1 Hintergrund, Ziel und Bereich

Stabilität und Resilienz von Ökosystemen sind wichtige Voraussetzungen für deren langfristig ertragreiche Nutzung (Gigon und Grimm 1997) und insofern Schlüsselgrößen nachhaltiger Entwicklung. Deshalb ist es folgerichtig, dass Umweltmonitoring Kernbestandteil der Nachhaltigkeitsstrategien des UNESCO-Programms Man and the Biosphere (MaB) und der UNECE ist.Footnote 1 Um Umweltveränderungen und ihre Ursachen detailliert und zuverlässig aufzeigen zu können, bedarf es neben einer medienspezifisch ausgerichteten Umweltüberwachung auch einer medienübergreifenden Umweltbeobachtung. Das übergeordnete Ziel dieser Art des Umweltmonitorings ist die langfristige Erfassung der Veränderung sowie der Belastung und Belastbarkeit der Umwelt als Ganzes (Rüdel et al. 2007). Die Verknüpfung von biologischen, chemischen und physikalischen Daten aus einzelnen Messnetzen ist Grundlage einer integrativen, medienübergreifenden Datenauswertung (Broecker et al. 2007). Hierfür ist es wichtig, auf langjährig bewährte Messnetze zurückgreifen und über gezielte Auswertungen Ergebnisse für die Politikberatung und eine fundierte Risikokommunikation bereitstellen zu können. Dies erfolgt in Baden-Württemberg durch medienübergreifende Umweltbeobachtung in Verbindung mit einer Schwerpunktsetzung. Schwerpunkte sind Wirkungen von Klimaveränderungen und Anpassungen der belebten Umwelt, Toxizität und Anreicherung chemischer Stoffe in der Umwelt, Wirkungen des Einsatzes neuer Technologien auf die Umwelt sowie Analyse und Bewertung des Stoffhaushaltes ausgewählter Umweltschadstoffe(LfU 2003; Schröder et al. 2005, 2006; LUBW 2009).

Da Moose über mehrere Jahre die Anreicherung von Metallen ohne physiologische Beeinträchtigung tolerieren, sind sie für das Monitoring der Bioakkumulation atmosphärischer Depositionen geeignet – von der lokalen über die regionale bis hin zur kontinentalen Ebene (Bealey 2008 a,b; Forster et al. 1993; Genßler et al. 2001; Herpin et al. 2004; Kostka-Rick et al. 2001; Mohr 1999, 2007; Rühling und Tyler 1968, 1969, 1970; Schröder et al. 2008; Tyler 1990; Wappelhorst et al. 2000; Zechmeister et al. 2006). Deutschland beteiligt sich seit 1990 alle fünf Jahre an den Heavy Metals in Mosses Surveys, die von der UNECE im ICP Vegetation auf Grundlage des Genfer Luftreinhalteabkommens (Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution, CLRTAP) im Fünfjahresturnus an mindestens 1,5 Standorten pro 1000 km2 europaweit durchgeführt werden. Dabei werden die Anreicherungen von Schwermetallen (seit 1990) und Stickstoff (seit 2005) ermittelt. Die Ergebnisse werden in Berichten der Working Group on Effects (WGE) der CLRTAP und des Programmzentrums des International Cooperative Programme on Effects of Air Pollution on Natural Vegetation and Crops (ICP Vegetation) in Bangor, Wales veröffentlicht (Harmens et al. 2008). Die aktuellste Auswertung der Metall- und Stickstoffgehalte in Deutschland zwischen 1990 und 2005 legten Schröder et al. (2009) vor.

In Deutschland führen Bund und Länder das Moosmonitoring gemeinsam durch: Im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) erfolgt die chemische Analyse der Moose und die Datenauswertung, die Bundesländer übernehmen die Moosprobenentnahme. Der Arbeitskreis Bioindikation/Wirkungsermittlung der Landesämter und -anstalten für Umweltschutz (AKB) und ein Vertreter des UBA begleiten das Moosmonitoring als wissenschaftlicher Beirat. Folglich besteht Interesse an bundesweiten und länderspezifischen Auswertungen. Dieser Artikel behandelt die Kartierung der Metallanreicherung in Baden-Württemberg seit 1990, der Stickstoffanreicherung seit 2005 sowie die räumliche Varianz der Metallbioakkumulation in Abhängigkeit von Eigenschaften der Probeentnahmestellen und ihrer Umgebung.

2 Material und Methoden

2.1 Datenerhebung

Das Moosmonitoring wurde in Deutschland 1990, 1995, 2000 und 2005 entsprechend der europaweit verwendeten Richtlinie (Harmens 2005) durchgeführt. Dabei entfielen auf die Fläche Baden-Württembergs (35 751 km²) 59 (1990), 69 (1995), 78 (2000) bzw. 56 Moossammelorte, was einer räumlichen Dichte von 1,7, 2,1, 2,2 bzw. 1,6 Probenorten pro 1000 km2 entspricht und damit die Mindestvorgabe der Richtlinie (1,5 Moosprobenentnahmestandorte pro 1000 km2) erfüllt. Das Messnetz wurde zwischen 2000 und 2005 ohne Einschränkung seiner geostatistischen Validität und Landschaftsrepräsentanz ausgedünnt (Pesch et al. 2008; Schröder et al. 1991, 2004; Schröder und Schmidt 2000).

Die Moosprobenentnahme erfolgte in Anlehnung an die maßgebliche Richtlinie (Harmens 2005). Die Massenkonzentrationen der Elemente Aluminium (Al), Barium (Ba), Calcium (Ca), Kupfer (Cu), Eisen (Fe), Kalium (K), Magnesium (Mg), Mangan (Mn), Natrium (Na), Strontium (Sr), Titan (Ti) und Zink (Zn) wurden in der Aufschlusslösung mit ICP-OES nach DIN EN ISO 11885 (E 22) und VDLUFA Methodenbuch 2.2.2.6 gemessen. Die Massenkonzentrationen der Elemente Arsen (As), Cadmium (Cd), Kobalt (Co), Chrom (Cr), Molybdän (Mo), Nickel (Ni), Blei (Pb), Antimon (Sb) und Vanadium (V) wurden mit ICP-MS nach DIN 38406-29 (E 29) und VDLUFA Methodenbuch 2.2.2.5 bestimmt, die Gehalte von Quecksilber (Hg) in den Moosen mit einem Quecksilberanalysator (thermostatisierte Zweiwegzelle) nach DIN EN 1483 und VDLUFA Methodenbuch VII. Die Massenkonzentration vom Gesamt-N (Gesamtstickstoff) wurde mit einem C/N-Analyser (Wärmeleitfähigkeitsdetektor) nach VDLUFA Methodenbuch II 3.5.2.7 durch die Verbrennung von 0,2 g Moosprobenmaterial im Sauerstoffstrom ermittelt. Bei dieser Methode wird Stickoxid zu molekularem N reduziert und mit einem Wärmeleitfähigkeitsdetektor bestimmt.

Die Qualität der Messungen wurde in zwei Schritten kontrolliert: Sie erfolgte zunächst in den einzelnen Teilnehmerstaaten und umfasste die Messung der Referenzmaterialien M2 (hohe Metallkonzentrationen) und M3 (Hintergrundwerte) in jeder Messserie sowie den Austausch und die Messung von Moosproben, die auf beiden Seiten der Grenzen benachbarter Staaten gesammelt wurden. Anschließend wurden alle qualitätskontrollierten Daten der Teilnehmerstaaten vom Programmzentrum des ICP Vegetation (http://icpvegetation.ceh.ac.uk/) erneut daraufhin überprüft, ob sie den Anforderungen nach Steinnes et al. (1997) entsprechen. In den deutschen Moosmonitoringkampagnen wurde mit großer Sorgfalt vorgegangen – vom Messnetzdesign über die Schulung der Moosprobensammler, die Probenentnahme einschließlich Dokumentation, die chemische Analytik und Qualitätskontrolle bis zur Datenauswertung (Schröder et al. 1991, 2004). Zur Sicherung und Kontrolle der analytischen Qualität wurden alle üblichen Maßnahmen ergriffen (Funk et al. 2006) und ausführlich dargestellt (Schröder et al. 2009). Bevor die qualitätskontrollierten Daten von den Teilnehmerstaaten an das Programmzentrum zur Plausibilitätsprüfung aller europaweit gemessenen Daten geschickt wurden, erfolgte eine Plausibilitätsprüfung in jedem Teilnehmerstaat und gegebenenfalls der Ausschluss einzelner Datensätze von der Auswertung. In Deutschland erfolgt die Durchführung von Plausibilitätsuntersuchungen durch die Bundesländer. Am Beispiel der Messkampagne 2005 wurden je ein kompletter Standortdatensatz aus Bayern und Sachsen-Anhalt sowie zwölf Messwerte von zehn nordrhein-westfälischen Standorten und zwei Messwerte von zwei bayrischen Standorten als nicht plausibel eingestuft (Pesch et al. 2007b). In Baden-Württemberg wurden 2005 hingegen alle gemessenen Werte als plausibel eingestuft. Die Überprüfung erfolgte sowohl anhand statistischer Kriterien (Messwerte oberhalb des 98. Perzentils) wie auch der fachlichen Expertise der zuständigen Sachbearbeiter der Bundesländer.

2.2 Datenauswertung

Zur Kartierung der räumlichen Muster der Bioakkumulation einzelner Metallelemente oder des metalleübergreifenden Multimetallindex (MMI, s. u.) wurden geostatistische Methoden eingesetzt (Matheron 1965; Webster und Oliver 2001). Die Qualität der dazu berechneten Flächenschätzungen wurde durch Kreuzvalidierung ermittelt (Johnston et al. 2001; Pesch 2003, Pesch et al. 2007b). Der MMI wurde sowohl für die Messwerte als auch für die aus ihnen berechneten flächenhaften Schätzwerte ermittelt: Dazu wurden pro Element 10 Perzentilklassen gebildet, und jedem Perzentil wurde dann ein Indexwert zwischen 1 (niedrige Akkumulation) und 10 (hohe Anreicherung) zugewiesen. Der MMI1990–2005eines jeden Moossammelortes oder einer jeden Rasterzelle entspricht dem Durchschnitt der dort ermittelten elementspezifischen Indexwerte der Konzentrationen von As, Cd, Cr, Cu, Fe, Ni, Pb, V, Ti und Zn, die durchgängig 1990, 1995, 2000 und 2005 in Baden-Württemberg gemessen bzw. geostatistisch geschätzt wurden.

Alle Ergebnisse und weiterführende Informationen der Moosmonitoringkampagnen wurden im WebGIS MossMet dokumentiert und sind Bund, Ländern sowie dem ICP Vegetation zugänglich (Kleppin et al. 2008; Pesch et al. 2007a). Die elementspezifischen Messdaten der Monitoringkampagnen 1990, 1995, 2000 und 2005 sowie die daraus berechneten MMI konnten daher im Hinblick auf folgende Informationen korrelationsstatistisch untersucht werden: 1) standortspezifische Informationen (s. u.) im Sinne der Verfahrensrichtlinie (Harmens 2005), ökologische und topografische Standorteigenschaften, Ablauf und meteorologische Randbedingungen der Moosprobenentnahme, 2) flächenhafte Informationen über das Klima, die Höhenlage über NN, Flächenanteile forstlicher, agrarischer und urbaner Landnutzung nach CORINE Land Cover (Keil et al. 2005), Entfernung zu großen Industriebetrieben sowie Depositionen in der Umgebung der Moosmonitoringstandorte. Hierbei handelt es sich um Daten über atmosphärische Depositionen aus dem EMEP-Luftmessnetz des Umweltbundesamtes (wet only), aus dem ICP Forest-Messnetz (Freiland- und Bestandsdeposition) sowie Flächenschätzungen der modellierten Nass-, Trocken- und Gesamtdeposition.

Stärke und Richtung der statistischen Zusammenhänge zwischen a) jeweils zwei Metallgehalten in den Moosen, b) zwischen Metallkonzentrationen in Moosen und Depositionen (Wet only Freiland Messungen aus dem UBA Luftmessnetz und dem ICP Integrated Monitoring; Bulk Freiland und Bestandesmessungen aus dem ICP Forests Level 2 Messnetz) und c) zwischen Metallgehalten in Moosen und modellierter Nass-, Trocken- und Gesamtdeposition wurden durch Rangkorrelationskoeffizienten nach Spearman rs quantifiziert. Zusätzlich wurden multivariat-statistische Korrelationsmuster mit Chi-square Automatic Interaction Detection (CHAID, Kass 1980) berechnet. Dabei bildeten die metrisch skalierten Gehalte der in den Moosen 2005 gemessenen Stoffgehalte jeweils die Zielvariable. Als Prädiktoren dienten die standortbeschreibenden Metainformationen sowie flächenhaft vorliegende Daten zur Umgebungsbeschreibung.

Um die Stickstoffgehalte in den Moosen um den Traufeeffekt zu bereinigen, erfolgte eine Umrechnung der Stickstoffakkumulationen mit den Schwefelgehalten in den Moosen. Dieses Vorgehen ist dadurch begründet, dass die S-Konzentrationen in Moosen bei aktuell sehr niedrigen SO2-Immissionen großräumig nur gering variieren (Mohr 1999). Unterschiede der S-Gehalte sind somit in großen Teilen Deutschlands vorrangig auf abweichende Depositionsbedingungen am Probenentnahmeort zurückzuführen. Aufgrund der hohen Korrelation sedimentierender S- und N-Einträge im Niederschlag (Dämmgen 2005) sowie solcher in den untersuchten Moospflanzen (2005: r = 0,83; p < 0,0001) kann der S-Gehalt als Indikator für den Traufeeinfluss der Begleitvegetation (vornehmlich Bäume und Sträucher) und zur Standardisierung der N-Gehalte herangezogen werden. Die Umrechnung basiert auf der folgenden empirischen Formel: Nkorrigiert = [1000/S-Konzentration] × Ngemessen. Hierbei entspricht 1000 µg/g S der zu erwartenden (und häufig festgestellten) S-Bioakkumulation unter Freilandbedingungen (außerhalb des Kronentraufeeinflusses).

3 Ergebnisse

Von 1990 bis 2005 ist Hypnum cupressiforme das am häufigsten in Baden-Württemberg gesammelte Moos, gefolgt von Pleurozium schreberi (maximal 11,9 % 1990), Scleropodium purum (maximal 3,4 % 1990) und Hylocomium splendens(1,7 % 1990) (Tab. 1). Hypnum cupressiforme wurde dabei fast ausschließlich von Baumstümpfen entnommen. Nur im Moosmonitoring 1995 wurde in zwei dokumentierten Fällen diese Moosart vom Boden gesammelt. Abbildung 1 zeigt die räumliche Verteilung der in Baden-Württemberg 1990, 1995, 2000 und 2005 beprobten Orte und Moosarten.

Abb. 1
figure 1

Messnetzverteilung und beprobte Moosarten in Baden-Württemberg 1990–2005

Tabelle 1 Beprobte Moosarten in Baden-Württemberg 1990 bis 2005

Tabelle 2 gibt anhand der Perzentilstatistik der 12 Standardmetalle und der zusammenfassenden MMI einen Überblick über die zeitliche Entwicklung der Bioakkumulation. Anhand des 20., 50. und 90. Perzentils sowie des MMI lässt sich eine deutliche, zumeist kontinuierliche Abnahme der Metallanreicherung in Moosen zwischen 1990 und 2005 nachweisen. Ausnahmen bilden Cr und Sb, die beide 2005 gegenüber 2000 angestiegen sind – allerdings nicht signifikant (Tab. 3). Der MMI nahm von 2000 bis 2005 ab, aber nicht signifikant (Tab. 3).

Tabelle 2 Deskriptiv-statistische Maßzahlen der Elementgehalte in baden-württembergischen Moosen 1990–2005 (Perzentilangaben für die Elemente in µg/g)
Tabelle 3 Inferenz-statistische Analyse der Entwicklung der Stoffakkumulationen in baden-württembergischen Moosen 1990–2005

Die räumliche Differenzierung der in Tab. 2 zusammenfassend beschriebenen zeitlichen Entwicklung der Stoffanreicherung wird am Beispiel des MMI1990–2005 in Abb. 2 kartografisch veranschaulicht. Die Unschärfen der Flächenschätzung führen zu Abweichungen der auf Schätzungen basierenden MMI (Abb. 2) im Vergleich zu den MMI, die auf den exakten Messwerten beruhen (Tab. 3). Das räumliche Muster der Stickstoffanreicherung wird anhand der Originalmessdaten sowie den mit der Schwefelformel (Abschn. 2.2) umgerechneten Werten dargestellt (Abb. 3). Im zeitlichen Verlauf wird eine Reduktion der Anreicherung von Metallen und Schwermetallen in terrestrischen Ökosystemen Baden-Württembergs deutlich. Noch 1990 und 1995 zeigten weite Landesteile eine höhere Metall- und Schwermetallbelastung als bei den Untersuchungskampagnen der Jahre 2000 und 2005. Als belastete Regionen können für das Jahr 2005 der Südschwarzwald und der Odenwald genannt werden, die als typische Depositionsgebiete in der Westwinddrift eine Beaufschlagung mit luftgetragenen Schadstoffen, insbesondere Metallen und Schwermetallen, erfahren.

Abb. 2
figure 2

Zeitlicher Verlauf der Akkumulation von Metallen in Moosen in Baden-Württemberg 1990–2005

Abb. 3
figure 3

Stickstoffakkumulation in Moosen in Baden-Württemberg 2005: originale Messdaten und am Schwefelgehalt der Moose standardisierte Stickstoffgehalte (NSF: umgerechneter Stickstoffgehalt; Norig: originaler Stickstoffgehalt)

Auch hinsichtlich der Stickstoffakkumulation fallen der Südschwarzwald und der Odenwald durch höhere Stickstoffwerte auf, während die anderen Landesteile durch eine geringere Akkumulation gekennzeichnet sind.

Bei der Untersuchung von statistischen Zusammenhängen zwischen der Metallanreicherung in Moosen und Eigenschaften der Moossammelorte und ihrer Umgebung wurden EMEP-Depositionsdaten mit einer räumlichen Auflösung von 50 km × 50 km berücksichtigt. Abbildung 4 zeigt im linken Teil die räumliche Differenzierung der Pb-Anreicherungen in den Moosen, wobei die Mediane der Pb-Werte für jede EMEP-Rasterzelle anhand der Einzelmesswerte der in ihr gelegenen Beprobungspunkte berechnet wurden. Im rechten Abbildungsteil ist in derselben räumlichen Auflösung die Pb-Gesamtdeposition dargestellt. Zwischen beiden räumlichen Verteilungen bestehen positive Rangkorrelationen (rs) mit einem Maximalwert von rs = 0,52 bei p < 0,01.

Abb. 4
figure 4

Vergleich Pb in Moosen und modellierte Depositionen nach EMEP 1990 bis 2005

In Ergänzung zu den bei der Moosprobenentnahme erhobenen Informationen über Eigenschaften der Sammelorte wurden flächenhafte Daten berücksichtigt, welche die Landnutzung und insofern potenzielle Flächenquellen für Metalle und Stickstoff in ihrer Umgebung kennzeichnen. Die Ergebnisse der bivariaten Zusammenhangsanalysen werden für metrische Daten in Tab. 4 in Form des Rangkorrelationskoeffizienten nach Spearman (rs) präsentiert. Die Werte dieses Zusammenhangsmaßes liegen zwischen 0,3 und 0,7. Negativ korreliert sind die Stoffgehalte in Moosen mit der Nähe zu Bäumen und Sträuchern, die Stoffe aus der Luft filtern, die anschließend vom Niederschlag auf darunter liegende Moospolster befördert werden. Folglich besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Cu-Gehalten in Moosen und der Entfernung zu Sträuchern (rs= –0,7) sowie zu Bäumen (rs = –0,5). Dieser Traufeffekt kommt bei allen Metallen außer bei As und Ni zur Ausprägung. Positiv korreliert sind die Konzentrationen von As, Cd, Hg, Pb, V und Zn mit den Niederschlägen. Je geringer der Anteil agrarisch genutzter Flächen im Umkreis der Beprobungsstellen, desto höher sind die Gehalte von As, Cd, Cu, Hg, Ni, Pb, Sb, V und Zn. Dieselbe Tendenz zeigen die Cd-Gehalte in Bezug auf den Anteil städtischer Bebauung und Verkehrsflächen im Umkreis der Moosbeprobungsstellen.

Tabelle 4 Korrelationsanalytische Untersuchung von Einflussfaktoren auf die Stoffakkumulation in baden-württembergischen Moosen 1990–2005

Multivariat-statistische Zusammenhänge der Cd-Anreicherung mit lokalen und regionalen Raummerkmalen werden in Abb. 5 am Beispiel von Cd (2005) aufgezeigt. Der Knoten 0 beschreibt die Verteilung der Cd-Messwerte an den 56 in Baden-Württemberg 2005 beprobten Standorten. Der Mittelwert der Untersuchungsstichprobe beträgt 0,20 µg Cd/g Trockensubstanz Moos. Der Waldflächenanteil im Umkreis von 5 km um die Moossammelorte ist von den in Tab. 4 gelisteten Faktoren derjenige, der mit den Cd-Konzentrationen in den Moosen am engsten verknüpft ist: Je höher der Waldflächenanteil, desto höher sind die Cd-Konzentrationen in den gesammelten Hypnum-cupressiforme-Proben. Ebenfalls positiv korreliert sind Cd-Gehalte mit der Höhe der beprobten Orte über NN in Regionen mit einem Waldflächenanteil >45,3 %. Die Geländeneigung ist mit den Cd-Gehalten auf Standorten mit Waldflächenanteilen <28,7 negativ verknüpft.

Abb. 5
figure 5

CHAID Baum-Cd-Akkumulation in Moosen in Baden-Württemberg 2005

4 Diskussion

Die Ergebnisse der multivariat-statistischen Analyse mit CHAID bestätigen die Ergebnisse der bivariat-statistischen Berechnungen, ergänzen diese jedoch um Faktorenkombinationen. In diesen Kombinationen können sich dann auch solche Faktoren als bedeutsam erweisen, auf die die bivariate Analyse keine Hinweise lieferte – bei den Cd-Konzentrationen ist dies der Einfluss der Geländeneigung in Kombination mit dem Waldflächenanteil.

Auffällig an den baden-württembergischen Ergebnissen ist, dass es im Gegensatz zum Bundesmittel keine signifikante Erhöhung der Metallgehalte zwischen 2000 und 2005 gegeben hat. Dies trifft selbst auf die in der Westwinddrift gelegenen typischen Depositionsgebieten des Südschwarzwaldes und des Odenwaldes zu. Zwar sind Cr und Sb angestiegen, jedoch nicht signifikant. Cr zeigte im Vergleich dazu im bundesweiten Trend die deutlichsten Anstiege zwischen 2000 und 2005. So ergab sich auf Bundesebene für den Zeitraum 2000–2005 eine signifikante Zunahme von 159 % (Schröder et al. 2009). Die im Moos-Monitoring 2005 durchgeführten statistischen Auswertungen ergaben hoch signifikante negative Korrelationen der Cr-Gehalte mit den Niederschlagssummen innerhalb des Akkumulationszeitraums (Pesch et al. 2007b). Die Cr-Werte könnten somit auf den Einfluss von anhaftendem Bodenpartikel oder Feinstaubteilchen zurückzuführen sein, eine eindeutige Klärung dieses Sachverhalts konnte allerdings bislang nicht herbeigeführt werden. Folglich wurde empfohlen, mögliche, bis dato noch nicht berücksichtigte potenzielle Ursachen in die Auswertung zu integrieren. Hierzu zählen z. B. der Einfluss bislang wenig beachteter Immissionsquellen (z. B. Hausbrand) oder andere, direkt mit der Bodennutzung in Verbindung stehende (atmosphärische) Verunreinigungen (Bodenschutzkalkungen, Pflegemaßnahmen).

Eine weitere regionaltypische Besonderheit ist darin zu sehen, dass seit 1990 rund 83 bis 97 % der gesammelten und analysierten Moose der Art Hypnum cupressiformeangehörten. Im Bundesgebiet betrugen die Anteile von Hypnum cupressiforme zwischen 13 und 25 %. Wie Siewers et al. (2000) kommen Harmens et al. (2008) zu dem Schluss, dass die Metallakkumulation je nach Metall und Region artenspezifisch sein kann. Eine Umrechnung der Metallkonzentrationen auf jeweils eine Moosart würde Unschärfen erzeugen, gerade bei regional variierenden Metallkonzentrationen. Ferner gestattet es das statistische Design des Moosmonitorings nicht, die mit den verschiedenen Moosarten statistisch assoziierten Metallgehalte zwingend so zu interpretieren, dass die Unterschiede alleine durch eine unterschiedliche Sammeleffizienz der Moose bedingt ist. Eine solche Interpretation wäre nur dann zulässig, wenn die miteinander verglichenen Metallgehalte von Moosarten stammten, die an jeweils einem Standort gesammelt wurden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine Umrechnung der von unterschiedlichen Moosen (und Standorten) stammenden Anreicherungswerte auf eine Moosart ist im Falle von Baden-Württemberg nicht erforderlich, da fast nur Proben einer Moosart Gegenstand der Untersuchungen waren. Für überregionale Vergleiche in Deutschland und Europa erscheint eine Umrechnung auch deshalb nicht sinnvoll, weil dann eine Nivellierung räumlich differenzierter Hintergrundwerte erfolgen würde. Die Randbedingungen dieser räumlichen Differenzierung zu identifizieren, sollte vielmehr das Ziel des Umweltmonitorings sein. Im Moosmonitoring gelingt dies flächendeckend, weil in Deutschland und zukünftig auch in anderen europäischen Staaten neben den Messdaten auch wichtige Charakteristika der Moosbeprobungsorte und ihrer Umgebung aufgenommen werden.

Wie für Baden-Württemberg am Beispiel Pb dargestellt, lässt sich mit dem Moosmonitoring flächendeckend nachweisen, dass abnehmende Metallemissionen und -depositionen in Deutschland zu sinkenden Metallkonzentrationen in Moosen führen. Für EMEP-Depositionsdaten der Metalle Cd und Pb lassen sich diese Tendenzen europaweit bestätigen: Cd-Konzentrationen der Gesamtdeposition und in Moosen sind mit rs = 0,65 korreliert, bei Pb sogar mit rs = 0,73 (Holy et al. 2010). Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet Deutschlands können diese Befunde für einige Orte und Stoffe mit Daten aus Depositionsmessnetzen unterfüttert werden: Bulk-Depositionsdaten stehen im Bundesgebiet für Freiland und Bestand im Falle von Cd von n = 18 Standorten, bei Cu von n = 17, bei Pb von n = 19 und bei Zn von n = 27 Standorten zur Verfügung. Wet-only-Depositionsdaten (Freiland) stehen für As, Cd, Cr und Zn von sechs Standorten des UBA Luftmessnetzes und des ICP Integrated Monitoring zur Verfügung (Schröder et al. 2009). Die Rangkorrelationen zwischen den Metallkonzentrationen in Moosen einerseits und diesen Depositionsdaten sowie modellierter Nass-, Trocken- und Gesamtdeposition andererseits variieren nach Stoffen und Depositionsmechanismus. Unter Berücksichtigung der niedrigen Anzahl von Vergleichsmessungen lassen sich hohe und sehr hohe Korrelationen zwischen den Konzentrationen von As und Cr in Moosen und in der Wet-only-Deposition nachweisen. Moderate Korrelationen weisen die Konzentrationen von Cd, Cu, Pb, and Zn in Moosen und Depositionen auf. Die statistischen Beziehungen zwischen den Konzentrationen in Bestandsdepositionen und Moosen sind bei Cd, Cu and Pb gering, mittelstark hingegen für Zn. Die Korrelationen von Cd and Pb in Moosen und den modellierten Depositionen sind niedrig bis mittel und variieren zeitlich, stoffspezifisch und nach modelliertem Depositionsprozess: Die höchsten entsprechenden Korrelationen bestehen zwischen den Konzentrationen von Cd und Pb in Moosen und in der Gesamt- und Trockendeposition (Schröder et al. 2009).

Weitere Korrelationsanalysen zeigen, dass die statistischen Beziehungen zwischen den in den Moosen akkumulierten Metallen und Stickstoff sowie Eigenschaften der Beprobungsorte und ihrer Umgebung plausibel und niedrig bis stark ausgeprägt sind. Die räumliche Differenzierung der Metallanreicherungen ist wesentlich mit den Depositionen sowie folgenden lokalen und regionalen Gegebenheiten korreliert: Traufeffekt, Landnutzung (Flächenanteile Wald, Landwirtschaft, bebaute Flächen) und Höhe über NN.

5 Schlussfolgerungen

Umweltmonitoring ist Kernbestandteil internationaler Nachhaltigkeitsstrategien (UNESCO MaB, UNECE ICP Vegetation). Um Umweltveränderungen zuverlässig aufzeigen zu können, bedarf es langfristig betriebener Messnetze. Das Moosmonitoring ist ein Langfristmessnetz des ICP Vegetation. Während physikalische Messnetze (z. B. UBA Luftmessnetz, EMEP) nur an wenigen Orten Daten erheben können, liefert das Moosmonitoring räumlich hoch aufgelöste Daten, die für die räumliche Modellierung der Depositionen und die räumlich differenzierte Erfassung und Bewertung von Stoffanreicherungen in der Umwelt unentbehrlich sind. Im Gegensatz zu Depositionsmessungen gibt das Moosmonitoring Auskunft darüber, welche Stoffe und in welcher Höhe am Wirkort/Schutzgut Pflanze (Moos) ankommen. Die Bioakkumulation von Stoffen ist für die ökotoxikologische Bewertung von Stoffeinträgen z. B. in Naturschutzgebieten und FFH-Gebieten aussagekräftiger als die gemessene atmosphärische Deposition. Das Moosmonitoring liefert also nicht nur die Bestimmung der Umweltkonzentration von Stoffen, sondern immissionsschutzrechtlich relevante Beiträge zur Wirkungsermittlung, denn die Stoffanreicherung in einem Organismus ist die Vorstufe einer potenziellen physiologischen Wirkung. Insofern ist das passive Expositionsmonitoring mit Moosen insbesondere im Hinblick auf Vorsorgemaßnahmen wichtig. Das Moosmonitoring ist ein wichtiges Bindeglied zwischen technischen Depositionsmessungen und biologischen Wirkungen. Ein Schwermetallindikator auf Grundlage der Moosmonitoringdaten liegt für einzelne Naturräume, Bundesländer und Schutzgebiete vor.

6 Empfehlungen und Ausblick

Das Moosmonitoring sollte als Langfristmonitoring fortgeführt und zur Erfassung und Bewertung des Eintrags und der Anreicherung von Stoffen in Schutzgebiete genutzt werden. Zudem empfiehlt es sich, das Moosmonitoring enger mit dem Humanbiomonitoring (HBM) zu verknüpfen und damit einen wichtigen Beitrag zum Programm Transport Health and Environment Pan European Programme (THE PEP) von UNECE und WHO-Europe zu leisten (http://www.thepep.org/en/welcome.htm). Im HBM fehlt insbesondere die räumlich differenzierte Erfassung der Beziehungen zwischen der inneren Exposition von Probanden durch Humanbiomonitoring einerseits sowie der äußeren Exposition innerhalb und außerhalb von Gebäuden durch Umweltmonitoring andererseits (Pesch et al. 2009; Zechmeister et al. 2007).