Die Ursache für das große klinische Interesse am Kniegelenk ist die Häufigkeit, mit der es Probleme bereitet. Die langen Röhrenknochen wirken als starke Hebel, und das Knie ist in Flexionsstellung häufig auch durch seine dann exponierte Position durch Gewalteinwirkungen besonders gefährdet.

Fallstricke bei Verletzungen des Kniegelenks betreffen sowohl die Diagnostik – in Form von Fehl- oder gar vollständig fehlenden Diagnosen – als auch die Therapie, bei welcher es zu technischen Fehlern kommen kann, die letztlich schwere Folgen nach sich ziehen können. Auch vermeidbare oder unvorhersehbare Komplikationen sind bekannt.

Diagnose

Anamnese und körperliche Untersuchung

Nicht immer sind Unfallmechanismus und Ausdehnung der Kniegelenkverletzung offensichtlich. Durch eine sorgfältige Untersuchung lassen sich etwa 1/3 aller Schäden am Kniegelenk durch Palpation, Inspektion, Meniskusdiagnostik und Bandstabilitätsprüfung in Verbindung mit der Anamnese erkennen [23].

Zur Anamnese gehören Angaben über den Unfallzeitpunkt, -ort, -hergang sowie dessen Art – Arbeits- oder Wegeunfall bzw. Freizeitverletzungen. Von Interesse ist auch die Gegnereinwirkung, z. B. ob direkte Gewalteinwirkung gegeben war oder ob es sich um ein Verdrehtrauma handelt.

Die Lokalisierung des Schmerzes fällt dem Patienten oft schwer. Bei der Inspektion sind Achsabweichungen, Schwellung und Hautläsionen zu beachten. Die Palpation lässt eine Unterscheidung der Schwellung in Weichteilschwellung oder ergussverursachte Schwellung zu. Ein fehlender Gelenkerguss kann nach Kniebinnenverletzungen das Ausmaß kaschieren, wenn der Hämarthros über einen Kapselriss Abfluss findet.

Bildgebung

Im Anschluss an die körperliche Untersuchung erfolgt die Röntgenaufnahme des Kniegelenks in 2 bzw. 3 Ebenen. Beurteilt werden können das Femorotibialgelenk, das distale Femur und die proximale Tibia sowie die Kreuzbandhöcker, das Fibulaköpfchen und in der lateralen Aufnahme der ventrale Streckapparat und die Patellalage. Bleibt das Röntgenbild unauffällig und ist dies mit der Klinik des Patienten nicht vereinbar, sollte eine weiterführende Diagnostik angeschlossen werden. Unverschobene Tibiakopffrakturen z. B. können mittels Computer- (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostiziert werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Leicht übersehbare laterale Tibiakopffraktur, a Röntgenaufnahmen (unklarer Befund), b Identifikation im MRT

Die MRT dient außerdem der Beurteilung der Menisken, der Kreuz- und Seitenbänder sowie des Streckapparats. Auch chondrale und osteochondrale Läsionen und das periartikuläre Weichteilgewebe können beurteilt werden.

Aber auch günstigere Methoden wie die Sonographie können die Diagnostik erleichtern. So sind mittels Ultraschall ein Erguss, Quadrizeps- und Patellarsehnenläsionen sowie Verletzungen der Seitenbänder und des vorderen Kreuzbandes feststellbar.

Therapie

Von entscheidender Bedeutung sind folgende Punkte:

  • Berücksichtigung der Weichteilverhältnisse,

  • Wiederherstellung der Stabilität, insbesondere auch der Gelenkflächen, sowie

  • Wiederherstellung der Beinachse.

Zudem spielt der Zeitpunkt der Behandlung eine wichtige Rolle.

Bei der Wahl des Implantats müssen die Knochenqualität und die Compliance des Patienten Beachtung finden. Auch die Durchblutungssituation des Knochens sollte respektiert werden, ansonsten kann es leicht zu Heilungsstörungen, Sequestrierungen oder Osteonekrosen kommen.

Tibiakopffrakturen

Ihre Therapie ist sehr anspruchsvoll. Es finden sich ein komplexer Kapsel-Band-Apparat und ein empfindlicher Weichteilmantel. Auch auf die exakte anatomische Wiederherstellung des Tibiaplateaus kommt es im besonderen Maße an. Nicht übersehen werden sollten Begleitverletzungen, wie Kompartmentsyndrom, lokaler Weichteilschaden, Meniskusläsionen und Innenbandrupturen v. a. bei Plateaufrakturen durch axiale Gewalteinwirkung [12]. Neurovaskuläre Verletzungen liegen zudem häufig bei Rasanztraumen durch Verkehrsunfälle, aber auch durch Sportunfälle vor. Bei Trümmerfrakturen durch direkte Gewalteinwirkung können lokale Knochenverluste entstehen.

Bei der Therapie sollten keine Stufen der Knorpeloberfläche von über 2 mm belassen werden. Bei Destruktionen der Weichteile kann eine Behandlung der Tibiakopffraktur nach einer Zeit von 4–7 Tagen sinnvoll sein. Dislokationen der Tibiakopfregion sollten jedoch sofort reponiert werden [1, 12].

Begleitende Bandverletzungen sollten ebenfalls mitbehandelt werden: Das Außenband kann mit einer Naht refixiert werden. Knöcherne Kreuzbandverletzungen werden reponiert und mit in die Osteosynthese einbezogen. Eine primäre Kreuzbandplastik ist nicht indiziert.

Bei offenen Frakturen empfehlen sich das chirurgische Débridement und die Anlage eines Fixateur externe zur Stabilisierung. Der Weichteilmantelverschluss erfolgt ggf. mit Hautersatz und einer sekundären Lappendeckung. Zusätzlich sollte eine Antibiotikaabdeckung eingesetzt werden.

Liegen Begleitverletzungen der Gefäße vor, sollten der operative Zugang zu deren Rekonstruktion beachtet und zunächst am ehesten ein Fixateur externe zur Stabilisierung des Tibiakopfs eingesetzt werden.

Bei Kompartmentsyndrom ist die sofortige Dermatofasziotomie aller 4 Kompartments indiziert [21].

Wenn möglich sollte ein lateraler Zugang gewählt werden. Hier ist eine gute Bedeckung durch die Muskulatur gegeben. Auf eine Präparation subkutan sollte verzichtet werden, denn diese ist mit einem erhöhten Risiko für eine Hautnekrose behaftet. Über den lateralen Zugang kann man die Gelenkfläche einsehen.

Bei posterolateralen Tibiakopffrakturen können eine Fibulaosteotomie oder eine Lösung des Tibiofibulargelenks erforderlich werden [14]. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn bei einer anteromedialen Fraktur der Zugang von medial gewählt wird. Hier besteht die Gefahr von Läsionen und nachfolgenden Infekten des Hautweichteilmantels, der hier besonders dünn ist [22] (Abb. 2 a).

Abb. 2
figure 2

Tiefer Infekt des Plattenlagers nach Hautweichteilmantelinfekt (a), Resultat nach Materialentfernung und chirurgischer Defektsanierung (b)

Sollte es zu Wundheilungsstörungen oder Hautnekrosen gekommen sein, kann eine vollständige Materialentfernung mit ausgedehntem Weichteil- und Knochendébridement sowie der Anlage eines Fixateur externes und Septopalketteneinlage nötig werden. Sekundär erfolgt eine Hauttransplantation zur Defektabdeckung [21] (Abb. 2 b).

Bei monokondylären Frakturen eignet sich die Arthroskopie zur Kontrolle der Wiederherstellung der Gelenkfläche [4]. Die Osteosynthese ist mit einer unilateralen Abstützplatte, winkelstabilen Platten und u. U. auch mit Schrauben möglich. Nach der operativen Therapie ist eine frühe Mobilisation des Kniegelenks mittels Motorschiene angeraten, da die Immobilisation der traumatisierten Knorpeloberfläche zur weiteren irreversiblen Knorpelschädigung und Gelenksteife führt. [3].

Vordere Kreuzbandruptur

Die typischen Verletzungsmechanismen sind

  • Flexions-Valgus-Außenrotations-Traumen sowie

  • Flexions-Varus-Innenrotations-Traumen.

Diagnose

Im Vordergrund steht der Hämarthros. Die klinische Untersuchung kann durch die reflektorische, schmerzbedingte Muskelanspannung erschwert sein. Wichtig hierbei ist v. a. die Erfassung der Seitendifferenz, nicht der Absolutwert der Instabilität. Bei der nativradiologischen Untersuchung in 3 Ebenen sollte besonders auf knöcherne Fragmente an der lateralen Tibiagelenkfläche (Segond-Läsion) sowie Impressionen der lateralen Femurrolle oder der hinteren Tibiakante geachtet werden. Diese sind oft mit einer vorderen Kreuzbandruptur vergesellschaftet. Das MRT dient zur Lokalisation und Klärung der Morphologie der Bandruptur und der Begleitverletzungen.

Therapie

Neben der Verletzung selbst und den Begleitverletzungen sind auch der Aktivitätsgrad des Patienten hinsichtlich Beruf und Sportausübung sowie dessen Erwartungen zu berücksichtigen [5, 7].

Die operative Therapie ist insbesondere für Patienten geeignet, die „high-risk pivoting“-Sportarten wie Fußball oder Basketball ausüben. Bei geringeren Anforderungen an die Gelenkstabilität ist eine konservative Therapie zu erwägen. Das gängige Verfahren für die Operation stellt die arthroskopische Kreuzbandrekonstruktion mittels autologem Transplantat dar [9, 19].

Der Operationszeitpunkt sollte innerhalb von 48 h nach dem Trauma oder nach Abklingen des akuten Reizzustands nach 3–6 Wochen liegen. Ein Eingriff in der Zwischenzeit (48 h–3 Wochen) ist mit einem erhöhten Risiko an Bewegungseinschränkungen verbunden [11]. Die Voraussetzung für ein gutes Ergebnis ist die korrekte Implantation durch exakte Anlage der Bohrkanäle. Sie sollte sich an der ursprünglichen Anatomie orientieren. Spezielle Zielgeräte können die Anlage der Bohrkanäle erleichtern. Eine zu weit anteriore Position im femoralen Anteil hat eine große Spannung des Transplantats in Flexion zu Folge. Eine zu weit posteriore Lokalisation bewirkt eine zu hohe Spannung in Extension [6, 10, 18] (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Platzierung der Bohrkanäle, grüne Punkte korrekte Lage derselben

Hintere Kreuzbandruptur

Der Verletzungsmechanismus ist die ventrale Krafteinwirkung auf den proximalen Unterschenkel bei 90° Flexion wie bei der Dash-Board-Injury.

Diagnose

Die hintere Kreuzbandruptur wird häufig übersehen. Indizien sind eine Prellmarke prätibial zusammen mit dem passenden Unfallhergang. Zusätzlich liegen häufig Rupturen des lateralen und medialen Kollateralbandes und der Kapsel-Band-Strukturen vor.

Nativradiologisch sind möglicherweise ein tibialer knöcherner Ausriss des hinteren Kreuzbandes und bei Begleitverletzung der Kapsel-Band-Strukturen auch ein knöcherner Ausriss an der Fibulaspitze zu erkennen.

Die beste Darstellung erfolgt mittels MRT [13].

Therapie

Im Gegensatz zur vorderen Kreuzbandruptur beklagen die Patienten bei der hinteren Kreuzbandruptur selten ein Instabilitätsgefühl. Bei Instabilität oder gar Subluxationen ist die Rekonstruktion anzuraten. Dabei sollte man ggf. auch die posterolateralen/-medialen Strukturen mit rekonstruieren, da es sonst zu einer Residualinstabilität kommen kann [8].

Schwierigkeit bereitet bei der operativen Therapie nicht die Bohrung am Femur, sondern der tibiale Bohrkanal, bei dessen Anlage die neurovaskulären Strukturen geschont werden müssen. Dazu sollte er in ventrodorsaler Richtung in Flexion des Kniegelenks angelegt werden. Zudem sollten Zielgeräte verwendet werden, eine Kontrolle mittels Röntgenbildwandler wird angeraten [17].

Quadrizeps-/Patellarsehnenruptur

Bei der klinischen Untersuchung fällt ein aktives Streckdefizit auf, während die passive Streckung erhalten bleibt. Zum Teil ist auch eine Delle tastbar.

Nativradiologisch ist ein Patellahoch- bzw. -tiefstand sichtbar. Eine weitere bildgebende Diagnostik ist nur in Ausnahmefällen nötig. Diese kann mittels Sonographie oder auch MRT erfolgen.

Bei größeren tendinösen Defekten sollte die operative Therapie frühzeitig erfolgen, da sie später durch Ödeme und narbige Retraktionen erschwert wird [2, 20].

Weichteilverletzungen

Begleitkomplikationen von Kniegelenkverletzungen können neben den oben angeführten auch neurovaskuläre Probleme sein: Ruptur oder Läsion der A. poplitea oder Läsionen des N. peronaeus. Daher ist eine Erhebung des Befundes hinsichtlich Durchblutung, Motorik und Sensibilität bei der Erst-, aber auch in Form von Kontrolluntersuchungen erforderlich. Neben der klinischen Untersuchung finden hier Dopplersonographie, Kontrastmitteldarstellung mittels Angiographie oder Angio-MRT bzw. Angio-CT Anwendung [15, 16] (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Begleitende vaskuläre Läsionen, ggf. erst durch Angiographie darstellbar

Fazit für die Praxis

Neben der genauen Kenntnis des Unfallmechanismus sind eine gewissenhafte Untersuchung des Patienten, die Funktionsprüfung des Gelenks, der angrenzenden Gelenke, der Durchblutung und der Sensomotorik unabdingbar. Nach dem nativen Röntgenbild sind bei Zweifeln eine weiterführende Diagnostik mittels MRT, CT oder auch Angiographie erforderlich.

Therapeutisch müssen zu den üblichen Komplikationen besonders die angeführten verletzungsspezifischen Fallstricke bekannt sein. Nur so ist eine Minimierung von Komplikationen auf Dauer möglich.