Definitionsgemäß versteht man unter (Gon-)Arthrose eine Gelenkfehlfunktion aufgrund struktureller Schäden, die zum Funktionsverlust und schließlich Gelenkkollaps führen können. Diese Strukturschäden, unter denen der Schädigung des hyalinen Knorpels zentrale Bedeutung zukommt, haben einerseits intrinsische Ursachen (Alter, Geschlecht, Rasse) und treten primär, ohne Einwirkungen von außen auf (sog. idiopathische oder primäre Gonarthrose). Daneben gibt es vermutete oder gesicherte Faktoren, die zusätzlich zur individuellen intrinsischen Disposition das Gonarthroserisiko erhöhen. Treffen diese Faktoren zu, erhöht sich das Gonarthroserisiko zusätzlich zu dem bereits jedem Gelenk innewohnende intrinsischen Risiko (sog. sekundäre Gonarthrose). Eine grundsätzliche Trennung beider Arthroseformen ist dabei oft nicht möglich.

Als typische Ursache für die Entstehung sekundärer Gonarthrosen werden Verletzungen des Kniegelenks und u. U. der betreffenden Extremität (sog. Anschlussarthrosen) angesehen. Der pathophysiologische Mechanismus kann dabei unterschiedlich sein.

  • Erstens kann die Rasanz des Traumas selbst zu erheblichen strukturellen Schäden am Knie führen, die per se Funktionsstörung bzw. Gelenkkollaps bedingen und quasi einer Gonarthrose gleichkommen.

  • Zweitens können Verletzungsfolgen (z. B. Inkongruenz der Gelenkflächen, Instabilität) zu einer schleichenden Beeinträchtigung von hyalinem Knorpel und anderen Gelenkstrukturen führen, die schließlich nach länger dauernder Latenzzeit, für die Patienten oft zunächst unbemerkt, in der arthrotischen Fehlfunktion endet.

  • Drittens können wiederholte Mikrotraumen (z. B. wiederholte Distorsionen), die als alleinige Verletzung keinen Risikofaktor für eine Gonarthrose darstellen würden, durch die Summation die beschriebenen Strukturveränderungen am Gelenk bedingen. Dabei ist natürlich die Abgrenzung zwischen Überbelastung (Beruf, Sport) und diesen Mikrotraumen schwierig.

Die Kenntnisse über die Epidemiologie der posttraumatischen Gonarthrose sind keineswegs eindeutig gesichert.

Belo et al. [1] fanden bei einer systematischen Übersichtsarbeit (37 Studien mit relativ strengen Einschlusskriterien) von Prognosefaktoren für die Gonarthrose keinen Zusammenhang von Verletzungen des Kniegelenks und einer Arthroseprogression. Zitiert werden hier die Ergebnisse von 2 Studien, die den Einfluss von Traumen auf die Entstehung der Gonarthrose untersuchten. In der Framingham-Studie [3] wurde, adjustiert nach dem Lebensalter, die Verletzung als signifikanter Risikofaktor bei Männern [OR = 3,8 (OR: „odds ratio“ mit CI (Konfidenzintervall) 0,3–48,1] ermittelt. Für Frauen hingegen war das Trauma kein signifikanter Risikofaktor (OR = 0,3 mit CI 0,003–2,4). Ebenso wurde aus der Chingford-Studie lediglich ein tendenzieller Einfluss von Verletzungen auf das Gonarthroserisiko gefunden. Die Traumafrequenz betrug hier 13,7% bei Gonarthrose, während sie bei arthrosefreien Patienten nur 8,2% betrug [5]. Bei dieser Studie wurden jedoch nur Frauen mittleren Lebensalters (n = 1003, Beginn 1989, Follow-up 14 Jahre) einbezogen. Auch bei Cooper et al. [2] war ein Trauma kein signifikanter Risikofaktor für eine KL (Kellgren-Lawrence) Gonarthrose Grad I (OR = 1,2 mit CI 0,5–3,0) oder Grad II (OR = 1,1 mit CI 0,3–4,4). Schouten et al. [6] untersuchten 422 Patienten [Alter 57,2 Jahre (46 bis 68 Jahre) zu Beginn der Untersuchung] der holländischen Stadt Zoetermeer nach 12 Jahren. Sie differenzierten zwischen allgemeinen Knie- und Sportverletzungen. Dabei fanden sie für allgemeine Knieverletzungen ein tendenziell (OR = 2,62 mit CI 0,93–7,36) erhöhtes Gonarthroserisiko. Sportverletzungen hingegen waren mit keinem erhöhten Gonarthroserisiko (OR = 0,62 mit CI 0,17–2,19) assoziiert. Gelber et al. [4] hingegen kamen zu einem anderen Ergebnis. Von 1948–1964 wurden insgesamt 1321 Medizinstudenten der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (Durchschnittsalter 22 Jahre zu Studienbeginn) über durchschnittlich 36 Jahre jährlich bezüglich radiologisch nachgewiesener Gonarthrose befragt. Knietraumen schlossen hier Band- und Meniskusverletzungen ebenso wie kniegelenknahe Frakturen (Patella, Tibiakopf), aber auch unspezifische Knietraumen ein. Ohne Differenzierung einzelner Verletzungen fanden Gelber et al. [4] das Knietrauma als signifikanten Faktor für die Gonarthrose (OR = 7,5 mit CI 4,9–11,6).

Inwieweit durchgemachte Verletzungen des Kniegelenks als konkurrierender Faktor zur BK (Berufskrankheit) 2112– Gonarthrose anzusehen sind, bedarf im jeweiligen konkreten Fall einer individuellen Beurteilung.

Für die Beurteilung des Einzelfalls sind diese Erkenntnisse aus großen epidemiologischen Studien nur unzureichend brauchbar. Für eine konkrete Risikoabschätzung sind daher valide Daten erforderlich, die ein konkretes Gonarthroserisiko für spezielle Verletzungen entweder bejahen oder verneinen. Um das konkrete Gonarthroserisiko nach Verletzungen des Kniegelenks selbst oder nach Verletzungen der unteren Extremität konkret abschätzen zu können, wurde eine Metaanalyse durchgeführt [7]. Dabei wurde ein systematisches Literatur-Review [Pubmed, EMBASE (Excerpta Medica Database), Chochrane, „web of science“] durchgeführt.

Zunächst wurden Daten zur Prävalenz der Gonarthrose in der Normalbevölkerung ermittelt [8]. Diese beträgt ohne Adjustierung auf Alter, Rasse und Geschlecht 27,1% (95%-CI 26,6–27,7). Diese Arthroserate der Normalbevölkerung wurde mit den Ergebnissen aus klinischen Studien, die über Langzeitergebnisse nach bestimmten Verletzungen des Kniegelenks berichteten, verglichen. Dadurch war es möglich die Effektstärke (OR, relatives Risiko) des Auftretens einer Gonarthrose nach speziellen Verletzungen abzuschätzen (Tab. 1).

Tab. 1 Relatives Risiko einer sekundären, posttraumatischen Gonarthrosea. (Aus [7])