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Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Sicherungsverwahrung und die damit verbundenen Auswirkungen auf ihre Klientel

The development of the legislation on preventive detention and its effects on preventive detainees

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Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Die Arbeit liefert zunächst einen knappen Überblick über die Ausweitungen der Sicherungsverwahrung, die der Gesetzgeber in den letzten Jahren vorgenommen hat. In einem zweiten Schritt werden daran anschließend die Strafverfolgungs- und Strafvollzugsstatistik daraufhin untersucht, welche Auswirkungen das veränderte Normprogramm auf die Anzahl und Struktur der Sicherungsverwahrten ausgeübt hat. In einem weiteren Abschnitt stellt der Verfasser zentrale Ergebnisse einer eigenen Studie mit dem Titel „Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter“ vor. Sie lassen den Schluss zu, dass sich unter den aktuellen Sicherungsverwahrten ein erheblicher Anteil fälschlich als gefährlich eingestufter Personen befindet.

Abstract

Initially, the article gives a short overview over the expansions of preventive detention the legislator has made in recent years. Secondly, prosecution statistics as well as statistics on enforcement of sentences are analyzed focusing on the effects the change in legislation has on the number and structure of preventive detainees. Hereafter, the author presents the central results of an own study titled ‘Reconviction of Dangerous Recidivists’. These results further the conclusion that there is a considerable amount of persons falsely classified as dangerous amongst today’s preventive detainees.

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Notes

  1. Tageszeitung vom 24.6.2009: „Erste Sicherungsverwahrung für jugendlichen Straftäter. Sexualmörder, der zur Tatzeit 19 Jahre alt war, muss nach der Haft im Gefängnis bleiben.“

  2. Im neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP mit dem Titel „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt“ heißt es auf S. 107: „Wir wollen eine Harmonisierung der gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch, die rechtsstaatlich und europarechtskonform ist. Dabei wollen wir Schutzlücken im geltenden Recht, wie sie bei Strafverfahren in jüngster Zeit aufgetreten sind, schließen. Bei der gesetzlichen Regelung werden wir darauf achten, dass die Sicherungsverwahrung unter Berücksichtigung des notwendigen Schutzes der Bevölkerung ihren Ausnahmecharakter behält und auf schwerste Fälle beschränkt bleibt.“

  3. So noch die Vorstellungen im Schriftlichen Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform Ende der 60er Jahre, BT-Drs. V/4094, S. 19.

  4. Zur Entwicklung der Sicherungsverwahrung bis Mitte der 1990er Jahre siehe Kinzig [2], S. 7 ff.

  5. So der einprägsame Titel des Werkes von Anttila [3]: Incarceration for crimes never committed.

  6. Vgl. Kühl [4], § 66 Rdnr. 1: „seit ihrem Bestehen … umstritten.“ Freilich hat sich der Schwerpunkt der Kritik mittlerweile auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung verlagert, vgl. Rissing-van Saan/Peglau [5], § 66 StGB Rdnr. 2.

  7. vom 26.1.1998, BGBl. I S. 160.

  8. So vom Abgeordneten Geis in der Anhörung des Rechtsausschusses vom 8.9.1997 (Protokoll S. 28): „Wie verhalten wir uns, wenn wir nach der ersten Tat nach Vollverbüßung durch ein Prognosegutachten wissen, dass der Täter mit Sicherheit rückfällig wird? Müssen wir nicht unseren Gesetzentwurf dahingehend abändern, dass wir schon nach der ersten Tat, wenn ein entsprechendes Gutachten mit einer entsprechenden Prognose vorliegt, die Sicherungsverwahrung anordnen können?“

  9. vom 21.8.2002, BGBl. I S. 3344.

  10. vom 27.12.2003, BGBl. I S. 3007.

  11. BVerfGE 109, 133.

  12. Application no. 19359/04 by M. against Germany. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand bereits am 1. Juli 2008 statt und kann als Videoaufzeichnung auf der Website des EGMR eingesehen werden. Die Kammer hat die Beschwerde für zulässig erklärt. Das Urteil lässt noch auf sich warten.

  13. BVerfGE 109, 190.

  14. vom 23.7.2004, BGBl. I S. 1838.

  15. BT-Drs. 15/2887, S. 10.

  16. vom 13.4.2007, BGBl. I S. 513.

  17. vom 8.7.2008, BGBl. I S. 1212.

  18. Die Gesetzesbegründung schweigt zu dieser Frage. § 67d Abs. 3 StGB, der auch für die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht gilt, streitet dafür (so auch Streng [6], Rdnr. 566; die gesamte Regelung scharf ablehnend Eisenberg [7], § 7 Rdnr. 29 ff.; s. auch Kinzig [8]).

  19. Einige rechtstatsächliche Daten lassen sich noch einer Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden entnehmen, vgl. zuletzt Dessecker [9]. Daten zur Vollzugssituation liefert Bartsch [10].

  20. Quellennachweise bei Kinzig [2], S. 132.

  21. Statistik Rechtspflege Strafverfolgung, zuletzt Tabelle 5.5: Abgeurteilte mit sonstigen Maßregeln der Besserung und Sicherung.

  22. Statistik Rechtspflege Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. (zuletzt 2008, S. 12).

  23. Statistik Rechtspflege: Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätzen des geschlossenen und offenen Vollzugs zum Stichtag 31.3.2009, S. 7.

  24. Dessecker [11, S. 55] mit einem Überblick über den bereits Ende der 80er Jahre einsetzenden Rückgang der Entlassungszahlen aus der Sicherungsverwahrung.

  25. Statistik Rechtspflege: Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätzen des geschlossenen und offenen Vollzugs zum Stichtag 31.3.2009, S. 7.

  26. Statistik Rechtspflege Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. (zuletzt: 2008, S. 22 f.).

  27. Statistik Rechtspflege Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. (zuletzt: 2008, S. 14 f.).

  28. Nachweise der kaum vorhandenen Entlassungspraxis auch bei Ullenbruch [12], S. 68.

  29. Statistik Rechtspflege Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. (zuletzt: 2008, S. 14). Zur Altersproblematik vgl. auch Bartsch [13], S. 405 f.

  30. Statistik Rechtspflege Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. (zuletzt: 2008, S. 20 f.).

  31. Statistik Rechtspflege Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. (zuletzt: 2008, S. 20 f.).

  32. Statistik Rechtspflege Strafvollzug – Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. (zuletzt: 2008, S. 20 f.).

  33. BVerfGE 72, 105 (116), vgl. auch BVerfGE 45, 187 (245) sowie BVerfGE 64, 261 (281).

  34. Dazu ausführlich: Kinzig [1], S. 138 ff. Vgl. zur Gutachtenpraxis auch: Habermeyer [14].

  35. Alle Einzelfälle mit den jeweiligen Legalbewährungszeiträumen finden sich detailliert in der Studie „Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter“ [1], S. 196 ff.

  36. Vgl. auch Kreuzer [16], der einen nicht enden wollenden Trend konstatiert, „die Sicherungsverwahrung gegenständlich, zeitlich und prozedural zu entgrenzen“.

  37. Jedenfalls setzt die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB nicht einmal mehr eine einzige schuldhaft begangene Straftat voraus.

  38. Das 2. Strafrechtsreformgesetz aus dem Jahr 1969 wollte die Sicherungsverwahrung solchen Fällen vorbehalten, in denen die Anlasstat nach Vollendung des 25. Lebensjahres verübt wurde. Für so genannte Jungerwachsene, die die Anlasstat vor dem 27. Lebensjahr begangen hatten, sich noch in der Entwicklung befanden und Gefahr liefen, sich zu Hangtätern zu entwickeln, war stattdessen in § 65 Abs. 2 StGB unter bestimmten Voraussetzungen die Unterbringung in der Sozialtherapeutischen Anstalt vorgesehen (vgl. [18]).

Literatur

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Kinzig, J. Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Sicherungsverwahrung und die damit verbundenen Auswirkungen auf ihre Klientel. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 4, 48–59 (2010). https://doi.org/10.1007/s11757-009-0031-1

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