Präambel

In Deutschland werden prähospital pro Jahr ca. 75.000 Reanimationen durchgeführt. Bei 40 % der Patienten sind diese Wiederbelebungsmaßnahmen primär erfolgreich mit Wiederherstellung eines Spontankreislaufs. Bei diesen Patienten, bei denen die weitere Prognose aufgrund der Schwere der Erkrankung sehr ernst ist, kommen der Fachkompetenz und der Ausstattung der weiterbehandelnden Klinik große Bedeutung für das Überleben zu.

In den aktuellen internationalen Leitlinien zur Reanimation wird daher jetzt gefordert, prähospital reanimierte Patienten in spezialisierten Krankenhäusern weiterzubehandeln – sog. Cardiac-Arrest-Zentren. Derzeit liegen in Deutschland noch keine einheitlichen Kriterien für solche Cardiac-Arrest-Zentren vor.

Aus diesem Grund hat eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Anästhesiologen, Kardiologen und Intensivmedizinern, unter dem Schirm des Deutschen Rates für Wiederbelebung (GRC), erstmals Basisanforderungen für Cardiac-Arrest-Zentren erstellt. Diese Kriterien wurden inzwischen von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN) konsentiert. Die Autoren gehen davon aus, dass durch diese jetzt festgelegten Basiskriterien eine einheitliche Definition von Cardiac-Arrest-Zentren möglich wird und eine vergleichbare Grundstruktur für ein besseres Patientenüberleben erreicht werden kann.

Mit Unterstützung der genannten Fachgesellschaften wird maßgeblich aus der Autorengruppe ein Kuratorium etabliert, das unter dem Dach des GRC künftig die Vorbereitungen und die konkreten Anforderungen für einen einheitlichen Zertifizierungsprozess für Cardiac-Arrest-Zentren begleiten bzw. vorgeben wird. Hinsichtlich einiger zentral wichtiger Kriterien (wie der vorgeschriebenen Teilnahme an Reanimationskursen für Interventionskardiologen und der Zahl der pro Zentrum vorgeschriebenen Interventionskardiologen) werden ggf. durch das Kuratorium für den initialen Zertifizierungsprozess befristete Übergangslösungen definiert.

Einleitung

Mehr als 60 % aller prähospitalen Kreislaufstillstände sind unmittelbare Folge eines akuten Koronarproblems. Daher ist die Prognose dieser Patienten wesentlich davon abhängig, wie schnell und mit welcher Qualität die betroffenen Koronararterien versorgt werden – zumindest bei Patienten mit akutem ST-Hebungsinfarkt ist eine Rekanalisation innerhalb von maximal 90–120 min ab Erstkontakt mit dem Rettungsdienst gefordert. Die neuen Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation 2015 enthalten darüber hinaus klare Empfehlungen zum Temperaturmanagement und zur Einschätzung der Prognose eines reanimierten Patienten.

Bei reanimierten Patienten handelt es sich nicht selten um klinisch ausgesprochen instabile Patienten, die in der frühen Phase Komplikationen (z. B. kardiogener Schock, sepsisähnliche Zustandsbilder, Nierenversagen, Beatmungsprobleme etc.) erleiden und bei denen im weiteren Verlauf Entscheidungen mit hoher fachspezifischer Kompetenz (z. B. Herzinsuffizienztherapie, Defibrillatorimplantation) getroffen und umgesetzt werden müssen. Auch muss sich schon früh ein langwieriger Rehabilitationsprozess mit aufwendigen physio- aber auch psychotherapeutischen Maßnahmen anschließen.

Die Betreuung dieses Krankheitsbildes setzt daher eine extrem hohe spezifische Qualifikation der einzelnen beteiligten Fachdisziplinen voraus, die nicht nur für sich genommen eine große Erfahrung im Umgang mit reanimierten Patienten haben müssen (Versorgung hoher Fallzahlen), sondern sich auch durch eine enge interdisziplinäre Kooperation untereinander auszeichnen. Reanimierte Patienten werden dort am besten versorgt, wo viele dieser Patienten behandelt werden.

Daher empfehlen die neuen internationalen Leitlinien die Behandlung reanimierter Patienten in sog. Reanimations- bzw. Cardiac-Arrest-Zentren, die sich strukturell, organisatorisch und logistisch auf die Versorgung speziell dieser Patienten ausgerichtet haben.

GRC-Kriterien für Cardiac-Arrest-Zentren

Nachfolgend werden Qualitätskriterien zur Krankenhausversorgung von Patienten nach außerklinischem Kreislaufstillstand aufgeführt. Sie stellen einen maximal evidenzbasierten Expertenkonsens der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Cardiac-Arrest-Zentren“ des GRC dar.

In Cardiac-Arrest-Zentren muss eine standardisierte Postreanimationsbehandlung überprüfbar garantiert sein.

Allgemeine Voraussetzungen

  1. 1.

    Vorhandensein folgender Fachdisziplinen: interventionelle Kardiologie, Anästhesiologie, Neurologie, Unfallchirurgie (nur in den Zentren, in denen auch Traumapatienten aufgenommen werden)

  2. 2.

    Umfangreiche technische Ausrüstung (Herzkatheterlabor, CT-Röntgen, Echokardiographie einschließlich TEE, hochwertige Beatmungsgeräte, Dialysegerät)

  3. 3.

    Standardisierte Behandlungspfade, wie sie z. B. für Patienten mit ST-Hebungsinfarkt und/oder Traumapatienten existieren

  4. 4.

    Standardisierte Protokollierung der zeitlichen Abläufe

Neben diesen allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich folgende Anforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität:

Strukturqualität

  1. 1.

    24/7 Verfügbarkeit einer geeigneten Notaufnahmeeinrichtung

    Als geeignete Notaufnahmeeinrichtung können dienen: Schockraum, Reanimationsraum, Notaufnahmeraum einer Intensivstation und PCI-Labor. Unabdingbar ist die vollständige Verfügbarkeit aller für die Intensivtherapie erforderlichen Ausstattungen und der entsprechenden personellen Ressourcen.

  2. 2.

    24/7 Verfügbarkeit eines PCI-Labors

    Die Zentren müssen eine 24-h-Rufbereitschaft für die unmittelbare Durchführung einer Notfall-PCI garantieren. Das Personal soll innerhalb von 20 min nach Alarmierung im Katheterlabor präsent sein. Es müssen klar definierte Ablaufprotokolle für die STEMI-Behandlung und die Non-STEMI-Behandlung bestehen, und die zeitlichen Abläufe der Infarktbehandlung müssen überprüfbar dokumentiert und im Anschluss ausgewertet werden. Die Möglichkeit der Direktübergabe reanimierter STEMI-Patienten durch den Rettungsdienst im Katheterlabor muss jederzeit akut gewährleistet sein. Die Direktübergabe durch Notarzt/Rettungsdienst muss darüber hinaus überprüfbar dokumentiert werden.

    Je Cardiac-Arrest-Zentrum sind für die Gewährleistung des 24/7-Bereitschaftsdienstes mindestens vier erfahrene Interventionskardiologen sowie ein erfahrenes Assistenzteam im Herzkatheterlabor mit Nachweis intensivmedizinischer Ausbildung erforderlich. Die an dem Rufdienst teilnehmenden Interventionskardiologen sollen einen zertifizierten Advanced-Life-Support(ALS)-Kurs (oder einen vergleichbaren zertifizierten Kurs) absolviert haben, und mindestens eine Person aus dem Assistenz-Team soll an einem zertifizierten Intermediate-Life-Support(ILS)-Kurs (oder einem vergleichbaren zertifizierten Kurs) erfolgreich teilgenommen haben.

  3. 3.

    24/7 Verfügbarkeit der Notfallsonographie

    Eine jederzeitige Möglichkeit der Notfallsonographie der Herz-Thorax-Organe sowie des Abdomens, z. B. anhand der DEGUM-Empfehlungen, ist unabdingbar.

  4. 4.

    24/7 Verfügbarkeit von Notfall-Röntgen und Computertomographie (CT).

  5. 5.

    24/7 Verfügbarkeit eines Platzes auf einer Intensivstation inklusive der Ausstattung zum leitliniengerechten Temperaturmanagement

    Pro Schicht soll zumindest der diensthabende Arzt der Intensivstation einen zertifizierten ALS-Kurs (oder einen vergleichbaren zertifizierten Kurs) absolviert haben, und mindestens eine Person aus dem Assistenz-Team soll an einem zertifizierten ILS-Kurs (oder einem vergleichbaren zertifizierten Kurs) teilgenommen haben.

    Das Personal muss bezüglich des Temperaturmanagements geschult sein.

  6. 6.

    24/7 Verfügbarkeit eines fachneurologischen Dienstes.

  7. 7.

    Regelmäßige Qualitätszirkel zur Reanimationsversorgung

    Der Nachweis eines regelmäßigen lokalen Qualitätszirkels zur Reanimationsversorgung ist erforderlich. Es sollen hier alle Komponenten und Disziplinen der präklinischen und klinischen Versorgungskette eingebunden sein. Der Zirkel sollte systematisch und regelmäßig stattfinden (z. B. 2‑ bis 4‑mal pro Jahr) und neben einer Analyse der Prozess- und Ergebnisqualität auch Einzelfallanalysen beinhalten.

Prozessqualität

Zur Sicherstellung der gebotenen und adäquaten Prozessqualität sind detaillierte – und ggf. interdisziplinär und interprofessionell konsentierte – Standard Operating Procedures (SOPs) für die folgenden Prozesse erforderlich:

  1. 1.

    SOP zur Übernahme von Notfallpatienten nach prähospitaler Reanimation durch ein definiertes Cardiac-Arrest-Team.

  2. 2.

    SOP zur Schnittstellenkommunikation mit dem Rettungsdienst.

    Die notwendige Kommunikation zwischen Rettungsdienst und Cardiac-Arrest-Zentrum beinhaltet die strukturierte und dokumentierte Notfallpatientenanmeldung, die Definition von Kommunikationswegen – ausdrücklich in beiden Richtungen – und die klare Festlegung von Verantwortlichkeiten. Ebenfalls hierunter abzubilden sind vorhandene oder zukünftige Komponenten telemedizinischer Technologien.

  3. 3.

    SOP zur Notfalldiagnostik bei Notaufnahme nach Reanimation.

  4. 4.

    SOP zur Intensivtherapie einschließlich Temperaturmanagement.

  5. 5.

    SOP zu strukturiertem Outcome-Assessment/Therapieabbruch

    Dies beinhaltet strukturierte Regelungen zur unabhängigen Prognosebeurteilung durch qualifizierte Teams, ggf. mit Einbindung eines lokalen Ethik-Komitees.

  6. 6.

    SOP zum Angehörigengespräch.

  7. 7.

    SOP zu einer möglichen Organspende.

Ergebnisqualität

Der Nachweis einer systematischen und standardisierten Erfassung des Behandlungsverlaufs und des Outcomes bis zur Entlassung (z. B. Weiterversorgungsdatensatz Deutsches Reanimationsregister und/oder andere überprüfbare Register) sind für alle Patienten sicherzustellen und einem initial und danach alle 2 Jahre durchzuführenden externen Audit einer unabhängigen Organisation zu präsentieren.