Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V026
DOI: 10.1055/s-0032-1301442

Interhemisphärische Diskonnektion des somatosensorischen Systems

P Jung 1, M Wibral 2, J Klein 3, U Ziemann 3
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz
  • 2Brain Imaging Center Frankfurt, Frankfurt am Main
  • 3Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Klinik für Neurologie, Frankfurt am Main

Fragestellung: Bei der RRMS werden das somatosensorische System und das Corpus callosum bereits in einem frühen Krankheitsstadium geschädigt. Eignen sich daher somatosensorische kallosale Fasern (sCC) zur Detektion früher subklinischer MS-Pathologien?

Methoden: Mittels MEG-Quellenanalyse wurde der Einfluss eines konditionierenden ipsilateralen N. medianus (MN)-Stimulus (C) auf die kortikale Verarbeitung eines in unterschiedlichen Zeitintervallen (5, 20, 40, 60, 100 ms) nachfolgenden kontralateralen MN-Test-Stimulus (T) bei 18 Patienten mit früher RRMS (medianer EDSS: 1,0) und 14 alters- und geschlechtsangepassten Kontrollprobanden analysiert. Zudem wurden die fraktionale Anisotropie (FA) von sCC ermittelt und CC-Indices bimanueller taktiler Tests berechnet.

Ergebnisse: Innerhalb des somatosensorischen Netzwerks wurden bei Gesunden nur (zum T) kontralaterale SII-Antworten und ipsilaterale SI-Antworten in einem frühen Poststimulusintervall bis 150 ms signifikant interhemisphärisch supprimiert. Hierbei legten signifikante Korrelationen der interhemisphären Inhibition (IHI) im kontralateralen SII mit FA-Werten der sCC und CC-Indices der bimanuellen behavioralen Tests eine transkallosale Vermittlung nahe. Die RRMS-Patienten (vorläufige Analyse) zeigten eine von den Gesunden abweichende zeitliche Dynamik der IHI mit verzögert auftretenden IHI-Maxima und einem fehlenden Abfall der IHI beim längsten untersuchten C-T-Intervall von 100 ms. Die maximale IHI war nicht verändert (ipsilateraler SI) bzw. nur leicht reduziert (kontralateraler SII). Keine wesentlichen Unterschiede fanden sich für die Gipfellatenzen, Amplituden der Quellenantworten und CC-Indices der behavorialen Tests.

Schlussfolgerungen: Bei der RRMS scheinen sCC neurophysiologisch messbare Demyelinisierungen früher aufzuweisen als andere somatosensorische Faserverbindungen. Pathologische Befunde der somatosensorischen IHI sind bereits vorhanden, wenn klinisch-behaviorale Zeichen hierfür noch fehlen.