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Die Laterna magica der Philosophie Gespenster bei Kant, Hegel und Schopenhauer

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Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Der Aufsatz analysiert Austauschbeziehungen zwischen dem Deutschen Idealismus, der literarischen Gattung des Schauerromans und der optischen Simulation von Gespenstern mithilfe der Zauberlaterne. Im Zentrum der Analyse steht die Aufnahme einer lebhaften Debatte über Geistererscheinungen in den philosophischen Theorien von Kant, Hegel und Schopenhauer. Gleichzeitig formulieren Idealismus und Spiritualismus eine implizite Theorie zeitgenössischer optischer Medien.

Abstract

The article explores the mutual interaction among German idealism, the gothic novel and the magic lantern’s phantasmagoria. Undertaking a new reading of Kant, Hegel, and Schopenhauer reveals that their philosophical theories draw upon a lively debate about ghostly apparitions while simultaneously commenting upon contemporary visual media.

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Literature

  1. Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik [1766]. Werkausgabe in zwölf Bänden, hrsg. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1977, II, 921–989, hier: 965. Zitate nach dieser Ausgabe künftig im Text unter der Sigle T und mit Seitenzahl.

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  2. [Vanae / Fingentur species, tarnen ut Pes, & Caput uni / Reddantur formae] Horace Walpole, The Castle of Otranto. A Gothic Story [1764], hrsg. WS. Lewis und EJ. Clery, Oxford 1996, III (Übers. S.A.). Die erste deutsche Übersetzung des Textes wurde unter dem Titel Die Burg von Otranto. Eine gothische Geschichte veröffentlicht (Berlin 1794).

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  3. „Miracles, visions, necromancy, dreams, and other preternatural events, are exploded now even from romances„. Horace Walpole, „Preface to the First Edition„ [1764], in: The Castle of Otranto (Anm.4), 6.

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  4. Vgl. Immanuel Kant, „An Charlotte Knobloch“ [10. August 1763], in: Briefe, hrsg. Jürgen Zehbe, Göttingen 1970, 21–25. Für eine Lektüre dieses Briefs, in dem sich Kant deutlich positiver über Swedenborg äußert als in den Träumen eines Geistersehers, vgl. Lilliane Weissberg, Geistersprache. Philosophischer und literarischer Diskurs im späten achtzehnten Jahrhundert, Würzburg 1990, 55ff.

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  5. Borowski beschrieb bereits 1804 die Träume eines Geistersehers als „die Keime der Critik der reinen Vernunft„ enthaltend. Vgl. Ludwig Ernst Borowski, Darstellung des Lehens und Charakters Immanuel Kants, Königsberg 1804, 66ff.

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  6. Jakob F. Abel, Philosophische Untersuchungen über die Verbindung der Menschen mit höheren Geistern, Stuttgart 1791, ii.

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  7. Moses Mendelssohn, „Kants Träume eines Geistersehers„ [1767], in: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, hrsg. Eva J. Engel u.a., Stuttgart 1971 ff., V/2, 73.

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  8. John Zammito hat überzeugend darauf hingewiesen, daß der Text eher umgekehrt als Erläuterung der Metaphysik anhand des Geistersehens zu lesen ist — vgl. John Zammito, Kant, Herder, and the Birth of Anthropology, Chicago, London 2002, 197 und 206. Zu Kants Text vgl. jetzt auch Friedrich Balke, „Wahnsinn der Anschauung. Kants Träume eines Geistersehers und ihr diskursives Apriori„, in: Moritz Baßler u.a. (Hrsg.), Gespenster. Erscheinungen — Medien — Theorien, Würzburg 2005,297–313 sowie Sarah Pourciau, „Disarming the Double: Kant in Defense of Philosophy (1766)“, The Germanic Review 81 (2006) [im Erscheinen]. Bereits in den 1980er Jahren haben Hartmut und Gernot Böhme betont, Kants Schrift zeige, „wie sehr Geisterseherei und spekulative Metaphysik miteinander verschwistert sind„ (252). Während Hartmut und Gernot Böhme allerdings den Versuch unternehmen, „das Andere der Vernunft wieder zur Sprache [zu] bringen“ (246), geht die vorliegende Untersuchung von einer Unhintergehbarkeit des Diskursiven aus, die einen unmittelbaren oder unvermittelten Zugriff auf vermeintlich prädiskursive oder außerdiskursive Phänomene verstellt. Hartmut und Gernot Böhmes Interpretation von Kants Beziehung zu Swedenborg als „psychodynamischer Prozeß“ (251) unterscheidet sich daher auch deutlich von dem medien- und diskurshistorischen Ansatz dieser Untersuchung (alle Zitate aus Hartmut Böhme, Gernot Böhme, Das Andere der Vernunft. Zur Entwicklung von Rationalitätsstrukturen am Beispiel Kants, Frankfurt a.M. 1985).

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  9. Eine ausführliche und sorgfältige Übersicht über die am Ende des 18. Jahrhunderts geführte Debatte über Geistererscheinungen findet sich in Diethard Sawicki, Leben mit den Toten. Geisterglauben und die Entstehung des Spiritismus in Deutschland 1770-1900, Paderborn, München 2002, 41–84. Sawicki postuliert jedoch um 1800 eine „Spaltung des polysemen Begriffs Geist in zwei homonyme Begriffe„ (14) und behauptet die Debatte über Geistererscheinungen habe keinerlei Relevanz für die Analyse philosophischer Texte: „Die im Folgenden zur Debatte stehenden Geister haben nichts […] mit dem absoluten Geist der Philosophie Hegels zu tun„ (13f.).

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  10. Friedrich Schiller, Philosophie der Physiologie [1779], Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen [1780], in: Werke und Briefe, hrsg. Rolf-Peter Janz, Frankfurt a.M. 1992, VIII, 37–58, 118–163.

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  11. 1808 beschreibt Schubert den Menschen als ein „zweylebendes Wesen, welches auf dem höchsten Gipfel der irdischen Natur zugleich die ersten der überirdischen in sich vereint“. Gotthilf Heinrich Schubert, Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft, Dresden 1808, 309.

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  12. Vgl. hierzu Stefan Andriopoulos, „The Invisible Hand: Supernatural Agency in Political Economy and the Gothic Novel„, English Literary History 66 (1999), 739–758.

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  13. Die „Regel des allgemeinen Willens„, die hier die Herrschaft eines fremden Willens zu implizieren scheint, wird paradoxerweise in der Grundlegung der Metaphysik der Sitten und in der Kritik der praktischen Vernunft zur gleichsam empirischen Begründung für jene „Autonomie des Willens„, in der nach Kants Moralphilosophie „Freiheit“ und „moralische Nötigung“ in eins fallen. Auf diese strukturelle Parallele zwischen den Träumen eines Geistersehers und Kants Moralphilosophie machen auch Schmucker, Zammi- to und Pourciau aufmerksam — vgl. Josef Schmucker, Die Ursprünge der Ethik Kants, Meisenheim 1961, 162f., 168–173; Zammito (Anm. 11), 205; Pourciau (Anm. 11), 20.

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  14. Vgl. 1945 Anm.: „Die aus dem Grunde der Moralität entspringende [sie] Wechselwirkungen des Menschen und der Geisterwelt, nach den Gesetzen des pneumatischen Einflusses, könnte man darin setzen, daß daraus natürlicher Weise eine nähere Gemeinschaft einer guten oder bösen Seele mit guten oder bösen Geistern entspringe, und jene dadurch sich selbst dem Teil der geistigen Republik zugeselleten, der ihrer sittlichen Beschaffenheit gemäß ist„. Daß die Theorie der „geistigen Republik„ immer auch eine Theorie des Sozialen darstellt, zeigt sich auch in Schellings Stuttgarter Privatvorlesungen: „Und wie die Geisterwelt im Ganzen mit der Natur durch einen nothwendigen consensus harmonicus verbunden ist, so sind es auch die einzelnen Gegenstände der Geisterund der Naturwelt. So muß es in der Geisterwelt ebenfalls Gesellschaften geben, die denen auf der Welt entsprechen„. F.W.J. Schelling, Gedanken über eine Philosophie der Geisterwelt [1810]. Werke, hrsg. Manfred Schröter, München 1927, IV, 373 (Originalausgabe Bd. VII, 481). Immanuel Kant, „An Moses Mendelssohn„ [8. April 1766], in: Briefe (Anm. 6), 33.

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  15. Daß das Wort „Phantasmagoric“ zuerst zur Bezeichung eines optischen Mediums diente, bevor es auf die Beschreibung innerer Bilder übertragen wurde, zeigt Terry Castle in ihrem Aufsatz „Phantasmagoria and the Metaphorics of Modern Reverie„, in: The Female Thermometer. Eighteenth-Century Culture and the Invention of the Uncanny, New York, Oxford 1995, 140–167, 237–242. Eine falsche, ein erstaunliches Desinteresse an visuellen Medien dokumentierende Etymologie von „Phantasmagoric“ als öffentlichem Sprechakt findet sich hingegen in Jacques Derridas Spectres de Marx — vgl. Jacques Derrida, Spectres de Marx, Paris 1993, 176: ‚,[L]a fantasmagorie, mot qu’en outre on déleste généralement du sens littéral qui le lie à la parole et à la parole publique„.

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  16. Vgl. ebenso T 923: „Das Schattenreich ist das Paradies der Phantasten„. Der Aufklärer und Verleger Nicolai nimmt diese Metaphorik auf, um das „in’s Dunkle [sich] verlierende Schimmerlicht […] halbdunkler spitzfindiger Argumentation„ der „von allen Seiten hell beleuchtete[n] und deutlich erkannte[n] Wahrheit„ der Aufklärung gegenüberzustellen. Christoph Friedrich Nicolai, „Vorrede“, in: Philosophische Abhandlungen. Größtentheils vorgelesen in der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 2 Bde., Berlin, Stettin 1808, 1, iv–v. Nicolais Vortragssammlung enthält auch die berühmte Analyse seines Sehens von „Phantasmen“, das er als „eine Folge widernatürlich gereizter Nerven und einer unrichtigen Circulation des Bluts„ (59) beschreibt.

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  17. Vgl. Christoph Friedrich Nicolai, „Beispiel einer Erscheinung mehrerer Phantasmen; nebst einigen erläuternden Anmerkungen„, in: Philosophische Abhandlungen, I, 53–96. Der Text wurde zuerst 1799 in der Neuen Berlinischen Monatschrift veröffentlicht. Eine Parodie Nicolais findet sich in der Figur des „Proktophantasmisten“ in der Walpurgisnachtszene von Goethes Faust (vgl. V 4142ff.).

  18. Abel (Anm.9), 116. Die Einbildungskraft wird häufig als Erzeugerin solcher Sinnestäuschungen beschrieben — vgl. etwa auch Justus Christian Hennings, Von Geistern und Geistersehern, Leipzig 1780, 8: „Die erste und vollergiebige Quelle von Phantomen und betrüglichen Empfindungen jeder Art ist die Einbildungskraft„. Ebenso: Gottfried Immanuel Wenzel, Geist- Wunder- Hexen- und Zaubergeschichten, vorzüglich neuester Zeit, erzählt und erklärt von G.I. Wenzel, Prag 1793, 55: „Die Rauchwolke ist da; die Einbildung wird zur Empfindung„.

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  19. Ferriar bezeichnet diese psychische Störung als Halluzination — vgl. John Ferriar, An Essay Towards A Theory of Apparitions, London 1813, 95: „In medicine, we have fine names, at least for every species of disease. The peculiar disorder, which I have endeavoured to elucidate, is termed generally HALLUCINATION, including all delusive impressions, from the wandering mote before the eye, to the tremendous spectre, which is equally destitute of existence„.

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  20. Eine kritische Wendung gegen „Hirngespenster“ findet sich auch in Christoph Martin Wieland, Euthanasia. Drey Gespräche über das Leben nach dem Tode. Veranlaßt durch D.I.K. W * *LS Geschichte der wirklichen Erscheinung seiner Gattin nach ihrem Tode, Leipzig 1805, 10. Kant selbst entwickelte bereits in seinem Versuch über die Krankheiten des Kopfes (1764) eine vergleichbare Erklärung krankhafter Visionen

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  21. (vgl. Immanuel Kant, Versuch über die Krankheiten des Kopfes [1764]. Werkausgabe (Anm. 1), II, 885–901, hier: 893). Und die 1798 erstmals veröffentlichte Anthropologie formuliert dasselbe Modell, demzufolge „der Mensch […] Einbildungen für Empfindungen nimmt, oder aber gar für Eingebungen hält, von denen ein anderes Wesen, welches doch kein Gegenstand äußerer Sinne ist, die Ursache sei: wo die Illusion alsdann Schwärmerei, oder auch Geisterseherei und beides Betrug des inneren Sinnes ist„ (Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht [1798]. Werkausgabe (Anm. 1), XII, 395–690, hier: 457).

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  22. Bonaventure Abat, Amusemens philosophiques sur diverses parties des sciences, et principalement de la physique et des mathématiques, Amsterdam 1763

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  23. Edme Gilles Guyot, Nouvelles récréations physiques et mathématiques, Paris 1769f.

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  24. Zur Produktion von „künstlichen Spektren„ mit Hohlspiegeln vgl. auch Jurgis Baltrusaitis, Der Spiegel. Entdeckungen, Täuschungen, Phantasien, Gießen 1986, 247–272. Nach Baltrusaitis wird der Begriff des „Spectrums“ um 1600 von Giovanni Battista della Porta geprägt.

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  25. Edme Gilles Guyot, Neue Physikalische und mathematische Belustigungen oder Sammlung von neuen Kunststücken zum Vergnügen mit dem Magnete, mit den Zahlen, aus der Optik sowohl, als auch aus der Chymie, 7 Bde., Augsburg 1772, III, 159. Zur Beschreibung von Hohlspiegeln vgl. auch III, 142ff.

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  26. Zu Robertsons Phantasmagoric vgl. auch Tom Gunning, „Phantasmagoria: The History and Theory of a Visual Illusion„, Vortrag an der New York University, 12. November 2004 sowie Ulrike Hick, Geschichte der optischen Medien, München 1999, 139–156.

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  27. Friedrich Schiller, Der Geisterseher. Aus den Papieren des Grafen von O * * [1787–89]. Werke und Briefe, hrsg. Otto Dann, 12 Bde., Frankfurt a.M. 2002, VII, 588–725; Carl Grosse, Der Genius. Aus den Papieren des Marquis C* von G** [1791–1795], hrsg. Hanne Witte, Frankfurt a.M. 1982.

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  28. Vgl. Cagliostro. Dokumente zu Aufklärung und Okkultismus, hrsg. Klaus H. Kiefer, München 1991. Zu Schröpfer vgl. Christian August Crusius, Bedenken eines berühmten Gelehrten über des famosen Schröpf er s Geister-Citieren, Frankfurt, Leipzig 1775

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  29. Johann Salomon Semler, Samlungen von Briefen und Aufsätzen über die Gaunerischen und Schröpferischen Geisterbeschwörungen, mit vielen eigenen Anmerkungen, Halle 1776.

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  30. Karl von Eckartshausen, Aufschlüsse zur Magie aus geprüften Erfahrungen über verborgene philosophische Wissenschaften und seltne [sie] Geheimnisse der Natur, 3 Bde., München 1790.

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  31. Vgl. auch Johann Wallberg, Sammlung natürlicher Zauberkünste oder aufrichtige Entdeckung viler [sic] bewährter, lustiger und nützlicher Geheimnüsse, Stuttgart 1768

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  32. Johann Christian Wiegleb, Die natürliche Magie, aus allerhand belustigenden und nützlichen Kunststücken bestehend, Berlin 1780

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  33. Christlieb B. Funk, Natürliche Magie oder Erklärung verschiedener Wahrsager und natürlicher Zauberkünste, Berlin 1783

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  34. Johann Samuel Halle, Magie; oder, die Zauberkräfte der Natur, so auf den Nutzen und die Belustigung angewandt worden, Berlin 1783 ff.

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  35. David Brewster, Letters on Natural Magic, London 1832

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  36. Theodor Philadelphus, Phantasmagorie oder die Kunst, Geister erscheinen zu lassen, Leipzig 1833.

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  37. Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können [1783]. Werkausgabe (Anm. 1), V, A 13.

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  38. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft [1781/1787]. Werkausgabe, hrsg. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1988, Bd. 3 und 4, hier: B XVI. Zitate nach dieser Ausgabe künftig unter der Sigle KdrV und mit Seitenzahl.

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  39. Daß die „Dinge als außer uns befindliche Gegenstände“ erscheinen, indem „sie unsere Sinne affizieren„ (Kant, Prolegomena [Anm. 38], A 63; vgl. ebenso A 105 über „die Art wie unsere Sinnen von diesem unbekannten Etwas affiziert werden„) — diese Annahme von Kants kritischer Philosophie bleibt in der Tat ebenso vage wie die frühere Annahme „geistiger Einwirkungen„. Was Gerold Prauss als „transzendental-metaphysische[n] Unsinn“ vom „transzendental-philosophischen Sinn„ der Begriffe Erscheinung und Ding an sich ablösen will, ist demnach in dieser Lesart konstitutiver Bestandteil von Kants kritischer Philosophie — vgl. Gerold Prauss, Kant und das Problem der Dinge an sich, Bonn 1974, 43.

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  40. Siehe ebenso Gerold Prauss, Erscheinung hei Kant. Ein Problem der „Kritik der reinen Vernunft”, Berlin 1971. In diesem Text unterscheidet Prauss zwischen empirischer Erscheinung und Phänomen als Erscheinung des Dings an sich (20), konzentriert sich dann jedoch vor allem auf das Problem empirischer Erscheinungen.

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  41. Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (1790). Werkausgabe, hrsg. Wilhelm Wei- schedel, Frankfurt a.M. 1990, X, B LVII, A LV.

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  42. KdrV B 86. Eine Analyse von Kants Antinomien in Relation zu seinen vorkritischen Schriften findet sich in Stephan Schmauke, ‚Wohltätigste Verirrung‘. Kants kosmologi- sche Antinomien, Würzburg 2002.

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  43. Schmaukes Abhandlung geht jedoch nicht auf die Rolle visueller Medien für Kants Theorie des transzendentalen Scheins ein. Michelle Grier hingegen bezeichnet in einer Fußnote Kants Verwendung optischer Analogie als einen der interessantesten Aspekte von Kants Theorie des transzendentalen Scheins — vgl. Michelle Grier, Kant’s Doctrine of Transcendental Illusion, Cambridge 2001, 129 Anm. 51. Griers Buch ist damit einer der wenigen Texte, die ansatzweise auf die Rolle optischer Figuren für Kants Philosophie eingehen (vgl. auch 273 Anm.20 sowie 278f.). Auch Grier unternimmt allerdings keine Kontextualisierung von Kants Texten und zitiert lediglich Newtons Optik (37), während das visuelle Medium der Laterna magica unerwähnt bleibt.

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  44. Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft [1788]. Werkausgabe, hrsg. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1974, VII, A 255. Zitate nach dieser Ausgabe künftig unter der Sigle KdpV.

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  45. Arthur Schopenhauer, Versuch über das Geistersehn und was damit zusammenhängt [1851]. Parerga und Paralipomena I. Sämtliche Werke, hrsg. W.F. v. Löhneysen, Frankfurt a.M. 1986, IV, 273–372, Zitate nach dieser Ausgabe im Folgenden im fortlaufenden Text unter der Sigle V.

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  46. Arthur Schopenhauer, Vereinzelte, jedoch systematisch geordnete Gedanken über vielerlei Gegenstände [1851]. Sämtliche Werke (Anm. 70), V, 1–773, hier: 54.

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  47. Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung. [1819/1844]. Sämtliche Werke (Anm. 70), I, 564. Zitate nach dieser Ausgabe in Zukunft mit Seitenangabe unter der Sigle WWV.

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  48. Arthur Schopenhauer, Fragmente zur Geschichte der Philosophie. Sämtliche Werke (Anm. 70), IV, 43–170, hier: 106. Vgl. ebenso: „Ich denke die transzendentale Idealität, d.i. cerebrale Phantasmagorie, der ganzen Sache wird hier ungemein fühlbar.„ Schopenhauer, Vereinzelte, jedoch systematisch geordnete Gedanken (Anm. 74), 51.

  49. „Schleier“ ( WWV I, 567). In der Rhetorik der Ver- und Entschleierung wie auch in der Verwendung des Begriffs „Phantasmagoric“ ähnelt Schopenhauers Philosophie damit der Philosophie von Karl Marx, der ja — Kants Kritik der Vergegenständlichung oder „Hypostasierung“ des transzendentalen Scheins zitierend — den „gegenständlichen Schein der gesellschaftlichen Arbeitsbestimmungen„ (61) entlarvt, indem er die „phan- tasmagorische Form„ (52) bzw. die „gespenstige Gegenständlichkeit“ (20) der Ware enthüllt, welche die „gesellschaftlichen Verhältnisse […] sachlich verschleiert„ (55). Alle Zitate aus: Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band!: Der Produktionsprozeß des Kapitals [1869/721] Berlin 1979.

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  50. In seiner Schrift Über den Willen in der Natur (1836/1854) stellt Schopenhauer denn auch dem „nexum physicum (physischen Zusammenhang)“ einen „nexum meta- physicum (metaphysischen Zusammenhang)“ gegenüber, der bewirke, „daß die Scheidewände der Individuation und Sonderung, so fest sie auch seien, doch gelegentlich eine Kommunikation, gleichsam hinter den Kulissen, oder wie ein heimliches Spielen unterm Tisch, zulassen könnten; und daß, wie es, im somnambulen Hellsehn, eine Aufhebung der individuellen Isolation der Erkenntnis gibt, es auch eine Aufhebung der individuellen Isolation des Willens geben könne.„ Arthur Schopenhauer, Über den Willen in der Natur [1836/54]. Sämtliche Werke (Anm. 70), III, 299-479, hier: 437.

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  51. Vgl. V 349. Der Hinweis auf den „Spiritual Telegraph„ fehlt noch in der ersten Auflage des Textes von 1851 und geht auf einen von Schopenhauer in seinem Handexemplar gemachten Zusatz zurück. Für eine Lektüre von Kants Opus postumum im Zusammenhang mit Soemmerrings Telegraph vgl. Bernhard Siegert, „Das trübe Wasser der reinen Vernunft. Kantische Signaltechnik„, in: Joseph Vogl (Hrsg.), Poetologien des Wissens um 1800, München 1999, 53–68.

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  52. Zu Reils dynamischer Hirnphysiologie vgl. Michael Hagner, Homo Cerebralis — Der Wandel vom Seelenorgan zum Gehirn [1997], Frankfurt a.M. 2000, 157–170.

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  53. Johann Christian Reil, „Ueber die Eigenschaften des Ganglien-Systems und sein Verhältnis zum Cerebral-System“, Archiv für die Physiologie 7 (1807), 189–254, hier: 210. Vgl. hierzu auch Hagner (Anm. 85), 162.

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  54. Zur konstitutiven Rolle von spiritistischen, am Ende des neunzehnten Jahrhunderts formulierten Theorien des ‚Fernsehens in Raum und Zeit ‘für die gleichzeitige Entstehung des technischen Mediums vgl. Stefan Andriopoulos, „Okkulte und technische Television“, in: Stefan Andriopoulos, Bernhard J. Dotzler (Hrsg.), 1929. Beiträge zur Archäologie der Medien, Frankfurt a.M. 2002, 31–53.

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  55. Der Vorbehalt, mit dem Schopenhauer an dieser Stelle formuliert, wird bereits drei Seiten später fallengelassen, als Schopenhauer noch einmal die Überwindung des Raums und der Zeit in der Fern Wirkung als eine „zunächst so unerwartete wie sichere faktische Bestätigung der Kantischen Grundlehre vom Gegensatz der Erscheinung und des Dinges an sich„ (V 321) bezeichnet. Vgl. ebenso V 362f.: „Diesem zufolge ist […] das Hellsehn eine Bestätigung der Kantischen Lehre von der Idealität des Raumes, der Zeit und der Kausalität“. Daß die „Sympathie der Seele„ die „Schranken von Raum und Zeit„ überwinde, behauptet auch F. Korn, Die Existenz der Geister und ihre Einwirkung auf die Sinnenwelt; psychologisch erklärt und historisch begründet, Weimar 1841, 40.

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  56. Vgl. ebenso Dietrich Georg Kieser, System des Tellurismus oder thierischen Magnetismus. Ein Handbuch fuer Naturforscher und Aerzte, 2 Bde., Leipzig 1822, II, 66.

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  57. Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst. Eröffnungen über das innere Leben des Menschen und über das Hereinragen einer Geisterwelt in die unsere, Stuttgart, Tübingen 1829.

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  58. Charles Bonnets Darstellung der Regenerationsfähigkeit von Polypen dient bereits in Schillers Briefen über die ästhetische Erziehung (1795) als Modell einer organischen Verbindung von Individuum und Ganzem: „Jene Polypennatur der griechischen Staaten, wo jedes Individuum eines unabhängigen Lebens genoß, und wenn es Not tat, zum Ganzen werden konnte, machte jetzt einem kunstreichen Uhrwerke Platz„. Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen [1795]. Werke und Briefe in zwölf Bänden, hrsg. Otto Dann u.a., Frankfurt a.M. 1992, VIII, 556–676, hier: 572.

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  59. Johann Gottlieb Fichte, Einleitungsvorlesungen in die Wissenschaftslehre [1813]. Sämmtliche und Nachgelassene Werke, hrsg. I. H. Fichte, Berlin 1971 (Nachdruck), IX, 1–102, hier: 4.

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  60. G.W F. Hegel, Phänomenologie des Geistes. Werke in 20 Bänden, hrsg. Eva Mol- denhauer und K.M. Michel, Frankfurt a.M. 1986, III, hier: 65 und 55, Zitate nach dieser Ausgabe im Folgenden im fortlaufenden Text unter der Sigle PhG.

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  61. G.W.F. Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie [1801]. Werke in 20 Bänden (Anm. 102), II, 9–115, hier: 42f.

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  62. Vgl. Johann Heinrich Lambert, Phänomenologie oder die Lehre vom Sehe [1764]. Neues Organon, hrsg. Günter Schenk, 2 Bde., Berlin 1990, II, 643–836, hie 665. Auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Hegels und Lamberts Phänomem logie macht auch Friedrich Kittler aufmerksam — vgl. Optische Medien. Berliner Vorl sung 1999, Berlin 2002, 123.

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  63. Zu Hegels Konzeptualisierung des animalischen Magnetismus in der Enzyklopädie der Wissenschaften vgl. auch John H. Smith, „Sighting the Spirit: The Rhetorical Visions of Geist in Hegel’s Encyclopedia“, in: David Michael Levin (Hrsg.), Sites of Vision: The Discursive Construction of Sight in the History of Philosophy, Cambridge, Mass. 1997, 240–265.

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  64. Die Phantasie eines „unmittelbaren“, gleichsam prämedialen Sehens findet sich auch in Schellings Ueber den Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt (1810), in dem Schelling das Geisteroder Hellsehen als „eine Art bilderlosen Anschauens„ beschreibt. F.W.J. Schelling, Ueber den Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt. Ein Gespräch [1810]. Werke, hrsg. Manfred Schröter, Vierter Ergänzungsband, München 1959, 103–212, hier: 167 (Originalpaginierung: IX, 65).

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  65. Vgl. hierzu Joachim Ritter, Hegel und die französische Revolution, Frankfurt a.M. 1965.

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  66. Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente Frühjahr his Herbst 1884. Kritische Gesamtausgabe, hrsg. Giorgio Colli, Mazzino Montinari, Berlin 1967ff, VII/2, 251.

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Ich danke Hubertus Breuer, Andreas Huyssen, Sarah Pourciau und Leander Scholz für ihre Anmerkungen und Verbesserungsvorschlage. Abschnitte des ersten Teils dieses Aufsatzes überschneiden sich mit einem Konferenzvortrag, der in dem Sammelband Kollektive Gespenster. Die Masse, der Zeitgeist und andere unfaßbare Körper, hrsg. Michael Gamper, Peter Schnyder erscheinen wird. Mein Dank gilt auch den Teilnehmern eines von David Wellbery organisierten Kolloquiums an der University of Chicago für eine außerordentlich intensive und produktive Diskussion über den Aufsatz

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Andriopoulos, S. Die Laterna magica der Philosophie Gespenster bei Kant, Hegel und Schopenhauer. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 80, 173–211 (2006). https://doi.org/10.1007/BF03374630

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