Vorbemerkungen

Wenn eine kongenitale Hüftdysplasie nach Abschluss des Wachstums eine Restdysplasie oder sogar eine Hüftsubluxation hinterlässt, entwickeln betroffene Patienten häufig bereits in der dritten Lebensdekade therapieresistente Schmerzen.

Analysiert man die verbliebenen knöchernen Formfehler der Hüfte, so findet man eine zu steile und oft flache Pfanne, die fast immer, aber nicht ausschließlich mit einer Anteversion des Azetabulums und häufig mit einer Coxa valga antetorta vergesellschaftet ist. Alle genannten Komponenten tragen dazu bei, dass sich die Hüfte instabil verhält, örtlich überlastet ist [12] und am Pfannenrand geschädigt wird [6, 19]. Das Ziel einer operativen Therapie muss sein, die Hüfte zu zentrieren, die auf das Gelenk wirkende Last besser zu verteilen und den Pfannenrand zu entlasten. Hierzu können reorientierende Beckenosteotomien [5, 7, 15, 21] und femorale Umstellungsosteotomien verhelfen, deren differente und sich teilweise ergänzende Wirkungsweise in Abb. 1 dargestellt ist.

Abb. 1
figure 1

Wirkungsweise der Beckenosteotomie, der intertrochantären Varisation und der Doppelosteotomie (errechnet nach [12] für den Einbeinstand). a Die alleinige Beckenosteotomie entlastet die Hüfte nicht, verteilt jedoch die Last und zentriert passiv. b Die alleinige Varisation entlastet und zentriert die Hüfte aktiv, verteilt jedoch die Last nicht. c Die Doppelosteotomie entlastet und zentriert die Hüfte und verteilt die Last. Wh auf die Hüfte wirkendes Körperteilgewicht, Fmh=Fmt Abduktorenmuskulatur, Rh hüftresultierende Kraft, Rt trochanterresultierende Kraft, Fh hüftzentierende Kraft, Fv vertikal wirksame Hüftkraft

Die Anwendung der Originalmethode beim Erwachsenen und deren Ergebnisse wurden von Robert Salter 1983/84 [14, 15] detailliert beschrieben und die Ergebnisse von weiteren Autoren bestätigt [1, 2, 11, 22].

Im Vergleich zu frühen Darstellungen der Originalmethode [7, 13, 14, 15] werden in der vorliegenden Arbeit folgende Modifikationen beschrieben:

  • horizontale Lagerung auf kippbarem, röntgendurchlässigem Operationstisch,

  • Spanentnahme proximal der Spina iliaca externa,

  • Ausführen des Salter-Manövers bei gekipptem Tisch,

  • Sicherung der Fragmente durch einen Führungsdraht,

  • Feinkorrektur des Azetabulums in horizontaler Lage unter Bildwandlerkontrolle,

  • nachträgliches Einfalzen des schwalbenschwanzartig zubereiteten Keils,

  • Sicherung der Fragmente durch mediale Zugschraube.

Damit einhergehend, wird eine ausführlichere präoperative Diagnostik vorgeschlagen. Entsprechend neueren, grundlegenden Arbeiten vor allem von französischen Anthropologen und Wirbelsäulenchirurgen [8, 9] sollte in Zukunft die spinopelvine und pelvinoazetabuläre Balance und damit der Zusammenhang zwischen Beckenkippung, Beckenante‑/retroversion und azetabulärer Ante‑/Retroversion vermehrt beachtet werden.

Operationsprinzip und -ziel

Das Os ileum wird an seiner schmälsten Stelle vollständig osteotomiert und das distale Fragment mit Hilfe des Salter-Handgriffs in dreidimensionaler Weise nach lateral und ventral geschwenkt. Drehpunkt ist hierbei die Symphyse oder eine durch den Handgriff erreichte symphysennahe, osteoklastisch erzeugte Fraktur des Sitz- und Schambeins. Nach medialseitiger Fixation und Feinkorrektur wird ein schwalbenschwanzartig zugearbeiteter autologer Beckenkammspan nachträglich in den keilförmig klaffenden Osteotomiespalt eingefalzt und fixiert. Ziel der beschriebenen Modifikationen ist, die Reorientierung der Pfanne präziser und sicherer zu gestalten, als dies mit der Originalmethode durchführbar ist. Es sollte möglich sein, ähnliche Korrekturergebnisse zu erreichen, wie diese nach alternativen, deutlich komplexeren Beckenosteotomien berichtet werden [5, 21].

Vorteile

  • Im Vergleich zu konkurrierenden Verfahren technisch einfachere Methode bei ähnlichem Korrekturpotenzial

  • Deutlich kürzere Lernkurve

  • Vom Hautschnitt bis zum Wundverschluss vollständige Einsichtnahme in den Operationssitus für den Operateur und die Assistenz

  • Überkorrekturen in der Frontalebene kaum möglich

  • Begleitende Gelenkarthrotomie und Labrumchirurgie ohne Erweiterung des Zugangs möglich

  • Geringe Gefährdung motorischer Nerven und Gefäße

  • Problemlose Materialentfernung

  • Kosmetisch günstige Schnittführung („Bikini“-Schnitt)

  • Aktive Mobilisierung unmittelbar postoperativ möglich

Nachteile

  • Keine Korrektur einer begleitenden Pfannenretroversion möglich

  • Verlängerung des Beins um ca. 1 cm, dadurch:

    • Kurzzeitig vermehrte Spannung der gelenküberbrückenden Muskulatur

  • Überkorrektur der azetabulären Anteversion möglich

  • Klinisch inapparente Verlagerung des Hüftgelenkdrehpunkts nach lateral

  • Korrekturverlust durch Spansinterung denkbar

  • Einengung des Geburtskanals möglich

  • Gefährdung des N. cutaneus femoris lateralis

  • Temporäre postoperative Beugeschwäche durch Schwächung des M. psoas

Indikationen

  • Symptomatische Hüftdysplasien und Hüftsubluxationen von Patienten/innen jenseits des Wachstumsabschlusses bis zum Alter von 50 Jahren

  • Pathologisch steile Pfannen in der Frontalebene mit Inklinationswinkeln nach Ullmann-Sharp bis 55°, in Einzelfällen (bei wenig ausgewälzter Pfanne) darüber (exemplarisch dargestellt in den Abb. 16 und 17a–c)

  • Normale oder pathologische azetabuläre Anteversion (Abb. 2 und 3)

  • Zu erwartende postoperative Gelenkkongruenz (Simulationsaufnahme)

Abb. 2
figure 2

Spinopelvine Balance. a Bezugspunkte/-linien zur Vermessung in der seitlichen Beckenübersicht: Die Mittelpunkte der ungleich groß erscheinenden Hüftköpfe werden markiert, die Verbindungslinie beider wird gemittelt. Dies ergibt einen gemeinsamen virtuellen Hüftdrehpunkt. Es wird ein Lot auf den virtuellen Hüftdrehpunkt gestellt und eine Parallele zur Sakralbasis gelegt, die sich mit einer eingezeichneten Körperhorizontalen schneidet. Dann wird eine Senkrechte auf die Mitte der Sakralbasis gelegt und die Mitte der Sakralbasis mit dem Hüftkopfdrehpunkt verbunden. b Die sakrale Kippung („sacral slope“ [SS]; Normwert 41,18° ± 6,96; [8]) vermisst sich zwischen der Parallele zur Sakralbasis und der Körperhorizontalen. Die pelvine Ante‑/Retroversion („pelvic incidence“ [PI], Normwert 53,13° ± 9,04; [8]) vermisst sich zwischen der Geraden, die senkrecht und mittig auf die Sakralbasis trifft und einer Geraden, die von dort auf den Hüftdrehpunkt zielt. Die pelvine Beckenkippung („pelvic tilt“ [PT], Normwert 11,96° ± 6,44; [8]) spannt sich zwischen dem Lot auf den Hüftdrehpunkt und der Verbindungslinie von Sakralbasismitte zum Hüftdrehpunkt aus. Die sakrale Kippung (SS) und die pelvine Kippung (PT) sind haltungsabhängig veränderbar, die pelvine Ante‑/Retroversion (PI) misst die Verwindung des Beckens in sich und ist damit haltungsunabhängig

Abb. 3
figure 3

Spinopelvine und pelvinoazetabuläre Variablen der kongenitalen Hüftdysplasie. a Die spinopelvine Balance ist normal bei unauffälliger sakraler und pelviner Kippung, pelviner Ante‑/Retroversion und normaler azetabulärer Ausrichtung (sakrale Kippung [SS], pelvine Kippung [PT], pelvine Ante‑/Retroversion [PI] und „anterior center edge“ [ACE] normal): Die Pfannenschwenkung muss rein nach lateral erfolgen. b Die spinopelvine Balance ist normal, die Hüftpfanne ist antevertiert (SS, PI, PT normal, ACE erniedrigt): Die Pfannenschwenkung erfolgt nach ventrolateral. c Die spinopelvine Balance ist normal, die Hüftpfanne ist retrovertiert (SS, PI, PT normal, ACE erhöht; zusätzliche Zeichen der Retroversion in der Beckenübersicht): Selten vorkommend, an der Diagnose einer kongenitalen Hüftdysplasie muss gezweifelt werden; Kontraindikation zur modifizierten Salter-Osteotomie, die nicht nach dorsolateral schwenken kann. d Es besteht eine pelvine Retroversion, die mit einer sekundären Pfannenretroversion einhergeht (SS normal, PI und PT erniedrigt, ACE erhöht): Selten vorkommend, an der Diagnose einer kongenitalen Hüftdysplasie muss gezweifelt werden; Kontraindikation zur modifizierten Salter-Osteotomie, die nicht nach dorsolateral schwenken kann. e Es besteht eine sakrale und pelvine Verkippung (z. B. im Rahmen einer Hüftbeugekontraktur, Hüftextensionsschwäche oder pathologischen Wirbelsäulenform) bei normaler pelviner Ante‑/Retroversion (SS erhöht, PI normal, PT erniedrigt, ACE erhöht, normal oder erniedrigt): Sämtliche sekundären azetabulären Versionen (retrovertiert, normal, antevertiert) sind möglich; ergänzende WS-Ganzaufnahme mit Bestimmung der „Plumb-line“ erforderlich. Abwägung der Operationsindikation mit eventueller vorangehender operativer Therapie der Primärpathologie und anschließender Neuvermessung

Kontraindikationen

  • In der Sagittalebene: begleitende azetabuläre Retroversion diverser Genese (Abb. 2 und 3)

  • Gelenkinkongruenz in der Simulationsaufnahme

  • Erkernahe Gelenkspaltverschmälerung um mehr als die Hälfte des Normalwerts

  • Relative Kontraindikation: Verlängertes Bein der betroffenen Seite; zusätzliche femorale Varisation und/oder Verkürzung indiziert

Patientenaufklärung

  • Für Osteotomien allgemeingültige Risiken wie Thrombose, Embolie, Infekt und Blutung; mutmaßlich geringes Thrombose- und Lungenembolierisiko

  • Zugangsspezifische Risiken: Verletzung von Gefäßen (A./V. gluteae superiores, Rami inferiores) und Nerven (N. cutaneus femoris lateralis, häufig mit verbleibender Taubheit; N. femoralis; N. ischiadicus); temporäre postoperative Beugeschwäche durch Schwächung des M. psoas

  • Osteotomiespezifische Risiken: Spansinterung mit Korrekturverlust, fehlende Spaneinheilung, Fragmentdislokation mit Gewindestabausbruch, röntgenkosmetisch auffällige Hyperostosen am Ort der Spanentnahme

  • Postoperativer Krückengang für 8–12 Wochen erforderlich

  • Rehabilitationsphase bestens 3, maximal 6 Monate

  • Metallentfernung innerhalb dieser Rehabilitationsphase als Kleineingriff unter Generalanästhesie

Operationsvorbereitungen

  • Klinische Vermessung der Beinlängendifferenz im Stehen

  • Röntgenologisches Tripel (entsprechend der Abb. 2a und 4a, b):

    • Beckenübersicht im Stehen mit unterlegten Brettchen entsprechend der klinisch gemessenen Beinlängendifferenz

    • Faux-profil-Aufnahme [10] der betroffenen Hüfte, fakultativ der Gegenseite

    • Seitliche Aufnahme des gesamten Beckens samt untere Lendenwirbelsäule (LWS), entweder in EOS-Technik oder radiologisch-konventionell zur Vermessung der spinopelvinen Balance [8, 17]

  • Fakultativ: Bei fraglich zu erwartender postoperativer Gelenkinkongruenz Simulationsaufnahme in leichter Flexion, 30°-Abduktion und 20°- bis 25°-Innenrotation [14, 15]

  • Fakultativ zum Indikationsausschluss: Bei fraglicher begleitender Retroversion Computertomographie (CT) zur Bestimmung der Pfannen-Ante‑/Retroversion; hohe Strahlenbelastung. Eine analoge Vermessung mittels Magnetresonanztomographie (MRT) ist zu ungenau.

Abb. 4
figure 4

a Normwertige Hüfte rechts und symptomatische Hüftsubluxation links bei einer 18-jährigen Frau. Beckenübersicht im Stand mit unterlegten Brettchen zum Beinlängenausgleich. Der Pfannenneigungswinkel zur Seite (LA „lateral acetabular angle“) nach Ullmann-Sharp [17] spiegelt die Position der Pfanne in der Koronarebene wider. Normwerte nach [18]: 39 ± 4°. Der laterale Zentrum-Ecken-Winkel (LCE „lateral center edge angle“) nach Wiberg [24] beurteilt die seitliche Überdachung des Hüftkopfs. Normwerte nach [23]: 33,6 ± 5,4°. b Faux-profile-Aufnahme nach Lequesne und de Sèze [10]. Vermessen wird der anteriore Zentrum-Ecken-Winkel (ACE „anterior center edge angle“), der die sagittale Überdachung des Hüftkopfs quantifiziert. Normwerte nach [3]: Frauen 33,1 ± 7,9°, Männer 32,7 ± 7,9°

Instrumentarium

  • Alle zur Beckenosteotomie benötigten Instrumente sind in Abb. 5 dargestellt

  • Als Besonderheit werden seitendifferent anzuwendende Rang-Retraktoren [20] genutzt, welche die Incisura ischiadica major darstellen und den Operationssitus beim Durchtrennen des Os ileum weit öffnen (Original-Bezugsquelle: Jantek Engineering Inc., Paso Robles, CA, USA; deutsche Bezugsquelle mit Wiederaufbereitungsanleitung: Fa. Scholz Instruments, Neubiberg, Deutschland)

  • Gewindestäbe mit durchgehendem Gewinde 4 mm/170 mm (Bestell-Nr. 170/4), 5 mm/170 mm (Bestell-Nr. 170/5), 5 mm/25 mm Trokarspitze (Bestell-Nr. 250/5/DG; Fa AKULA Medizintechnik GmbH, Lauf an der Pegnitz, Deutschland)

  • Zugehöriger Bolzenschneider (Bestell-Nr. LX164R)

Abb. 5
figure 5

Instrumentarium zur modifizierten Salter-Innominatum-Osteotomie. Als Spezialinstrumentarium werden Rang-Retraktoren [20] und spezielle Gewindestäbe benötigt

Anästhesie und Lagerung

  • Exakt horizontale Lagerung des Patienten auf auch randständig röntgendurchlässigem Operationstisch, der während der Operation eine Seitwärtskippung von 20–30° erlaubt

  • Randständige Positionierung des Patienten, zur Operationsseite hin verlagert. Gegenstützen zur Operationsseite an Becken und Thorax

  • Das Bein wird voll beweglich abgedeckt mit zusätzlicher Opsite-Folie über dem Operationsgebiet, die ein Lösen der Abdeckung verhindert

  • Intubationsnarkose, postoperativ kontinuierliche Spinal- oder Periduralanästhesie

Operationstechnik

Abb. 678910111213

Abb. 6
figure 6

Bei waagrecht gestelltem Operationstisch und gestrecktem Bein bogenförmiger Hautschnitt (rot gestrichelte Linie), der ca. 1 cm kaudal des Beckenkamms und parallel zu diesem verläuft, genau mittig zwischen der tastbaren Spina iliaca anterior superior und der in der Tiefe liegenden Spina iliaca anterior inferior kreuzt und leicht distal des Leistenbands zur Symphyse reicht. Weites Mobilisieren der subkutanen Schicht, bis der Beckenkamm und dessen inserierende Muskulatur sowie die noch geschlossene Sartoriusloge identifizierbar sind

Abb. 7
figure 7

Längsspalten der Sartoriusloge. Aufsuchen und Mobilisieren des N. cutaneus femoris lateralis, der auf einer Länge von 7–8 cm freigelegt wird. Mobilisieren des M. sartorius von seinem lateralen Rand her und Weghalten beider Strukturen nach medial mit Langenbeck-Haken. Scharfes Längsspalten des Darmbeinperiosts, beginnend 10 cm kranial der Spina iliaca anterior superior, an dieser umknickend in die Tiefe zur Spina iliaca anterior inferior. Sorgfältiges und vollständiges Ablösen des Darmbeinperiosts mit einem Cobb-Rasparatorium. Der Ursprung des Leistenbands an der Spina muss hierbei zusätzlich scharf mit dem Messer abgelöst werden

Abb. 8
figure 8

Kippung des Tischs um 20–30° zur Gegenseite. Subperiostales Einführen von Hohmann-Hebeln, die das Darmbein umgreifen und in der Incisura ischiadica des Foramen ischiadicum majus zusammengeführt werden. Zunehmendes Spreizen der Hohmann-Hebel und großflächiges Abschieben noch verbliebenen Darmbeinperiosts. Darstellen der Rektussehne auf einer Länge von ca. 8 cm und Längsspalten der Faszie (Fascia iliopsoica), die den medialen Rektusrand an die Iliopsoasloge fesselt (rot gestrichelte Linie). Adduktion des Beins, sodass die Lacuna musculorum gut einsichtig ist. Wegrollen des M. psoas und Aufsuchen der Psoassehne mit gebogener Overholt-Klemme. Diese wird mit der Spitze nach unten eingeführt, drängt den Muskelbauch nach medial weg, unterfährt die Sehne des M. psoas und hebt sie höher ins Operationsgebiet. Durchtrennung der Psoassehne unter Sicht

Abb. 9
figure 9

Der Operationssitus wird nach kranial verlagert, sodass der Beckenkamm auf einer Länge von 8 cm innen- und außenseitig einsehbar ist. Der Beckenkamm bleibt auf einer Strecke von der Spina iliaca anterior superior bis 2 cm kranial davon unangetastet. Im Anschluss wird ein 20°-, bei hohem Korrekturbedarf ein bis zu 30°-Knochenkeil gewonnen (Pfeil). Dieser wird so geschnitten, dass sich alle Flächen plan und spongiös darstellen. Die Spitze des Keils wird mit einem schmalen Luer schwalbenschwanzartig eingekerbt

Abb. 10
figure 10

Die Incisura ischiadica major wird von lateral her ertastet, dann wird ein mit einem kräftigen Faden armierter Dechamps von lateral her durch das Foramen ischiacum majus gedrückt. Operiert man die linke Hüfte, benötigt man einen Dechamps, der im Uhrzeigersinn dreht. An der rechten Hüfte wird ein Dechamps benutzt, der im Gegenuhrzeigersinn geführt wird. Ein auf der Gegenseite positionierter Assistent adduziert das Bein und drückt den M. iliopsoas weg, sodass die Spitze des Dechamps sichtbar wird. Das Fadenende wird mit einer Kocher-Klemme geborgen und aus dem Operationsgebiet gezogen und der Dechamps beiseitegelegt. Eine kräftige Gigli-Säge wird am innenseitig befindlichen Fadenende angeknüpft und an ihrem Ende um 30° gebogen. Die Gigli-Säge wird durch die Incisura ischiadica major nach außen geführt sowie innen und außenseitig mit Griffen versehen. Es werden die Rang-Retraktoren in die Inzisur eingelegt und soweit gespreizt, dass sie einen Sägewinkel von 90° ermöglichen. Das Os ileum wird mit der Gigli-Säge in ruhigen Zügen ohne stärkeren Druck exakt in der Horizontalebene von dorsal nach ventral durchtrennt (Osteotomieebene rot gestrichelt)

Abb. 11
figure 11

Das proximale Fragment wird mit einer Beckenfasszange armiert und vom Assistenten in Position gehalten. Das distale Fragment wird an der Spina iliaca anterior inferior mit 2–3 kräftigen Tuchklemmen weichteilig gefasst und ca. 1 cm nach lateral gezogen. Dann wird die Hüfte gebeugt und abduziert, das Knie gebeugt und der Fuß über den gegenseitigen Oberschenkel gelegt. Mit deutlichem Impuls wird entsprechend (c) der Salter-Handgriff ausgeführt, wobei, wie in der Zeichnung (a) und der radiologischen Darstellung (b) dargestellt, der Osteotomiespalt keilförmig aufklappt. Die Kraft hierzu wird einesteils durch dosierten Zug an den geschlossenen Tuchklemmen, andernteils durch den Zug der stark gespannten Rectus-femoris-Sehne erzeugt. Mit deutlichem Impuls wird entsprechend c der Salter-Handgriff ausgeführt, wobei, wie in a und der radiologischen Darstellung b dargestellt, der Osteotomiespalt keilförmig aufklappt

Abb. 12
figure 12

Der Operationstisch wird nun exakt horizontal gestellt. Die mit dem Salter-Handgriff erreichte Position wird beibehalten. Es wird ein Hohmann-Hebel eingesetzt, der die mediale ovaläre Schnittfläche des distalen Osteotomiefragments in vollem Umfang darstellt. Das distale Osteotomiefragment muss leicht lateralisiert sein und sich mit dem proximalen Fragment verkeilen („kissing fragments“). Die erreichte Position wird gesichert, indem entsprechend (a) und der radiologischen Darstellung (b) von der erhaltenen Spina iliaca anterior superior her der Führungsdraht einer 7,5 mm durchbohrten Schraube durch das proximale Fragment in die sichtbare ovaläre Schnittfläche des distalen Osteotomiefragments vorgetrieben wird. Die Drahtspitze soll vorerst nur 10 mm tief ins distale Fragment eintauchen. Erstmals wird ein Bildwandler über die exakt a.-p.-positionierte Hüfte geschoben. Es erfolgt nun die Feinkorrektur der Pfanne zum erwünschten Ausmaß. Gelegentlich kann es hierbei hilfreich sein, die Osteotomiefragmente außenseitig mit einem Knochenspreizer aufzuweiten. Der gesetzte Führungsdraht wird 4–5 cm tiefer vorgeschoben. Der vorbereitete Knochenkeil wird so eingefalzt, dass die Nut an seiner Spitze den im Osteotomiespalt sichtbaren Führungsdraht umfasst (Pfeil). Entlang des Führungsdrahts wird eine mit einer Beilagscheibe armierte durchbohrte Zugschraube eingebracht, die die Fragmente und die Keilspitze aneinanderpresst. Lateral der Zugschraube und parallel zu ihr werden zwei weitere Gewindestäbe mit einem Durchmesser von 5 mm, bei zierlichen Patienten von 4 mm, gesetzt, die ein Sintern des Keils verhindern. Sie werden soweit vorgetrieben, dass sie entsprechend der radiologischen Darstellung (c) nahe an das Azetabulum heranreichen

Abb. 13
figure 13

Die Enden der Gewindestäbe werden mit einem Bolzenschneider abgetrennt. Zwei Wunddrainagen werden eingelegt. Eine wird entlang der Beckeninnenseite, die zweite auf der Außenseite bis ins Foramen ischiadicum vorgeschoben und kranial des Operationssitus ausgeleitet. Die Hüfte wird nun 80–90° angebeugt, sodass sich das gespaltene, unter Spannung stehende Darmbeinperiost samt den inserierenden Muskelrändern zusammenführen lässt. In Höhe der Spina iliaca superior beginnend, bis hin zum proximalen Endpunkt der Periostspaltung werden im Abstand von 1,5 cm Fäden der Stärke 1,0 vorgelegt. Der Assistent spannt den zweiten gelegten Faden über Kreuz und gibt hiermit dem Operateur die Möglichkeit, den ersten Faden spannungsfrei und sicher zu knüpfen. Der Assistent übergibt den zweiten Faden dem Operateur und spannt den dritten Faden, sodass der Operateur den zweiten Faden sicher knüpfen kann. Dieses Prozedere wird bis zum letzten zu knüpfenden Faden im proximalen Wundwinkel fortgeführt. Das Bein wird nun im Knie untergelegt, sodass die Hüfte 30° gebeugt bleibt. Dann wird der Verlauf des N. cutaneus femoris lateralis in der Sartoriusloge kontrolliert und die Sartoriusloge mit Einzelknopfnähten verschlossen, ohne den Nerv zu verletzen. Abschließender Wundverschluss mit Subkutan- und Hautnaht. Die Hüfte verbleibt 30° gebeugt. Diese Position wird auch bei der Umlagerung ins Bett beibehalten. Im Bett erhält der Patient eine Schiene, die die Beugestellung fortführt

Besonderheiten

(Abb. 14, 15, 16, 17)

  • Auf das in Abb. 12 beschriebene und in den Abb. 17b, c erkennbare Setzen der Zugschraube kann verzichtet werden, wenn sich die beiden Osteotomiefragmente nach durchgeführtem Salter-Handgriff medial bereits stabil verkeilen. Dann kann sofort der erste von drei Gewindestäben eingetrieben werden, wie dies in den Abb. 15a, b zu erkennen ist. Dies verkürzt die Operationszeit, ohne mit Nachteilen einherzugehen.

  • Bei abnormal weniger oder stärker ausladendem Os ileum kann es schwierig sein, die beiden letzten Gewindestäbe entsprechend der Abb. 12 vom Kamm der erhaltenen Spina iliaca externa her ins Ziel zu bringen. Die Lamina externa bzw. interna des proximalen Osteotomiefragments wird dann mit einem kleinen Meißel eröffnet und durch die geschaffene Öffnung gepeilt.

Abb. 14
figure 14

Präoperativer Röntgenstatus einer 22-jährigen Frau mit kongenitaler Hüftdysplasie bds. Die symptomatische rechte Hüfte weist einen pathologischen Ullmann-Sharp-(LA-)Winkel von 45,5°, einen verminderten lateralen Zentrum-Ecken-(LCE-)Winkel nach Wiberg von 16,0° und einen anterioren Zentrum-Ecken-(ACE-)Winkel nach Lequesne und de Sèze von 25,3° auf

Abb. 15
figure 15

Postoperativer Röntgenstatus der Patientin aus Abb. 14 vor Metallentfernung. Entsprechend des Abschnitts „Besonderheiten“ konnte auf das Setzen einer Zugschraube verzichtet werden. Der Ullmann-Sharp-(LA-)Winkel beträgt 36,1°, der laterale Zentrum-Ecken-(LCE-)Winkel 28,3° und der anteriore Zentrum-Ecken-(ACE-)Winkel 35,8°

Abb. 16
figure 16

Präoperativer Röntgenstatus einer 16-jährigen, skelettal ausgereiften Patientin mit schwerer beidseitiger kongenitaler Hüftsubluxation. Ullmann-Sharp-(LA-)Winkel rechts/links 53°/59° und lateraler Zentrum-Ecken-(LCE-)Winkel rechts/links −7°/−17°. Erkerdefekt links. Grenzindikation, sowohl die zu erwartende postoperative Gelenkkongruenz als auch das notwendige Korrekturausmaß betreffend. Standardmethode mit Zugschraube und zusätzliche intertrochantäre Varisation indiziert

Abb. 17
figure 17

Postoperativer Röntgenstatus der Patientin aus Abb. 16 vor Materialentfernung links und Zweiteingriff rechts. Der Ullmann-Sharp-(LA-)Winkel links beträgt 38°, der laterale Zentrum-Ecken-(LCE-)Winkel 23°. Damit sind die Werte um 21° respektive 40°(!) gebessert. Der linke anteriore Zentrum-Ecken-(ACE-)Winkel ist mit 23,6° im Normbereich, der rechte ACE-Winkel mit minus 36,5° schwer pathologisch

Postoperative Behandlung

  • Das Bein wird in einer Braun-Schiene so gelagert, dass das Bein 20°abduziert und außenrotiert ist, und die Hüfte sowie das Kniegelenk 20–30° gebeugt sind.

  • Sobald die Anästhesie abgeklungen ist, wird die Funktion des N. femoralis (Anspannen des M. quadriceps) und des N. ischiadicus (Anheben des Fußes) geprüft. Eine mehrere Tage bis wenige Wochen anhaltende Hüftbeugeschwäche ist auf die gewollte Tenotomie der Psoassehne zurückzuführen und nicht als Zeichen einer Femoralisparese zu deuten; sie persistiert über den genannten Zeitraum nicht.

  • Am 1. postoperativen Tag werden die Wunddrainagen gezogen.

  • Am 2. postoperativen Tag kann der Patient mithilfe der Physiotherapie den Transfer vom Liegen ins Sitzen und zurück üben.

  • Ab dem 3. postoperativen Tag beginnt der Patient, mit Gehwagen zu gehen. Er wird angehalten, Sohlenkontakt aufzunehmen und den Fuß abzurollen, ohne das Bein mit mehr als 5 kg zu belasten.

  • Ab Ende der 1. postoperativen Woche beginnt er, mit Unterarmgehstützen den 3‑Punkt-Gang zu erlernen; der Bodenkontakt bleibt weiterhin auf ca. 5 kg begrenzt.

  • Vor Entlassung wird eine Standardbeckenübersicht im Liegen durchgeführt.

  • Die Entlassung in eine stationäre oder ambulante Rehabilitation ist ab dem 10. postoperativen Tag möglich.

  • Eine weitere Standardbeckenübersicht wird 4 Wochen postoperativ im Liegen durchgeführt und mit den Voraufnahmen verglichen. In dieser sog. Konsolidierungskontrolle wird überprüft, ob die Position des Azetabulums und der eingebrachten Stäbe unverändert ist. Wenn ja, kann ab diesem Zeitpunkt mit halbem Körpergewicht belastet werden.

  • Eine weitere Beckenübersichtsaufnahme erfolgt 10 Wochen postoperativ; diese bestätigt in der Regel, dass der eingebrachte Span integriert ist. Die Stützkrücken können dann abtrainiert werden.

  • Die Physiotherapie wird fortgeführt, bis der Patient nicht mehr hinkt. Damit ist ab Ende des 4. postoperativen Monats zu rechnen. Bei gleichzeitig durchgeführten Umstellungsosteotomien am proximalen Femur verlängert sich die Rehabilitationsphase.

  • Die Zugschraube und die Gewindestäbe werden 12 Wochen postoperativ in Kurznarkose entfernt.

Fehler, Gefahren, Komplikationen

  • Unvorsichtiges und unvollständiges Ablösen des Darmbeinperiosts (Abb. 7): Verschluss der Wunde gelingt dann nur mühselig unter Mitnahme randständiger Muskulatur

  • Verletzung des N. femoralis beim Aufsuchen der Psoassehne in der Lacuna musculorum. Vorbeugung: Vorsichtiges Wegrollen des M. psoas, eindeutige Identifikation der Psoassehne und Durchtrennung unter Sicht

  • Blutung in Nähe der Incisura ischiadica beim Durchstecken des Dechamps oder beim Bergen des Fadens von dessen Spitze: Blutstillung mittels Elektrokoagulation ist in der Regel ausreichend

  • Die Aufklappbarkeit der Osteotomie steht und fällt mit ausgiebigem Weichteilrelease vor der Osteotomie (wie in Abb. 7 und 8 beschrieben); insbesondere muss die Faszie zwischen dem medialen Rektusrand und dem M. iliopsoas längsgespalten werden.

  • Das Salter-Manöver darf nicht zu zaghaft, sondern muss mit Impuls und gelegentlich zweimalig durchgeführt werden; eine dabei (hörbare) Osteoklasie des Sitz- und/oder Schambeins ist Inhalt der Methode. Bei korrekter Beugestellung des Hüft- und Kniegelenks sind der N. femoralis und der N. ischiadicus hierbei ungefährdet.

  • Die Osteotomiefragmente stehen medialseitig nicht aufeinander, das distale Fragment ist nicht nach lateral versetzt: Gefahr des Korrekturverlusts und der Fragmentdislokation mit zugehörigem Ausriss oder Brechen der Gewindestäbe. Vorbeugend: Striktes Vorgehen entsprechend der Abb. 11. Bei Eintreten einer Fragmentdislokation Revisionseingriff mit evtl. notwendigem Wechsel der Osteosynthesemethode (Plattenosteosynthese mit 3,5-mm-Reko-Platte)

  • Zu schwache Bohrmaschine beim Einbringen der Gewindestäbe: Gebrauch einer Pressluftbohrmaschine oder Vorbohren des Gewindestabkanals mit dünnerem Gewindestab

  • Zu kurzes Abtrennen der Gewindestäbe: Gefahr der mühsamen Materialentfernung

  • Zu stark überstehende Gewindestäbe: Gefahr der Entstehung einer schmerzhaften Bursitis oder Perforation der Haut

  • Versehentliche Überstreckung der Hüfte nach durchgeführter Operation, beim Umlagern oder im Bett: Gefahr der Femoralisüberdehnung

Ergebnisse

Die im Folgenden präsentierten Ergebnisse entstammen einer ausführlichen Studie, in der zusätzlich klinische Ergebnisse mittels WOMAC-Index (Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis), Harris-Hip-Score (HHS) und UCLA-Score (University of California, Los Angeles) dargestellt sind [16]: In dieser wurden 45 konsekutive Patienten (7 Männer, 38 Frauen, 49 Hüften) mit Hüftgelenkdysplasie und einem Mindestalter von 16 Jahren nachuntersucht. Das durchschnittliche Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Operation betrug 27,8 Jahre. Radiologisch wurden dabei u. a. die folgenden Winkel prä- und postoperativ bestimmt: Der Winkel nach Ullmann und Sharp (LA-Winkel; [17]), der laterale Zentrum-Ecken-Winkel nach Wiberg (LCE-Winkel; [24]) und der anteriore Zentrum-Ecken-Winkel nach Lequesne und de Sèze (ACE-Winkel; [10]).

Der LA-Winkel wurde von präoperativ 45,7° ± 4,2° (Spanne 37,5–58°) um 13,7° auf 32,0° ± 6,4° (Spanne 18–43°) verbessert (p < 0,001). Der LCE-Winkel war präoperativ 15,5° ± 9,3° (Spanne 7–36°) und verbesserte sich um 19,6° ± 1,0° auf 35,2° ± 10° (Spanne 15,1–56°; p < 0,001). Der ACE-Winkel nahm von präoperativ 28,9° ± 10,4° (Spanne 13,7–49,0°) um 8,6° ± 2,3° auf 37,5° ± 8,1° zu (Spanne 23,5–54,0°; p < 0,001).

Interventionsbedürftige Komplikationen der Clavien-Dindo-Klassifikation III [4] traten bei 7 Patienten auf. Die Einzelanalyse ergab 2 tiefe Infektionen, davon eine mit 2 Folgeoperationen (Fixateur externe, Plattenosteosynthese) funktionell befriedigend ausgeheilt, die zweite mit 2 Revisionen in leichter Dislokation mit persistierendem Trendelenburg-Zeichen ausgeheilt. Des Weiteren kam es zu 2 Pseudarthrosen, wovon eine nach Revision mit gutem Ergebnis ausgeheilt ist, die zweite persistiert. Eine Revision wurde von der Patientin bei subjektiv zufriedenstellendem Ergebnis und geplanter Schwangerschaft zurückgestellt. An der Pinaustrittsstelle traten 4 örtliche oberflächliche Infektionen auf, die nach Pinentfernung und kurzzeitiger Antibiose folgenlos ausheilten. Diese Komplikation trat nach Erkennen der Ursache (zu starker Überstand der Pins an der Austrittsstelle) nicht mehr auf. Zudem zeigten sich 2 Femoralisläsionen. Hiervon war eine inkomplett mit teilweiser Erholung und eine zweite im Revisionsverfahren entstanden, die sich vollständig zurückbildete. Eine vorübergehende Läsion des N. cutaneus ist dokumentiert; hier muss von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden.