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DGHO-Studie liefert genaueste Onko-Planungsdaten

Dem Lehrsatz, dass es Sinn einer Prognose sei, nie einzutreten, ist das Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald unter Leitung ihres Geschäftsführenden Direktors, Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, nicht gefolgt. Anläss-lich der zweiten Auflage der „Deutschlandweiten Prognose der bevölkerungsbezogenen Morbiditätserwartung für häufige Krebserkrankungen. Auswirkungen auf die Versorgung“ präsentierte Hoffmann auf dem Hauptstadtkongress neben aktuellen Zahlen zur künftigen Entwicklung von Prävalenz und Inzidenz von Krebserkrankungen auch einen Vergleich zu seiner ersten Arbeit für die DGHO, der 2013 erschienenen Studie „Herausforderung demografischer Wandel. Bestandsaufnahme und künftige Anforderungen an die onkologische Versorgung”. Das Ergebnis: Die damalige Vorhersage für das Jahr 2020 – anhand der zu dieser Zeit vorhandenen Daten aus dem Jahr 2008 – stimmt verblüffend korrekt: bis auf gerade mal wenige Prozent!

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Erstveröffentlichungsdatum: 04.04.2019

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Dem Lehrsatz, dass es Sinn einer Prognose sei, nie einzutreten, ist das Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald unter Leitung ihres Geschäftsführenden Direktors, Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, nicht gefolgt. Anläss-lich der zweiten Auflage der „Deutschlandweiten Prognose der bevölkerungsbezogenen Morbiditätserwartung für häufige Krebserkrankungen. Auswirkungen auf die Versorgung“ präsentierte Hoffmann auf dem Hauptstadtkongress neben aktuellen Zahlen zur künftigen Entwicklung von Prävalenz und Inzidenz von Krebserkrankungen auch einen Vergleich zu seiner ersten Arbeit für die DGHO, der 2013 erschienenen Studie „Herausforderung demografischer Wandel. Bestandsaufnahme und künftige Anforderungen an die onkologische Versorgung”. Das Ergebnis: Die damalige Vorhersage für das Jahr 2020 – anhand der zu dieser Zeit vorhandenen Daten aus dem Jahr 2008 – stimmt verblüffend korrekt: bis auf gerade mal wenige Prozent!

>> „Die damalige Prognose ist ganz gut eingetroffen“, zeigte sich Hoffmann bei der Vorstellung der aktualisierten DGHO-Studie zum onkologischen Versorgungsbedarf anlässlich des Hauptstadtkongresses durchaus ein wenig stolz. Doch dafür gebe es, wie er ausführte, zum einen verschiedene Gründe, zum anderen hätte das aber auch verschiedene Konnotationen. Erstens bedeute die Genauigkeit der damaligen Vorhersage, dass die Demografie als solche tatsächlich der entscheidende Prädiktor für die Anzahl der zu erwartenden Krebsfälle sei. Das bedeutet: Weil die Gesellschaft immer älter wird, steigt damit bisher auch unaufhaltsam die Zahl der Krebsneuerkrankungen.
Die gute Nachricht und da irrte sich Hoffmann und sein Greifswalder Team bei der ersten Studie aus 2013 ein wenig: Weil es im Zeitverlauf erste Hinweise dafür gibt, dass vor allem durch therapeutische Fortschritte das Überleben besser wird, steigen die  Prävalenzen besonders bei jüngeren Patienten stärker, als damals vorausgesagt wurde. „Da tut sich in der Versorgung etwas“, meinte Hoffmann. Man könne auch relativ sicher sein, dass dieser Unterschied zugunsten der Überlebenszeit in den nächsten Jahren steigen werde. Insofern werde es künftig viel mehr prävalente Fälle geben, als auf Basis der Demografie vorausgesagt worden seien. Hoffmann: „Wir haben damit die Überlebenswahrscheinlichkeit eher pessimistisch eingeschätzt, dafür haben wir die Häufigkeit der Komorbiditäten eher unterschätzt.“
Dennoch seien beide Prognosen so gut, wie Prognosen selten möglich sind. Was auch wichtig ist, denn für die DGHO sind die Zahlenwerke wichtige Planungsdaten. Im Gegensatz zu anderen, vergleichbaren  Hochrechnungen nutzt die DGHO-Studie unterschiedliche Datenquellen wie Bevölkerungsregister und epidemiologische Krebsregister und modelliert die voraussichtliche Entwicklung bei wichtigen Kenngrößen wie Krebsneuerkrankungen und Prävalenzen bis auf Landkreisebene. „Dadurch werden sehr genaue und sehr differenzierte Aussagen zu den Trends bei der Krebsversorgung in Deutschland möglich, die sonst nicht ohne Weiteres ersichtlich wären“, betonte Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer, Vorsitzender der DGHO und Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik für den Bereich Onkologie, Hämatologie und Knochenmarktransplantation mit Sektion Pneumologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Dabei geht es für Hoffmann aber auch darum, ein solches Projekt zum einen frühzeitig, zum anderen auch langfristig, aber dennoch verlässlich genug planen zu können. Hoffmann: „Es geht darum, dass wir nicht, wie das so manches Mal im Gesundheitswesen passiert, erst anfangen zu planen, wenn das Problem schon da ist.“
Dazu muss man eben ziemlich genau wissen, wie hoch zum einen die Zahl der Neuerkrankungen (Inzidenz) sein wird, zum anderen, wie sich die Gesamtzahl der Menschen (Prävalenz) verändern wird, die mit Krebs leben, weil die Überlebenszeit mit einer Krebserkrankung glücklicherweise steigt. Doch ebenso geht es um die Betrachtung der zu erwartenden Zahl der Komorbiditäten, was eine neue und besonders wichtige Erkenntnis dieses Gutachtens ist. Laut Aussage dieser Analyse wird nicht nur die Anzahl der Krebspatienten insgesamt zunehmen, sondern auch die Anzahl derer, die gleichzeitig Erkrankungen wie Diabetes mellitus, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, koronare Herzerkrankungen, Adipositas oder Demenz aufweisen. All dies stellt schon heute, und umso mehr in Zukunft, ganz besondere Herausforderungen an individuelle Behandlungskonzepte und an professionelle, interdisziplinäre Versorgungsstrukturen.
Auf Grundlage der Bevölkerungsdaten der statistischen Landesämter ist eine deutliche Alterung der Bevölkerung erkennbar: Die Altersgruppen der über 60-Jährigen und der über 80-Jährigen in der Bevölkerung steigen überproportional an. Wenn man diese Aussage mit den Daten des Zentrums für Krebsregisterdaten (ZfKD), das epidemiologische Daten zu Krebsneuerkrankungen aus allen Bundesländern sammelt und aufbereitet, mit den zugehörigen tumor- und altersspezifischen Überlebensraten auf Landkreisebene verknüpft, können aus den absoluten Neuerkrankungszahlen die Prävalenzraten berechnet werden: Demnach werde die Anzahl der jährlichen Krebsneuerkrankungen in 2025 gegenüber 2014 rechnerisch um 52.720 Fälle auf 522.500 zunehmen, während die Prävalenz von Krebserkrankungen im gleichen Zeitraum rechnerisch um insgesamt 243.585 auf 2.846.400 Fälle wachsen wird.
In diesen Zahlen steckt schon eine gewisse Dramatik. Dabei geht es Hoffmann weniger um die Inzidenz, die im Vergleich zu heute um ein paar Tausend zunehmen wird, sondern mehr um die Gesamtzahl der Älteren in unserer Gesellschaft, die mit Krebserkrankungen leben und entsprechend gut versorgt werden müssen. Im Prognosezeitraum, der ab heute schon in wenigen Jahren erreicht sein wird, ist eine Zunahme von ungefähr vier Millionen über 60-Jähriger zu verzeichnen, darunter rund 1,6 Millionen über 80-Jährige – das ist eine 20 bis 30-prozentige Zunahme des Anteils der über 60-Jährigen gegenüber den Vergleichszahlen von 2014! Weil nun Krebs bei älteren einfach häufiger auftritt als bei jüngeren Menschen, wird diese Entwicklung ganz automatisch zu einem Anstieg der Zahl der von Krebs Betroffenen führen.
Wobei die Krebsarten nach Geschlecht unterschiedlich sind und auch etwas unterschiedlich zunehmen werden. Bei Männern treten vor allem Prostatakarzinom, Darmkrebs sowie Lungenkrebs auf, bei Frauen Brustkrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs. Wie weltweit beobachtet, ist auch ein Anstieg von Bauchspeicheldrüsenkrebs bedeutsam.
Die Anzahl an Krebs Erkrankter, d.h. prävalenter Fälle, wird in diesem Zeitraum um etwa 250.000 steigen. Und das auch noch regional unterschiedlich. „Wir haben Landkreise, in denen die Anzahl der Neuerkrankten um 30 Prozent steigen wird“, verdeutlichte Hoffmann den Unterschied zwischen in einem Landkreis nur 500 künftig hinzukommenden Neuerkrankungen, während es in einem anderen über 7.100 sein werden. Aufgrund der  Methodik der Berechnung sei dies aber alleine dem unterschiedlich hohen Anteil der in jedem Landkreis lebenden älteren Menschen zuzuschreiben. <<

von: MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier

 

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