstoffe hier der kritischste Punkt.

Im digitalen Zeitalter haben Patienten Zugang zu Gesundheitsinformationen aus verschiedenen Quellen, einschließlich Internet und Social-Media-Plattformen. Da Social-Media-Plattformen weltweit immer beliebter werden, gibt es wachsende Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von Antiimpfinhalten und Kampagnen auf die Impfbereitschaft in der Bevölkerung. Die zum Teil erheblich fehlerhaften Informationen und Fake News tragen zu einer erheblichen Verunsicherung bei und gefährden nachhaltig eine durchgreifende Impfung möglichst vieler Menschen. Zukünftige Arbeiten in diesem Bereich sollten sich auf die Entwicklung und Analyse wirksamer Strategien zur Förderung der Impfstoffakzeptanz und der evidenzbasierten Gesundheitskompetenz konzentrieren [25]. Dabei ist es elementar, auch innerhalb der Fachgesellschaften die Berufsgruppe der Pflegenden direkt in den Informationsfluss und in die Strategie sowohl in der Behandlung als auch in der Prävention des SARS-CoV-2-Virus einzubinden [12]. Für die Informationssuche im Internet und insbesondere in den Social Media muss sichergestellt werden, dass Informationssuchende zu „guten“ (richtigen und gut verständlichen) Informationen geleitet werden, Mythen müssen entkräftet werden.

Beide anonymisierten Onlinebefragungen sind limitiert, da die demografischen Daten nicht validiert werden konnten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Personen aus fachfremden Bereichen an der Umfrage teilnahmen. Durch die Bewerbung der Umfrage in den Facebook-Auftritten der Fachgesellschaften und angesichts des Aufwands der Fragebögen ist allerdings davon auszugehen, dass die überwiegende Mehrzahl der Befragten HCWs zuzuordnen sind. Auch dass einzelne Teilnehmer den Fragebogen mehrfach durchlaufen, kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, bei völliger Anonymität ist der Mehrfachdurchlauf nicht vollständig vermeidbar [36]. Allerdings wurden Internetprotokoll(IP)-Filter verwendet. Hierdurch war eine mehrfache Teilnahme unter gleicher IP-Adresse (am selben Endgerät) nicht möglich. Es ist zu beachten, dass der Pflegeberuf weiblich geprägt ist, wodurch es zu Verzerrungen im Zusammenhang Alter und Beruf kommen kann. Ein weiteres methodisches Problem bei Internetbefragungen kann durch einen zu hohen Anteil von Interviewabbrechern entstehen. In der aktuellen Befragung lag die Beendigungsquote mit 95 % allerdings extrem hoch.

Durch das Design und den Zeitraum der Befragung sind alle Ergebnisse als Tendenz zu betrachten [31]. Die Grundgesamtheit „Pflegende auf Intensivstationen und Überwachungsbereichen“ ist in Deutschland statistisch nicht belastbar erfasst. Bei dieser Befragung ist am ehesten von einer eingeschränkten Zufallsstichprobe auszugehen [23].

Fazit für die Praxis

  • Die Impfbereitschaft unter HCWs ist insgesamt insbesondere im Vergleich zur Influenza als sehr hoch einzustufen. Der Beginn der Impfung hat dazu geführt, dass die Bereitschaft noch weiter gestiegen ist. Eine bedeutsame Schwachstelle zur nachhaltigen Umsetzung einer möglichst umfassenden Durchimpfung der Bevölkerung ist derzeit in der Skepsis gegenüber dem Impfstoff der Firma AstraZeneca zu sehen. Fachexpert*Innen müssen mit aller Entschiedenheit und mit einer Stimme Fehlinformationen richtigstellen sowie Sachlichkeit in die aktuell kontrovers geführte Debatte durch präzise und transparente Information einbringen. Der offene interprofessionelle Austausch unter den Berufsgruppen ist dabei ebenso essenziell und erhöht neben der Transparenz der Informationen auch den gemeinsamen Wissensstand.

  • Nur so kann das Vertrauen der Bevölkerung aber auch der HCWs in die Wirksamkeit und Verträglichkeit aller Impfstoffe gestärkt und die Impfbereitschaft maximiert werden.