Implementierung und Evaluation der Blockwoche „Methoden der Versorgungsforschung“ an der Medizinischen Fakultät Tübingen
Joachim Graf MA / Dipl.-Soz. Christine Emrich / Prof. Dr. med. Monika A. Rieger
Während in den Vereinigten Staaten (dem „Mutterland“ der Versorgungsforschung [8,13,16]) seit 2009 mehr als eine Milliarde US-Dollar in Forschungsprojekte investiert wurden, um die Versorgungsforschungskonzepte Comparative Effectiveness Research (CER) und Patient-Centered Outcomes Research (PCOR) im Forschungsalltag zu etablieren [3-7], befindet sich die Versorgungsforschung in Deutschland noch in einem frühen Entwicklungsstadium [8]. Zumindest in Baden-Württemberg besteht seit 2011 ein durch Landesmittel gefördertes Programm zur Förderung der Versorgungsforschung [17,18]. Auch hier wurde die Disziplin jedoch bisher noch nicht flächendeckend in Forschung und Lehre umgesetzt, bis heute wurde die Versorgungsforschung von den Medizinischen Fakultäten in Baden-Württemberg nicht als Pflichtfach in die Studienordnungen der Humanmedizin aufgenommen (Stand: Dezember 2013). Die Möglichkeiten, Versorgungsforschung im Studium zu verankern, sind daher begrenzt, zumal auch in dem 2003 in die Approbationsordnungen aufgenommenen Querschnittsbereich (QB) „Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystem, öffentliche Gesundheitspflege“ und in der sozialmedizinischen Lehre versorgungsforschungsrelevante Inhalte bisher kaum umgesetzt werden [9-12]. Es stellt sich daher die Frage, wie die Versorgungsforschung erfolgreich in das Medizinstudium implementiert werden kann, um zukünftige Ärztinnen/Ärzte und WissenschaftlerInnen für die Fragestellungen der Disziplin zu sensibilisieren. Neben dem QB und der sozialmedizinischen Lehre könnten entsprechende Lehrinhalte in den klinischen Fächern und im Rahmen einer Wahlpflichtveranstaltung (WPV) realisiert werden. Grundsätzlich sind die Anforderungen an eine Wahlpflichtveranstaltung an den baden-württembergischen Hochschulen unterschiedlich geregelt, in Tübingen wird (gemäß Studienordnung vom 6.5.2013) ein Mindeststundenumfang von 40 Unterrichtseinheiten gefordert.
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Erstveröffentlichungsdatum: 31.03.2015
Abstrakt: Implementierung und Evaluation der Blockwoche „Methoden der Versorgungsforschung“ an der Medizinischen Fakultät Tübingen
Hintergrund: Ergebnisse aus der Versorgungsforschung dienen im Gesundheitswesen zur Orientierung über Qualität, Therapiesicherheit, Nutzen und Nachhaltigkeit der Versorgung. Obwohl ihr im internationalen Forschungsdiskurs eine immer größere Bedeutung zukommt, hat sich die Disziplin im universitären Lehr- und Forschungebetrieb in Deutschland bisher nur unzureichend etabliert. So gehört das Fach bisher nicht zum üblichen Fächerkanon in den humanmedizinischen Curricula an deutschen Hochschulen. Mit dem Angebot der Blockveranstaltung „Methoden der Versorgungsforschung“, die für Studierende der Humanmedizin als Wahlpflichtveranstaltung angeboten wird, möchte die Koordinierungsstelle Versorgungsforschung / CoreFacility an der Medizinischen Fakultät Tübingen diese Lücke schließen. Material und Methoden: Die Blockveranstaltung wurde im Herbst 2011 als modulare Veranstaltung entwickelt und seit dem Jahr 2012 einmal jährlich angeboten. In den drei durchgeführten Veranstaltungen wurden die einzelnen Module der Blockwoche evaluiert, um die Zufriedenheit der TeilnehmerInnen mit dem Lehrkonzept zu überprüfen und Verbesserungspotentiale aufzuzeigen. Ergebnisse: In allen drei Durchläufen wurden die einzelnen Module gut bis sehr gut bewertet. Die Teilnehmenden wiesen deutlich darauf hin, dass die Veranstaltung aufgrund der hohen inhaltlichen und methodischen Relevanz in den regulären Studienplan aufgenommen werden sollte. Schlussfolgerungen: Nach dreimaliger erfolgreicher Durchführung und Evaluation der Veranstaltung kann die modularisierte Blockwoche als Möglichkeit beschrieben werden, methodische und inhaltliche Grundlagen der Versorgungsforschung ins Medizinstudium zu integrieren und angehende Mediziner für die Effectiveness-Forschung zu sensibilisieren. Das Lehrformat sollte auch zukünftig angeboten werden.
Abstract: Implementation and evaluation of the block week „methods of health services research“ at the Medical Faculty of Tübingen
Background: Results from health services research can be used in the health care system for orientation on quality, therapeutic safety, utility and sustainability of supply. Although it plays an increasingly important role in the internal research discourse, the discipline has been established inadequately in the German university teaching and research. So far, health service research ist not a part in the medical curriculum at German universities. We want to close this gap with offering the block course „methods of health services research“, which is offered for students in human medicine as an elective event. Materials and Methods: The block course was designed as a modular event in 2011 and offered once a year since 2012. In the three years, each module of the block week was evaluated to verify the satisfaction of the participants with the teaching concept and identify improvement potentials. Results: In all three runs, the individual modules were rated good to very good. The participants reported that the event should be included in the regular curriculum because of the high substantive and methodological relevance. Conclusions: After the third successful implementation and evaluation of the event, the modularized block week can be described as a successful way to integrate methodological and substantive foundations of health services research in the medical school and to sensitize prospective doctors for Effectiveness Research. The teaching format should also be offered in the future.
Schlüsselbegriffe
Blockwoche, Evaluation, Graduiertenakademie, Medizinstudium, Versorgungsforschung, Wahlpflichtfach
Literatur
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Zusätzliches
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