Published December 1, 2017 | Version v1
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Kaffee. Lieber weniger heiß?

  • 1. CVUA Karlsruhe
  • 2. Coffee Consulate, Mannheim

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Fragt man Fachleute oder Verbraucher nach Einflussfaktoren auf die Kaffeequalität, werden in der Regel die Art, Varietät und Herkunft, Sortierung, schonende Röstung, frisches Mahlen und die Zubereitungsart benannt. Sehr selten wird aber die Trinktemperatur ins Spiel gebracht. Nach landläufiger Meinung ist der Kaffee ’je heißer, desto besser‘. Dieses Vorurteil muss ausgeräumt werden.
Brüh- und Trinktemperatur haben erheblichen Einfluss auf die sensorische Qualität des Getränks. Das Brühen sollte keinesfalls mit höheren Temperaturen als 92° C erfolgen, da darüber unerwünschte bittere und adstringierende Substanzen das Flavourprofil dominieren. Unterhalb von 70° C Brühtemperatur ist die Tasse dramatisch flach und wässrig, da insbesondere fettlösliche Substanzen und Aromen deutlich reduziert werden. Optimal ist der Bereich zwischen 85 und 92° C, wobei weitere Parameter wie Maschinentyp, Druck und Perkolationszeit zu beachten sind. Laut aktuellen eigenen Untersuchungsergebnissen von mehr als 300 Messungen in der Gastronomie in Süddeutschland liegt die Kaffeeserviertemperatur bei etwa 70 bis 80° C. Diese Temperatur ist als sehr hoch anzusehen und eine deutliche Abkühlung ist erforderlich. In einem Cuptasting haben wir einen identisch aufgebrühten Kaffee bei 62° C, 54° C und 45° C verkostet. Bei der höchsten Temperatur war die Gustatorik überhaupt nicht wahrnehmbar (die Rückmeldung von Schmerzrezeptoren überdeckt die der Geschmacksknospen). Bei 54° C war der Kaffee deutlich säurebetonter und fruchtiger. Das beste Flavourprofil wurde bei der niedrigsten Temperatur beschrieben. Hintergrund: Bei einem Cupping mit 45° C passt sich der Kaffee im Mundraum der Körpertemperatur an. Oberhalb von Fiebertemperaturen (42° C) sind Schmerzreaktionen und eine Reizung der Mundschleimhaut durch Proteindenaturierungen nicht auszuschließen.
Zu hohe Trinktemperaturen haben auch einen Effekt auf den menschlichen Körper. Untersuchungen aus Ländern, in denen Getränke sehr heiß konsumiert werden (wie Tee im Iran oder Mate in Südamerika), haben gezeigt, dass das Risiko, an Speiseröhrenkrebs zu erkranken, deutlich ansteigt. Die internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb ’sehr heiß‘ (ab 65°C) konsumierte Getränke als ’wahrscheinlich krebserregend für den Menschen‘ eingestuft. Somit liegt die getestete Serviertemperatur von Kaffee in Deutschland oberhalb dieser Schwelle für eine wahrscheinliche Krebserregung. Kaffee sollte bei geringeren Temperaturen konsumiert werden. Hierzu muss ein Paradigmenwechsel in der Gastronomie und bei Verbrauchern erfolgen hin zu ’je heißer, desto schlechter‘. Als erste Maßnahme könnte die Maschinen-Ausgabetemperatur auf unter 80° C begrenzt werden und die Serviertemperatur sollte unter 70° C liegen.

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Kaffee Lieber weniger heiß_2017-12_FS.pdf

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