In den letzten Jahren haben sich winkelstabile Implantate zur Versorgung von Frakturen der langen Röhrenknochen bei bestimmten Indikationen bewährt und besonders bei gelenknahen Brüchen ihre biomechanischen Vorteile zur Geltung bringen können.

Obwohl die Domäne der winkelstabilen Implantate in der Versorgung von Frakturen der langen Röhrenknochen im Gelenkbereich liegt, finden sie zunehmend auch in der Versorgung von Problemfrakturen bzw. Instabilitäten Verwendung.

Im Folgenden sollen die wesentlichen Einsatzgebiete und die Vor- und Nachteile der winkelstabilen Plattenosteosynthese bei so genannten Sonderindikationen dargestellt werden.

Patienten und Methode

Im Zeitraum vom 31.1.2002–31.1.2003 wurden bei 26 Patienten winkelstabile Implantate bei so genannten Sonderindikationen verwendet.

Als Sonderindikationen sehen wir die Anwendung der winkelstabilen Implantate

  • bei Pseudarthrosen und Infektpseudarthrosen,

  • bei Korrekturosteotomien,

  • bei periprothetischen Frakturen und

  • bei pathologischen Frakturen.

Im oben genannten Zeitraum wurden

  • 12 Pseudarthrosen (Abb. 5),

  • 6 Korrekturosteotomien,

  • 4 Infektpseudarthrosen,

  • 3 periprothetische Frakturen (Abb. 4) und

  • 1 pathologische Fraktur (Abb. 6)

mit winkelstabilen Implantaten versorgt.

Hinsichtlich der Lokalisation ist festzuhalten, dass in unserem Krankengut überwiegend Stabilisierungen an den oberen Extremitäten vorgenommen wurden, insbesondere bei Infekt- bzw. Pseudarthrosen.

Diskussion

Der Verwendung winkelstabiler Implantate zur Versorgung von Problemfrakturen bzw. Instabilitäten liegen die gleichen biomechanischen Prinzipien wie bei den Standardindikationen zugrunde. Durch die winkelstabile Verankerung der Schrauben in der Platte kann eine feste Verankerung des Implantats auch ohne direkten Knochenkontakt erzielt werden. Als vorteilhaft ist diesbezüglich anzusehen, dass die Platte bei den winkelstabilen Implantaten nicht durch das Einbringen der Schrauben an den Knochen angepresst werden muss (Abb. 1). Dadurch ist eine geringere Beeinträchtigung der periostalen Durchblutung des bereits in vielen Fällen vorgeschädigten Knochens zu erwarten. Die winkelstabil verankerte Platte wirkt wie ein innerer Fixateur und kann aufgrund der festen Verankerung der Schrauben in der Platte auch monokortikal verankert werden.

Abb. 1.
figure 1

Stabile Fixierung der Platte auch ohne Andruck an den Knochen, Verankerung der winkelstabilen Schrauben in der Platte vergleichbar einem inneren Fixateur

Zur Implantation der winkelstabilen Implantate ist auch eine minimalinvasive Implantationstechnik geeignet (Abb. 2).

Abb. 2.
figure 2

Implantation der winkelstabilen Platte ist auch in minimalinvasiver Technik möglich

Nachteilig wirkt sich aus, dass die Platten besonders an großen Röhrenknochen aufgrund der Dimensionierung schwer verformbar sind und die Schraubenlage aufgrund der winkelstabilen Verankerung in der Platte nicht wesentlich korrigierbar ist (Abb. 3). Gelegentlich ist auch der bereits oben erwähnte Abstand zwischen der Platte und dem Knochen im Sinne eines inneren Fixateurs besonders bei geringer Weichteildeckung von Nachteil.

Abb. 3a,b.
figure 3

Lage der winkelstabilen Schrauben in der Platte wird durch das Verankerungsgewinde vorgegeben, hier Bohrung über die im Verankerungsgewinde eingeschraubte Bohrhülse

Zur exakten Reposition insbesondere von Frakturen der langen Röhrenknochen ist die oben erwähnte Minimalinvasivität nicht immer durchzusetzen und dementsprechend ein offenes Zugehen erforderlich.

Bei

  • Pseudarthrosen,

  • periprothetischen Frakturen (Abb. 4),

    Abb. 4.
    figure 4

    Monokortikale Verankerung bei periprothetischer Fraktur mit massivem Hüft-TEP-Stiel

  • pathologischen Frakturen und

  • Korrekturosteotomien

ist der Einsatz von winkelstabilen Implantaten aufgrund der oben angeführten Eigenschaften oft hilfreich. Insbesondere in Situationen, in denen eine Marknagelosteosynthese nicht möglich ist, bietet sich die winkelstabile Plattenosteosynthese an. Voraussetzung ist jedoch eine relative gute Weichteilsituation. Die winkelstabile Verankerung der Implantate lässt auch eine ausreichende stabile Situation für die postoperative Mobilisierung bei fraglicher Knochenqualität zu.

Bei Pseudarthrosen (Abb. 5) ist in vielen Fällen aufgrund vorbestehender Behandlungsmaßnahmen und überschießender Knochenbildung bzw. gelenknaher Lokalisation die winkelstabile Plattenosteosynthese gegenüber dem Marknagel von Vorteil, da durch die zusätzliche Anlagerung von Spongiosa ein offener Zugang erforderlich ist, über den dann auch die Osteosynthese vorgenommen werden kann.

Abb. 5a–d.
figure 5

Distaler Radius, a,b Pseudarthrose mit Fehlstellung, c,d Konsolidierung nach Korrektur und Reosteosynthese mit winkelstabiler Platte von volar ohne Korrekturverlust

Ähnliches gilt für die Korrekturosteotomien. Hier ist insbesondere zu betonen, dass aufgrund der winkelstabilen Verankerung der Schrauben im Implantat die korrigierte Stellung des Knochens nach unserer Erfahrung besser gehalten werden kann als in bisheriger Weise durch die konventionelle Plattenosteosynthese oder Marknagelung. Die stabile Verankerung der Schrauben im Implantat erlaubt eine frühzeitige funktionelle Therapie mit allen bekannten Vorteilen.

Eine weitere Indikation sind die periprothetischen Frakturen, wobei insbesondere am Oberschenkel durch Verlegung des Markraums bei einliegender Hüft-TEP eine Marknagelosteosynthese nicht in Frage kommen kann. Hier ist die stabile Verankerung der Platte mit monokortikal eingebrachten Schrauben vorteilhaft (Abb. 4). Außerdem erlaubt die winkelstabile Plattenosteosynthese eine frühzeitige Vollbelastung der betroffenen Extremität. Insbesondere bei periprothetischen Frakturen ist in vielen Fällen die Knochenqualität fraglich, sodass der winkelstabilen Verankerung des Implantats in diesen Fällen eine besondere Bedeutung zukommt.

Ähnliche Vorteile bietet die winkelstabile Plattenosteosynthese bei pathologischen Frakturen (Abb. 6):

Abb. 6a,b.
figure 6

Pathologische Fraktur bei einem 25-jährigen Mann mit Osteofibrose, Versorgung mit winkelstabiler Platte

  • Zur Gewinnung von Gewebeproben zur histologischen Untersuchung ist ein offenes Zugehen erforderlich.

  • Bei pathologischen Frakturen ist die Marknagelosteosynthese aufgrund der Sklerosierung des Markraums nicht möglich.

  • Die winkelstabile Plattenosteosynthese ist besonders zur Realisierung einer Verbundosteosynthese geeignet und gewährleistet eine stabile Verankerung, die auch für die postoperative Mobilisierung des Patienten vorteilhaft ist.