Skip to main content
Log in

Berufsethische Grundsätze für Sportwissenschaftler/innen in wissenschaftsethischer Sicht

The code of professional ethics for sports scientists from a philosophical point of view

  • Diskussion
  • Published:
Sportwissenschaft Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Die Berufsethischen Grundsätze für Sportwissenschaftler/innen stellen einen Verhaltenskodex dar, der auf einer philosophisch-ethischen Diskussion mit langer abendländischer Tradition basiert, ohne dass dies explizit zum Ausdruck kommt. Ziel des Beitrags ist es, den wissenschaftsethischen Hintergrund der Berufsethischen Grundsätze sichtbar zu machen. Die Analyse erfolgt zum Ersten in einer ethisch-historischen Perspektive. Diese umfasst die Zeit der Aufklärung mit Kants Wahrheitsbegriff im Mittelpunkt (3.1) sowie die späteren Ausdifferenzierungen in eine wissenschaftsimmanente Verantwortung (3.2) sowie Webers Verantwortungsethik (3.3) und die gegenwärtige Ergänzung der individuellen durch eine institutionelle Verantwortung (3.4). In einem zweiten Analyseschritt werden die Berufsethischen Grundsätze aus ethisch-systematischer Perspektive diskutiert. Zentrale Aspekte sind hier der Träger (4.1), der Gegenstand (4.2) und die Legitimation der Verantwortung (4.3). Die Analyse zeigt, dass die Berufsethischen Grundsätze für Sportwissenschaftler/innen eine breite wissenschaftsethische Fundierung aufweisen.

Abstract

The Code of professional ethics for sports scientists represents a code of behaviour that is based on a philosophical-ethical discussion with a long tradition in the Western hemisphere, even though this has not been expressed explicitly. The intention of this paper is to outline the philosophical background of the Code. This analysis will be done first from a historical perspective of professional ethics. It comprises (1) the Age of Enlightenment with Kant’s notion of truth as a central point, the subsequent differentiation into (2) inherent responsibility of scientific research and (3) Weber’s ethics of responsibility as well as (4) the current supplementation of an institutional besides the individual responsibility. In a second step of analysis the Code will be discussed from a systematic perspective of ethical issues. The main aspects in this context are the bearer, the object and the legitimation of responsibility. The analysis shows that the Code of professional ethics for sports scientists has a broad philosophical foundation.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

Abb. 1

Notes

  1. Eine ausführliche, didaktisch aufbereitete Diskussion der Verantwortungsproblematik mit Bezug auf die Berufsethischen Grundsätze findet sich bei Willimczik (2010, S. 73–221).

  2. Gegen eine solche Sicht der Geschichte der Verantwortungsdiskussion im Sinne des Fortschritts könnte von Vertretern einer strengen Inkommensurabilität eingewendet werden, dass die in Frage stehenden Theorien auf unterschiedlichen Paradigmen fußen und somit inkommensurabel seien. So sei die Bedeutung des Wahrheitsbegriffs bei Kant prinzipiell unterschiedlich von der bei Popper. Dieser Sicht ist allgemein eine weiche Form der Inkommensurabilität entgegen zu halten (Overton, 1984; vgl. ausführlich Willimczik, 2003). Bei einer strengen Form der Inkommensurabilität könnten Theorien prinzipiell nicht aufeinander bezogen werden und dies, obwohl die Wissenschaftspraxis diese Möglichkeit als Realität eindrucksvoll belegt. Für die Geschichte der Verantwortungsdiskussion speziell ist festzustellen, dass die vier aufgeführten Phasen jeweils weitgehend als eine Erweiterung einer Konzeption anzusehen sind. Und warum sollte man Poppers Wahrheitsbegriff, der das empirische Kriterium impliziert und der sich durchgesetzt hat, nicht als Erweiterung des Wahrheitsbegriffs von Kant im Sinne der transzendentalen Analytik zulassen, wenn Popper selbst dies so gesehen hat?

  3. Eine ausführliche, differenzierte Darstellung und Kritik des Ansatzes von Merton findet sich bei Hägele (1996).

  4. Als weitere Fragen führt Spinner (1985, S. 115 ff.) an: „Worin läge die Verantwortung des Wissenschaftlers, wenn sie bestünde?“ „Woran wäre die Verantwortlichkeit zu bemessen, welche Maßstäbe könnten angelegt werden, wenn Rechenschaft gefordert werden könnte?“ „Welche Hebel könnten angesetzt, welche Maßnahmen durchgeführt werden, um Verantwortlichkeit faktisch zu bewirken und praktisch zu bewerkstelligen?“

  5. Eine Zusammenstellung von Hippokratischen Eiden für Wissenschaftler und Techniker findet sich bei Lenk (1991).

  6. Ausführliche Abhandlungen zur Verantwortung von Geisteswissenschaftlern liegen von Bieber (2006), Nutzinger (2006) und Luckner (2005) vor.

Literatur

  1. Bieber, H.-J. (2006). Ethische Probleme in den Geschichtswissenschaften. In H. G. Nutzinger (Hrsg.), Wissenschaftsethik – Ethik in den Wissenschaften? (S. 111–128). Marburg: metropolis.

  2. Cournand, A. & Zuckermann, H. (1970). The code of science. Analysis and some reflections on its future. Studium generale, 23, 941–962.

    Google Scholar 

  3. Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (2003). Berufsethische Grundsätze für Sportwissenschaftler/innen. dvs-Informationen, 18(3), Beilage, 1–7 [auch online verfügbar unter http://www.sportwissenschaft.de/fileadmin/pdf/download/berufsethik.pdf].

  4. Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (2007). Positionspapier Veröffentlichungsmodalitäten . Letzter Zugriff am 14. Mai 2010 unter http://www.sportwissenschaft.de/fileadmin/pdf/HV2007/Ethikrat_Positionspapier_Veroeffentlichungen.pdf.

  5. Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (2008). Positionspapier Berufungsverfahren und Gutachten . Letzter Zugriff am 14. Mai 2010 unter http://www.sportwissenschaft.de/fileadmin/pdf/download/Positionspapier_Berufungsverfahren.pdf.

  6. Eisler, R. (1930). Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Immanuel Kant: Wissenschaft . Letzter Zugriff am 14. Mai 2010 unter http://www.textlog.de/33288.html.

  7. Elias, N. (1976). Über den Prozeß der Zivilisation, Band 2. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  8. Franke, E. (1995). Zur Ethik der Sportwissenschaft – eine Synopse publizierter und (bisher) unpublizierter Arbeiten. dvs-Informationen, 10(4), 12–31.

  9. Gönnheimer, S. (2002). Schule und Verantwortung. Zur Bedeutung einer ethischen Kategorie in Erziehung und Unterricht. Frankfurt am Main: Lang.

    Google Scholar 

  10. Höffe, O. (2007). Immanuel Kant (7. Aufl.). München: Beck.

  11. Jonas, H. (1979). Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  12. Kant, I. (1786). Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften (Akademie-Ausgabe. Bd. IV). Berlin: de Gruyter.

  13. Kaufmann, F.-X. (1989). Über die soziale Funktion von Verantwortung und Verantwortlichkeit. In E.J. Lampe (Hrsg.), Verantwortlichkeit und Recht (Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Band XIV, S. 204–228). Opladen: Westdeutscher Verlag.

  14. Kaufmann, F.-X. (1992). Der Ruf nach Verantwortung. Risiko und Ethik in einer unüberschaubaren Welt. Freiburg: Herder.

  15. Ladd, J. (1981). Are Science and Ethics Compatible? In D. Callahan & H.T. Engelhardt (Eds.), The Roots of Ethics (pp. 373–402). New York: Springer.

    Google Scholar 

  16. Lakatos, I. (1974). Falsifikation und Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme. In I. Lakatos & A. Musgrave (Hrsg.), Kritik und Erkenntnisfortschritt (S. 89–189). Braunschweig: Vieweg.

  17. Lenk, H. (1984). Zum Verantwortungsproblem in Wissenschaft und Technik. In E. Ströker (Hrsg.), Ethik der Wissenschaften? (S. 87–116). München: Fink und Schöningh.

  18. Lenk, H. (1986). Verantwortung und Gewissen des Forschers. In O. Neumaier (Hrsg.), Wissen und Gewissen (S. 35–55). Wien: VWGÖ.

  19. Lenk, H. (1987). Verantwortlichkeiten des Ingenieurs. Ansätze zu einer differenzierten Typologie der Verantwortungsbegriffe im Hinblick auf die Technik. Revue Internationale de Philosophie, 41, 250–277.

  20. Lenk, H. (Hrsg.) (1991). Wissenschaft und Ethik. Stuttgart: Reclam.

  21. Lenk, H. & Maring, M. (1997). Ethikkodizes und Verantwortung in der Soziologie und in den Sozialwissenschaften. Soziologie, 1, 39–46.

  22. Lieber, H.-J. (1988). Wissenschaftstheoretische Reflexionen zur Sportwissenschaft. Sportwissenschaft, 18(2), 125–136.

    Google Scholar 

  23. Luckner, A. (2005). Wofür haben Geisteswissenschaftler Verantwortung? In M. Maring (Hrsg.), Ethisch-philosophisches Grundlagenstudium 2. Ein Projektbuch (S. 84–95). Münster: LIT.

  24. Maring, M. (1991). Institutionelle und korporative Verantwortung in der Wissenschaft. In H. Lenk (Hrsg.), Wissenschaft und Ethik (S. 135–150). Stuttgart: Reclam.

  25. Merton, R. K. (1985). Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen. Aufsätze zur Wissenssoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  26. Mohr, H. (1977). The ethics of science. In H. Mohr (Ed.), Lectures on structure and significance of science (pp. 143–154). New York: Springer.

    Google Scholar 

  27. Mohr, H. (1991). Homo investigans und die Ethik der Wissenschaft. In H. Lenk (Hrsg.), Wissenschaft und Ethik (S. 76–94). Stuttgart: Reclam.

  28. Nitsch, J.R. (1989). Die Verantwortung des Sportwissenschaftlers – Gedanken zur Berufsethik. In H. Allmer & N. Schulz (Hrsg.), Sport und Ethik: Grundpositionen (S. 54–71). St. Augustin: Academia.

  29. Nitsch, J.R. & Willimczik, K. (1990). Prinzipien einer Berufsethik für Sportwissenschaftler. Sportwissenschaft, 20, 317–323.

  30. Nutzinger, H.-G. (2006). Wissenschaftsethik – Ethik in den Wissenschaften? Einleitende Bemerkungen. In H.-G. Nutzinger (Hrsg.), Wissenschaftsethik – Ethik in den Wissenschaften? (S. 7–19). Marburg: metropolis.

  31. Overton, W.F. (1984). World views and their influence on psychological theory and research: Kuhn – Lakatos – Laudan. In H. W. Reese (Ed.), Advances in child development and behaviour. Vol. 18 (pp. 151–226). Orlando, FL: Academic Press.

  32. Popper, K.R. (1975). Die moralische Verantwortlichkeit des Wissenschaftlers. Universitas, 30, 689–699.

    Google Scholar 

  33. Rössler, D. (1985). Wandlungen der Verantwortungen für die Wissenschaft – Von der Moral des Wissenschaftlers zur Ethik der Wissenschaft. Unveröffentlichter Vortrag auf dem Sportwissenschaftlichen Hochschultag, Mainz.

  34. Spinner, H.F. (1985). Das ‚wissenschaftliche Ethos‘ als Sonderethik des Wissens. Tübingen: Mohr.

  35. Weber, M. (1993). Politik als Beruf. Stuttgart: Reclam.

  36. Willimczik, K. (1989). (Irr-)Wege einer Ethik der Sportwissenschaft. Spectrum der Sportwissenschaften, 1, 5–25.

  37. Willimczik, K. (2010). Sportwissenschaft interdisziplinär – Ein wissenschaftstheoretischer Dialog. Band 3: Forschungsmethodik und Verantwortung in der Sportwissenschaft. Hamburg: Czwalina.

Download references

Interessenkonflikt

Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Klaus Willimczik.

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Cite this article

Willimczik, K. Berufsethische Grundsätze für Sportwissenschaftler/innen in wissenschaftsethischer Sicht. Sportwiss 40, 285–294 (2010). https://doi.org/10.1007/s12662-010-0160-x

Download citation

  • Published:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/s12662-010-0160-x

Schlüsselwörter

Keywords

Navigation