Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(45): 2311-2315
DOI: 10.1055/s-0032-1327241
Originalarbeit | Original article
Medizinstudium, Forschung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Promotion in der Medizin ist besser als ihr Ruf

Ergebnisse einer Befragung von DoktorandenThe German academic degree „Dr. med.” is better than its reputation. Results of a questionnaire of doctoral students
R. Pabst
1   Institut für Immunmorphologie, Zentrum Anatomie, Medizinische Hochschule Hannover
,
D.-H. Park
1   Institut für Immunmorphologie, Zentrum Anatomie, Medizinische Hochschule Hannover
,
V. Paulmann
2   Studiendekanat Medizin – Bereich Evaluation & Kapazität, Medizinische Hochschule Hannover
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

06 March 2012

28 June 2012

Publication Date:
30 October 2012 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung: In der Öffentlichkeit wird teilweise unsachlich über die Promotion zum Dr. med. berichtet. Dabei wird das wissenschaftliche Niveau, der Zeitpunkt der Anfertigung, die Betreuung und Dauer der Arbeit meist ohne quantitative Belege diskutiert.

Methoden: An der Medizinischen Hochschule wurden Doktoranden beim Einreichen ihrer Arbeit mit einem Fragebogen nach der Art der Arbeit, Dauer, Publikation der Ergebnisse, Dauer der Promotionsphase und Betreuung durch Doktorvater / Doktormutter befragt. Die Ergebnisse wurden mit unseren 2003 publizierten Angaben verglichen.

Ergebnisse: Es lagen 180 Antwortbögen vor (62 % Frauen). Es handelte sich um tierexperimentelle (11 %), Laborversuche (25 %), Patientenuntersuchungen (28 %) und statistische Arbeiten (25 %). In den Phasen der Arbeit von der Planung, über Versuche, Auswertung und Schreiben fühlte sich die große Mehrheit gut betreut. Der zeitliche Aufwand für die Promotion betrug im Mittel 1798 Stunden, was 47 Wochen voller Arbeitszeit entspricht. Durch die Arbeit wurde eine Beeinträchtigung der Prüfungsvorbereitung (34 %), Vorlesungsbesuche (35 %) und Praktikumsbetreuung (27 %) angegeben. 98 % der Befragten würden jungen Studierenden zur Promotion raten. Beim Einreichen der Arbeit waren die Ergebnisse zu 67 % publiziert (Originalarbeit 62 %, Vortrag 33 %, Poster 54 %) und in 21 % war eine Publikation geplant. Bei den Publikationen waren die Doktoranden Erstautor (24 %), Zweitautor (28 %), sonstiger Autor (1 %). Die Bedeutung des Promovierens für die Fähigkeit zur Bewertung von Daten wurde von 70 % und die Interpretation von Originalpublikationen von 81 % als groß eingestuft.

Folgerungen: Andere medizinische Fakultäten sollten vergleichbare Daten erheben, damit diese vom Medizinischen Fakultätentag kritisch auf mögliche Konsequenzen hin diskutiert werden können.

Abstract

Background: Recently there were mostly emotional debates about the scientific background and relevance of the German academic title „Dr. med.“, while objective data are scarce.

Methods: When submitting their doctoral thesis at the Medical School of Hannover students were asked anonymously about the type, topic, duration, quality of supervision as well as frequency and type of publication of the results.

Results: 180 doctoral candidates (62 % women) participated in the study. The supervision was graded as good by the majority of students. The duration working on the thesis was equivalent to 47 weeks of a full time employment. There was some negative influence in participating in lectures and courses. Nearly all participants (98 %) would recommend younger students to work on a dissertation as they had done themselves in parallel to the curriculum. The ability of how to interprete scientific data was assumed to be positively influenced. About two thirds stated that the results had been published in original articles at the time of submitting the thesis.

Conclusions: More data from other medical faculties are needed to document the relevance of the medical dissertation to replace the emotional by a more rational debate.

 
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