Einleitung

Weltweit und besonders in den westlichen Industrieländern wird ein deutlicher Anstieg der Anzahl von Menschen mit erhöhtem Body-Mass-Index (BMI = Körpergewicht in kg/(Größe in m)2) festgestellt. Dabei wird Übergewicht mit einem BMI > 25 kg/m2 definiert und Adipositas mit einem BMI > 30 kg/m2. Bei einem BMI von >35 kg/m2 wird von einer morbiden Adipositas gesprochen. In den USA sind ca. 2/3 der Bevölkerung übergewichtig oder haben eine Adipositas [1]. In Deutschland zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Mit der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) wurden zwischen 2008 bis 2011 umfassende Gesundheitsdaten über die in Deutschland lebende Erwachsenbevölkerung gesammelt [2]. Nach diesen Zahlen sind 2/3 der Männer (67 %) und die Hälfte der Frauen (53 %) in Deutschland übergewichtig. Ungefähr 1/4 der Erwachsenen (23 % der Männer und 24 % der Frauen) ist adipös.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen Adipositas und Asthma ist wahrscheinlich

Asthma ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen mit ca. 240 Mio. Patienten weltweit. Aufgrund der Häufigkeit von Adipositas und Asthma ist zu erwarten, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen mit Übergewicht oder Adipositas auch an Asthma leidet bzw. Patienten mit Asthma auch übergewichtig sind. Epidemiologische Studien lassen aber neben dieser Wahrscheinlichkeit auch einen kausalen Zusammenhang zwischen Adipositas und Asthma vermuten. Diese Vermutung beruht unter anderem auf der Beobachtung, dass die Inzidenz von Asthma bei Patienten mit Adipositas beinahe doppelt so hoch ist wie bei Normalgewichtigen [3]. Gerade bei Patienten mit schwerem Asthma ist in Untersuchungen ein deutlich höherer Anteil von Adipositas zu finden, in einigen Untersuchungen bis beinahe 70 % der untersuchten Patienten mit schwerem Asthma [4].

Interessanterweise scheint das Vorliegen einer Adipositas auch ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Asthmas zu sein. In aktuellen Studien wurde dabei beschrieben, dass Kinder mit Adipositas und Asthma häufiger eine Dysanapsis (Inkongruenz zwischen Lungenvolumen und Größe der Atemwege) aufweisen. Diese Untersuchungen lassen vermuten, dass die Adipositas zu einer Dysanapsis führt und durch die kleineren Durchmesser der Atemwege die Asthmakontrolle negativ beeinflusst wird. Dies wäre auch eine mögliche Erklärung für das schlechte Ansprechen auf inhalative Steroide bei diesen Kindern.

Des Weiteren zeigte sich in einer prospektiven Kohorte, dass Menschen mit einem metabolischen Syndrom eine 1,6-mal so hohe Wahrscheinlichkeit haben, ein Asthma zu entwickeln [5]. Diese Effekte scheinen auch einem Dosis-Wirkungs-Prinzip zu folgen: Bei einem BMI > 25 und <30 kg/m2 verdoppelt sich das Risiko für die Entwicklung eines Asthmas und steigt bei Menschen mit BMI > 30 kg/m2 weiter auf das 2,7-Fache an [6]. Aufgrund dieser Befunde wird postuliert, dass bei Adipositas eventuell besondere pathophysiologische Mechanismen vorliegen, die nicht nur eine vorliegende Atemwegserkrankung verschlechtern, sondern sogar auch Auslöser für ein Asthma sein könnten.

Asthma bei Übergewichtigen oder übergewichtassoziiertes Asthma?

Adipositas und insbesondere morbide Adipositas können mit vielen körperlichen Beschwerden einhergehen. Dazu gehört auch Atemnot, insbesondere unter Belastung. Des Weiteren können bei Patienten mit Adipositas auch in der Lungenfunktion Veränderungen nachgewiesen werden, die das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegsstörung vermuten lassen. Dazu gehören in der Spirometrie eine Verminderung des FEF25–75 (maximaler exspiratorischer Fluss bei 25–75% der forcierten Vitalkapazität). Bei der Messung des Atemwegswiderstands in der Bodyplethysmographie können bei Patienten mit Adipositas zudem Veränderungen der Widerstandsschleife nachgewiesen werden, die einer exspiratorischen Obstruktion bzw. einem exspiratorischen Atemwegskollaps bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ähneln. Auch ist bei adipösen Menschen im Vergleich zu Normalgewichtigen häufiger eine bronchiale Hyperreaktivität nachweisbar. Daher kann vermutet werden, dass bei Patienten mit Adipositas und Luftnotbeschwerden, die ggf. zusätzlich noch Veränderungen in der Lungenfunktion aufweisen, die Diagnose Asthma sehr freizügig gestellt wird. Dieses ist insbesondere häufig bei Patienten mit morbider Adipositas der Fall. Bei erneuter Evaluation von Patienten mit morbider Adipositas, bei denen in der Vergangenheit ein Asthma diagnostiziert wurde, konnte diese Diagnose nicht bestätigt werden [7]. Häufig sind bei diesen Patienten klassische Merkmale des Asthmas, wie z. B. Allergien, Anzeichen für eine Th2-vermitteltete Entzündung und der Nachweis einer erhöhten Anzahl von eosinophilen Granulozyten in den Atemwegen [8] oder im Blut nicht vorhanden.

Weitere Charakteristika, die häufig als klassisch für Patienten mit einem adipositasassoziierten Asthma beschrieben werden, sind eine schlechte Asthmakontrolle trotz einer guten Lungenfunktion (gemessen am Gebrauch von Bedarfsmedikation und Symptomen), Symptome, die nur gering auf den Einsatz von Kortikosteroiden ansprechen, und ein häufigeres Auftreten von gastroösophagealem Reflux und/oder obstruktivem Schlafapnoesyndrom (OSAS; [9]). Bei diesen symptomatischen Patienten besteht die Gefahr, dass die medikamentöse Asthmatherapie weiter eskaliert wird und auch systemische Steroide zum Einsatz kommen. Aber gerade bei diesen Patienten ist die Effektivität von systemischen Steroiden gering. Zudem kann der Einsatz dieser Medikamente zu Nebenwirkungen führen und insbesondere zur Verschlechterung bereits bestehender Komorbiditäten, wie z. B. eines Diabetes mellitus.

Bei adipösen Patienten muss neben Asthma auch nach anderen möglichen Komorbiditäten gesucht werden

Patienten mit Adipositas und der Diagnose Asthma sollten insbesondere bei ihrer ersten Vorstellung beim Facharzt umfassend evaluiert werden. Dabei muss unbedingt die Diagnose Asthma kritisch überprüft werden. Bei dem Fehlen von (1) obstruktiven Veränderungen in der Lungenfunktion, (2) Sensibilisierungen, (3) Anzeichen für eine Th2-vermittelte Entzündung (z. B. erhöhte Stickstoffmonoxid(NO)-Werte im Exhalat) oder (4) bei einer Vermehrung von eosinophilen Granulozyten im Blut oder Sputum sollte die Diagnose Asthma hinterfragt werden. Insbesondere ist beim Fehlen der oben genannten Parameter wenig Effekt von einer Behandlung mit Steroiden und insbesondere mit systemischen Steroiden zu erwarten. Vielmehr sollte nach bestehenden Komorbiditäten, wie z. B. OSAS oder Reflux, gesucht werden, um diese dann ggf. adäquat zu behandeln.

Effektive Behandlung durch Gewichtsreduktion

Patienten mit Adipositas und Asthma sprechen häufig nur gering auf eine konventionelle medikamentöse Asthmatherapie an, insbesondere wenn keine Anzeichen für eine Sensibilisierung oder Anzeichen einer Entzündung mit erhöhter Anzahl von eosinophilen Granulozyten vorliegen. Der wesentliche Schlüssel zur Behandlung von Patienten mit Adipositas und Asthma liegt dabei in der Behandlung des Übergewichts und den damit verbundenen Komorbiditäten. Wichtig sind dabei eine professionelle Betreuung, die Bereitschaft zur Gewichtsreduktion und die frühzeitige Identifikation möglicher Hindernisse auf diesem Weg. Als erste Schritte im Rahmen der Betreuung sollten eine Anpassung des Lebensstils mit gesunder Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität empfohlen werden. Eine Beratung und Behandlung durch einen Physiotherapeuten und einen Ernährungsberater sind sehr sinnvoll. Diese können ggf. durch eine psychologische Betreuung unterstützt werden. Im weiteren Verlauf sollte eine enge Kontrolle und Dokumentation des Gewichts und der Aktivität der Patienten bei den Arztbesuchen erfolgen. Wenn möglich, kann auch eine Adipositas-Spezialambulanz oder -klinik für das Management der Patienten hinzugezogen werden. Aus vielen Studien ist bekannt, dass bei adäquater Betreuung und ggf. auch medikamentöser Unterstützung 30 % der Patienten einen Gewichtsverlust zwischen 5 und 10 % vom Ausgangsgewicht und ca. 30 % der Patienten eine Gewichtsreduktion >10 % vom Ausgangsgewicht erreichen [1]. Bereits ein Gewichtsverlust von 5–10 % kann bei einigen Patienten zu einer klinisch signifikanten Besserung der Symptomatik führen.

Die bariatrische Chirurgie kann neben dem Gewicht auch die Lungenfunktion positiv beeinflussen

Für Patienten mit morbider Adipositas wird in ausgewählten Fällen auch eine operative Intervention im Rahmen einer bariatrischen Chirurgie durchgeführt. Diese invasive Intervention führt im Regelfall zu einer deutlich stärkeren Gewichtsreduktion. In einigen Studien erreichen >60 % der Patienten einen Gewichtsverlust von >25 % vom Ausgangsgewicht [1]. Dieser starke Gewichtsverlust hat auch bei Patienten mit der Diagnose Asthma erhebliche Effekte auf die Lungenfunktion und die Kontrolle des Asthmas. Ein Jahr nach bariatrischer Chirurgie war ein erheblicher Gewichtsverlust bei den Patienten nachweisbar. Auch war eine signifikante Verbesserung in der Lungenfunktion (insbesondere der Einsekundenkapazität FEV1 und der totalen Lungenkapazität TLC) nachweisbar [10]. Diese funktionelle Verbesserung ging mit einer Reduktion der Symptome einher, welches durch eine Besserung des „Asthma Control Questionnaire“ (ACQ) und des „Asthma Quality of Life Questionnaire“ erfasst werden konnte. In weiteren Untersuchungen zeigte sich auch eine Reduktion der bronchialen Überempfindlichkeit und eine Verbesserung der Funktion der kleinen Atemwege (gemessen mittels Impulsoszillometrie).

Fazit für die Praxis

  • Adipositas tritt mit zunehmender Häufigkeit auf und kann für Patienten erhebliche Konsequenzen haben.

  • Die Adipositas kann sowohl symptomatisch als auch lungenfunktionell Veränderungen induzieren, die sich nur mühsam von einem Asthma unterscheiden lassen.

  • Bei Patienten mit Adipositas ohne relevante Allergie oder Anzeichen für eine eosinophile Entzündung sollte daher die Diagnose Asthma zurückhaltend gestellt werden.

  • Im Vordergrund der Behandlung steht insbesondere die Gewichtsreduktion.

  • Bei Patienten mit morbider Adipositas existiert die Möglichkeit der bariatrischen Chirurgie. Die dadurch induzierte Gewichtsreduktion führt zu einer erheblichen symptomatischen Besserung.