Zusammenfassung
Die winkelstabile Plattenosteosynthese ist für die Versorgung von Problemfrakturen bzw. Instabilitäten geeignet, da die Vorteile der winkelstabilen Verankerung mit einer minimalinvasiven Implantationstechnik und postoperativer Funktionsstabilität erreicht werden können. Aus diesen Gründen ist die winkelstabile Plattenosteosynthese auch bei Problemversorgungen wie Pseudarthrosen, Infektpseudarthrosen, periprothetischen Frakturen, Korrekturosteotomien und pathologischen Frakturen indiziert. Nachteilig wirken sich die eingeschränkten Korrekturmöglichkeiten zur Applikation der Schrauben, das bei großen Röhrenknochen relativ massive Implantat mit daraus resultierender Einschränkung der Modellierfähigkeit und der eingeschränkte Einsatz bei kritischer Weichteilsituation aus. Die Besonderheiten der Implantateigenschaften erfordern eine kritische Indikationsstellung und einen erfahrenen Operateur.
Abstract
Treatment with locked screw plates is suitable for problematic or unstable fractures, because the advantages of fixed-angle fixation can be reached with a minimally invasive implantation technique and functional stability after surgery. For these reasons, the locked screw plate is indicated even in such problematic situations as nonunion, periprosthetic fractures, revision osteotomies and pathologic fractures. Disadvantages can result from the restricted possibilities for correcting the application of the screws, the relatively massive implant needed when long bones are treated, which limits the capacity for modeling, and the restrictions on its use when critical soft tissue damage is present. These special characteristics of the implant mean that the indications for its use must be strictly defined and it should be inserted only by experienced surgeons.
In den letzten Jahren haben sich winkelstabile Implantate zur Versorgung von Frakturen der langen Röhrenknochen bei bestimmten Indikationen bewährt und besonders bei gelenknahen Brüchen ihre biomechanischen Vorteile zur Geltung bringen können.
Obwohl die Domäne der winkelstabilen Implantate in der Versorgung von Frakturen der langen Röhrenknochen im Gelenkbereich liegt, finden sie zunehmend auch in der Versorgung von Problemfrakturen bzw. Instabilitäten Verwendung.
Im Folgenden sollen die wesentlichen Einsatzgebiete und die Vor- und Nachteile der winkelstabilen Plattenosteosynthese bei so genannten Sonderindikationen dargestellt werden.
Patienten und Methode
Im Zeitraum vom 31.1.2002–31.1.2003 wurden bei 26 Patienten winkelstabile Implantate bei so genannten Sonderindikationen verwendet.
Als Sonderindikationen sehen wir die Anwendung der winkelstabilen Implantate
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bei Pseudarthrosen und Infektpseudarthrosen,
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bei Korrekturosteotomien,
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bei periprothetischen Frakturen und
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bei pathologischen Frakturen.
Im oben genannten Zeitraum wurden
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12 Pseudarthrosen (Abb. 5),
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6 Korrekturosteotomien,
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4 Infektpseudarthrosen,
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3 periprothetische Frakturen (Abb. 4) und
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1 pathologische Fraktur (Abb. 6)
mit winkelstabilen Implantaten versorgt.
Hinsichtlich der Lokalisation ist festzuhalten, dass in unserem Krankengut überwiegend Stabilisierungen an den oberen Extremitäten vorgenommen wurden, insbesondere bei Infekt- bzw. Pseudarthrosen.
Diskussion
Der Verwendung winkelstabiler Implantate zur Versorgung von Problemfrakturen bzw. Instabilitäten liegen die gleichen biomechanischen Prinzipien wie bei den Standardindikationen zugrunde. Durch die winkelstabile Verankerung der Schrauben in der Platte kann eine feste Verankerung des Implantats auch ohne direkten Knochenkontakt erzielt werden. Als vorteilhaft ist diesbezüglich anzusehen, dass die Platte bei den winkelstabilen Implantaten nicht durch das Einbringen der Schrauben an den Knochen angepresst werden muss (Abb. 1). Dadurch ist eine geringere Beeinträchtigung der periostalen Durchblutung des bereits in vielen Fällen vorgeschädigten Knochens zu erwarten. Die winkelstabil verankerte Platte wirkt wie ein innerer Fixateur und kann aufgrund der festen Verankerung der Schrauben in der Platte auch monokortikal verankert werden.
Zur Implantation der winkelstabilen Implantate ist auch eine minimalinvasive Implantationstechnik geeignet (Abb. 2).
Nachteilig wirkt sich aus, dass die Platten besonders an großen Röhrenknochen aufgrund der Dimensionierung schwer verformbar sind und die Schraubenlage aufgrund der winkelstabilen Verankerung in der Platte nicht wesentlich korrigierbar ist (Abb. 3). Gelegentlich ist auch der bereits oben erwähnte Abstand zwischen der Platte und dem Knochen im Sinne eines inneren Fixateurs besonders bei geringer Weichteildeckung von Nachteil.
Zur exakten Reposition insbesondere von Frakturen der langen Röhrenknochen ist die oben erwähnte Minimalinvasivität nicht immer durchzusetzen und dementsprechend ein offenes Zugehen erforderlich.
Bei
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Pseudarthrosen,
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periprothetischen Frakturen (Abb. 4),
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pathologischen Frakturen und
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Korrekturosteotomien
ist der Einsatz von winkelstabilen Implantaten aufgrund der oben angeführten Eigenschaften oft hilfreich. Insbesondere in Situationen, in denen eine Marknagelosteosynthese nicht möglich ist, bietet sich die winkelstabile Plattenosteosynthese an. Voraussetzung ist jedoch eine relative gute Weichteilsituation. Die winkelstabile Verankerung der Implantate lässt auch eine ausreichende stabile Situation für die postoperative Mobilisierung bei fraglicher Knochenqualität zu.
Bei Pseudarthrosen (Abb. 5) ist in vielen Fällen aufgrund vorbestehender Behandlungsmaßnahmen und überschießender Knochenbildung bzw. gelenknaher Lokalisation die winkelstabile Plattenosteosynthese gegenüber dem Marknagel von Vorteil, da durch die zusätzliche Anlagerung von Spongiosa ein offener Zugang erforderlich ist, über den dann auch die Osteosynthese vorgenommen werden kann.
Ähnliches gilt für die Korrekturosteotomien. Hier ist insbesondere zu betonen, dass aufgrund der winkelstabilen Verankerung der Schrauben im Implantat die korrigierte Stellung des Knochens nach unserer Erfahrung besser gehalten werden kann als in bisheriger Weise durch die konventionelle Plattenosteosynthese oder Marknagelung. Die stabile Verankerung der Schrauben im Implantat erlaubt eine frühzeitige funktionelle Therapie mit allen bekannten Vorteilen.
Eine weitere Indikation sind die periprothetischen Frakturen, wobei insbesondere am Oberschenkel durch Verlegung des Markraums bei einliegender Hüft-TEP eine Marknagelosteosynthese nicht in Frage kommen kann. Hier ist die stabile Verankerung der Platte mit monokortikal eingebrachten Schrauben vorteilhaft (Abb. 4). Außerdem erlaubt die winkelstabile Plattenosteosynthese eine frühzeitige Vollbelastung der betroffenen Extremität. Insbesondere bei periprothetischen Frakturen ist in vielen Fällen die Knochenqualität fraglich, sodass der winkelstabilen Verankerung des Implantats in diesen Fällen eine besondere Bedeutung zukommt.
Ähnliche Vorteile bietet die winkelstabile Plattenosteosynthese bei pathologischen Frakturen (Abb. 6):
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Zur Gewinnung von Gewebeproben zur histologischen Untersuchung ist ein offenes Zugehen erforderlich.
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Bei pathologischen Frakturen ist die Marknagelosteosynthese aufgrund der Sklerosierung des Markraums nicht möglich.
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Die winkelstabile Plattenosteosynthese ist besonders zur Realisierung einer Verbundosteosynthese geeignet und gewährleistet eine stabile Verankerung, die auch für die postoperative Mobilisierung des Patienten vorteilhaft ist.
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Militz, M., Bühren, V. Sonderindikationen der winkelstabilen Plattenosteosynthese. Trauma Berufskrankh 6 (Suppl 2), S262–S265 (2004). https://doi.org/10.1007/s10039-003-0769-1
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DOI: https://doi.org/10.1007/s10039-003-0769-1