Aktuelle Neurologie 2005; 32 - V191
DOI: 10.1055/s-2005-919258

Neuronale Schädigung bei autoimmuner Demyelinisierung: TRAIL-vermittelte T-Zell-abhängige Apoptose von Neuronen im Mausmodell der Multiplen Sklerose

O Aktas 1, A Smorodchenko 1, S Brocke 1, C Infante-Duarte 1, U Schulze Topphoff 1, J Vogt 1, T Prozorovski 1, S Meier 1, V Osmanova 1, E Pohl 1, I Bechmann 1, R Nitsch 1, F Zipp 1
  • 1Berlin

Hintergrund: Die Multiple Sklerose (MS) wird als eine Autoimmunerkrankung angesehen, bei der autoreaktive T-Zellen in das ZNS einwandern und eine gegen die Markscheide gerichtete Entzündung initiieren. Unklar bleibt, wie diese Autoimmunantwort zur neuronalen Schädigung führt, die für irreversible neurologische Defizite verantwortlich gemacht wird. Eine relevante Rolle könnte dem Tumor Nekrose Faktor (TNF) Rezeptor-assoziierten Apoptose-induzierenden Liganden (TRAIL) zufallen, der bereits in vitro einen schädigenden Einfluss auf humane Neurone und Oligodendrozyten gezeigt hatte.

Methoden: Experimentell autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) wurde (i) im SJL- bzw. im C57BL/6-Mausstamm via Transfer von Proteolipidprotein (PLP)- oder Myelin Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG)-spezifischen Wildtyp- bzw. TRAIL(-/-)-T-Zellen (passive EAE) oder (ii) durch PLP-Immunisierung im SJL-Mausstamm (aktive EAE) ausgelöst. Die ZNS-spezifische Rolle des TRAIL-Systems wurde durch intrazisternale (i.c.) Injektionen von TRAIL oder TRAIL-R2 untersucht. Analysiert wurden die Krankheitsausprägung sowie neuropathologische (axonaler Schaden, neurale Apoptose, Entzündung, Entmarkung) und molekularbiologische Parameter (TRAIL/TRAIL-R2-Expression). Die TRAIL-vermittelte Neurotoxizität von Myelin-spezifischen T-Zellen wurde in neuronalen Hirnschnittkulturen mithilfe der 2-Photonen-Mikroskopie untersucht.

Ergebnisse: Durch i.c. Injektion von blockierendem TRAIL-R2 konnte eine signifikante Besserung des Krankheitsverlaufes in der passiven EAE erreicht werden. Ebenso zeigten TRAIL(-/-) T-Zellen eine geringere Enzephalitogenität. Gemäß der histopathologischen Analyse war die intrazerebrale TRAIL-Blockade neuroprotektiv: Es fand sich eine verminderte Anzahl apoptotischer Neurone sowie ein geringeres Ausmaß des axonalen Schadens und der Entmarkung. Dagegen führte die intrazerebrale TRAIL-Injektion zu einer deutlichen Verstärkung der EAE. In den Kokultur-Experimenten zeigte sich eine verminderte Neurotoxität von Myelin-spezifischen T-Zellen bei Blockade des TRAIL-Systems.

Zusammenfassung: Unsere Untersuchungen weisen darauf hin, dass das TRAIL-System einen wichtigen Beitrag zum neuronalen Untergang bei T-Zell-vermittelten Entmarkungsprozessen spielt. Daher kann dem Todesliganden TRAIL in der EAE und in der MS eine duale Rolle bescheinigt werden, die neben der bekannten immunmodulatorischen Wirkung (außerhalb des ZNS) eine relevante Beteiligung an Schadensprozessen innerhalb des ZNS einschließt.