7.1 Definition der asymptomatischen und symptomatischen Carotisstenose

7.1.1 Empfehlungen

Empfehlungen siehe Tab. 1.

Tab. 1 Definition der asymptomatischen und symptomatischen Carotisstenose

7.1.2 Literatur (Leitlinien, Reviews, Studien), Bewertung der Evidenz und offene Fragen

Leitliniensynopse: Zur Frage der Zuordnung klinischer Symptome zur Carotisstrombahn enthalten bisher existierende LL keine Angaben. Die Differenzierung zwischen asymptomatischer und symptomatischer Carotisstenose erfolgt in den einzelnen LL wie folgt.

Asymptomatisch

European Society for Vascular Surgery, 2009 [1]: Wenn nicht symptomatisch.

Symptomatisch

Neuseeland, 2006 [2]: TIA oder ischämischer Schlaganfall im Versorgungsgebiet der betreffenden Arterie.

European Society for Vascular Surgery, 2009 [1]: Wenn eine TIA im ipsilateralen Carotisstromgebiet oder ein nicht behindernder Schlaganfall innerhalb der letzten 6 Monate stattgefunden hat.

Im aktuellsten Cochrane-Review [3] wird folgende Definition gegeben: „symptomatic patients, that is, those with a history of cerebral ischaemic events in the territory of a stenosed carotid artery“. Außerdem werden die Kriterien von ECST und NASCET wiedergegeben.

Auch für die Fragen, wer die Differenzierung zwischen asymptomatischer und symptomatischer Stenose vornehmen soll, ob es notwendig ist, zwischen emboligener und hämodynamisch relevanter Stenose zu differenzieren und zur Bedeutung des Zeitintervalls zwischen klinischer Symptomatik und Untersuchung bei der Definition einer symptomatischen Stenose, gibt es in den bisherigen Leitlinien keine Angaben.

Systematische Reviews/RCTs: Die Cochrane-Collaboration hat asymptomatische Carotisstenosen in einem Review im Jahr 2004 folgendermaßen definiert: „patients with no history at all of cerebrovascular symptoms, remote (more than 6 months) carotid territory symptoms, prior symptoms in the vertebrobasilar circulation, and prior carotid territory symptoms or a history of CEA on the contralateral side were deemed asymptomatic“ [4]. Symptomatische Stenosen wurden in einem SR zu symptomatischen Stenosen im Jahr 2004 definiert als: „patients with carotid stenosis and recent transient ischaemic attacks or minor ischaemic strokes in the territory of that artery“ [5].

Die großen randomisierten Studien zur Evaluation der CEA verwendeten folgende Definitionen:

Asymptomatisch

In die VA-Studie wurden Patienten mit einer > 50%igen Stenose eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit „previous cerebral infarction, previous endarterectomy with restenosis, previous extracranial-to-intracranial bypass“. Ein Zeitrahmen ist nicht erwähnt [6]. Auch aus ACAS wurden ohne Nennung eines Zeitrahmens Patienten ausgeschlossen, die „cerebrovascular events in the distribution of the study carotid artery or in that of the vertebrobasilar arterial system“ hatten [7]. In ACST waren Patienten eingeschlossen mit einer Stenose mit „this stenosis had not caused any stroke, transient cerebral ischaemia, or other relevant neurological symptoms in the past 6 months“. Diese Entscheidung war vom lokalen Neurologen getroffen worden: „The local collaborating neurologist or stroke doctor was asked to confirm that every patient had no history of disabling stroke and had been neurologically asymptomatic for at least the past 6 months (although patients with minor neurological signs were still eligible provided there were no neurological symptoms in response to specific questioning) [8].

Symptomatisch (s. auch Evidenztabelle 31 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org)

European Carotid Surgery Trial, ECST, 1998 [9]: „ischaemic cerebrovascular event (TIA, retinal infarction or nondisabling ischaemic stroke) ipsilateral to carotid stenosis, within 6 months of randomization“.

North American Symptomatic Carotid Endarterectomy Trial, NASCET, 1991 [10]: „ischaemic cerebrovascular event (TIA, transient monocular blindness or minor nondisabling ischaemic stroke) ipsilateral to carotid stenosis, within 4 months of randomization“.

Veteran Affairs Trial No. 309, 1991 [11]: „ischaemic cerebrovascular event (TIA, transient monocular blindness or small completed stroke) ipsilateral to carotid stenosis, within 4 months of randomization“.

Weder für die Frage, wer die Differenzierung zwischen asymptomatischer und symptomatischer Stenose vornehmen soll, noch für die Frage der Notwendigkeit der Differenzierung zwischen emboligener und hämodynamisch relevanter Stenose konnten randomisierte Studien oder systematische Übersichtsarbeiten gefunden werden.

Nach der zuvor angegebenen Definition symptomatischer Stenosen war in den relevanten CEA-Studien meist ein Zeitintervall von 4 bis 6 Monaten definiert worden [8, 9, 10]. RCTs verschiedener Intervalllängen existieren nicht.

Weitere Originalarbeiten: keine berücksichtigt.

Bewertung der Evidenz: Stenosen der A. carotis können anhand unterschiedlicher Kriterien eingeteilt werden. Neben der quantitativen Graduierung stellt die Differenzierung nach der klinischen Wertigkeit ein relevantes Kriterium dar. Es ist zu unterscheiden zwischen Stenosen, die zu neurologischen Symptomen geführt haben und solchen, die dies nicht getan haben. Für die Fragen nach carotisassozierten Symptomen, Kriterien zur Differenzierung zwischen asymptomatisch und symptomatisch und der Bedeutung der Differenzierung zwischen emboligener und hämodynamisch relevanter Stenose gibt es keine studienbasierte Evidenz. Daher können hier nur GCP-Empfehlungen gegeben werden. Typische Symptome, die durch Stenosen der A. carotis verursacht werden, sind monokuläre Sehstörungen durch retinale Ischämien (Amaurosis fugax), einseitige Paresen, einseitige Gefühlsstörungen, Sprachstörungen (Aphasie) und Sprechstörungen (Dysarthrie). Homonyme, bilaterale Gesichtsfeldeinschränkungen durch Infarkte im Territorium der A. cerebri posterior können nur im Falle einer Versorgungsvariante (sog. embryonaler Abgang der A. cerebri posterior aus der A. carotis interna) von einer Carotisstenose verursacht werden. Schwindel, Doppelbilder, Gedächtnisstörungen und Kopfschmerzen sind keine typischen Symptome einer Carotisstenose.

Die klinische Symptomatik hat auch eine wesentliche Rolle bei den Ein- und Ausschlusskriterien klinischer Studien zur Behandlung von Carotisstenosen. Die Unterscheidung zwischen asymptomatischer und symptomatischer Stenose beruht im Wesentlichen auf den prädefinierten Ein- und Ausschlusskriterien der RCTS zur Evaluation der CEA im Vergleich zu einer rein konservativen Behandlung.

Die Studien zur CEA asymptomatischer Stenosen verwendeten gering voneinander abweichende Definitionen: In die VA-Studie wurden Patienten mit einer > 50%igen Stenose eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit früheren Hirninfarkten, früherer CEA mit Restenosen oder extraintracraniellem Bypass; ein Zeitrahmen, in dem es keine carotisassoziierten Symptome gegeben haben durfte, ist nicht erwähnt [6]. Auch aus ACAS wurden ohne Nennung eines Zeitrahmens Patienten ausgeschlossen, die zerebrovaskuläre Ereignisse im Versorgungsgebiet der in der Studie behandelten A. carotis interna hatten [7]. In ACST wurden Patienten mit einer Stenose eingeschlossen, die weder einen behindernden Schlaganfall, eine TIA oder andere relevante neurologische Symptome in den letzten 6 Monaten verursacht hatte. Diese Entscheidung war vom lokalen Neurologen getroffen worden [12].

Die großen RCTS zur Evaluierung der CEA bei Patienten mit symptomatischer Carotisstenose schlossen Patienten ein, die kürzlich ein neurologisches Ereignis im Versorgungsgebiet der stenosierten A. carotis interna hatten; solche Ereignisse konnten nicht behindernde Schlaganfälle, TIAs oder retinale Ischämien sein [9, 10]. Zur Qualifizierung für ECST musste sich dieses Ereignis innerhalb der vergangenen 6 Monate ereignet haben, für NASCET und die VA-Studie war ein Zeitraum von 4 Monaten definiert worden. Anzumerken sei hier, dass für diese Studien eine TIA noch als ein fokal neurologisches Symptom von bis zu 24 h Dauer definiert worden war. In den letzten Jahren wurden allerdings zunehmende Kenntnisse über Pathophysiologie und Verlauf von TIAs gewonnen. Die American Stroke Association (ASA) empfiehlt daher, eine TIA zu definieren als eine vorübergehende Episode neurologischer Symptomatik, hervorgerufen durch eine fokale zerebrale, spinale oder retinale Ischämie ohne Nachweis eines Infarktes [13]. Eine zeitliche Begrenzung der Symptomdauer für die Definition wird explizit nicht mehr verwendet. Patienten, die trotz klinisch flüchtiger Symptomatik in der Bildgebung einen nachweisbaren Infarkt haben, werden als Hirninfarktpatienten gewertet. Bisher gibt es keine Studien, die das Rezidivrisiko symptomatischer Carotisstenosen nach TIA in Abhängigkeit vom Nachweis zerebraler Infarkte in der Schnittbildgebung untersucht haben; dies gilt gleichermaßen für Risiko und Effektivität der Behandlung mittels CEA oder CAS bei diesen Patientengruppen.

Die Notwendigkeit zur Differenzierung zwischen asymptomatischer und symptomatischer Stenose beruht auf dem unterschiedlichen Risiko eines zerebrovaskulären Ereignisses und auf dem unterschiedlich hohen Behandlungsrisiko. Carotisstenosen, die bereits zu einem zerebrovaskulären Ereignis geführt haben, weisen ein deutlich erhöhtes Rezidivrisiko auf. Die wesentlichen Methoden zur Differenzierung zwischen asymptomatischen und symptomatischen Stenosen sind eine ausführliche Anamnese und die klinisch neurologische Untersuchung. Mittels CCT und MRT können bei zahlreichen Patienten mit nach klinischen Kriterien asymptomatischer Carotisstenose zerebrale Läsionen nachgewiesen werden, sog. „stumme“ Infarkte. Einerseits liegen Hinweise vor, dass solche stummen Infarkte ein unabhängiger Risikofaktor für künftige zerebrovaskuläre Ereignisse sind [14]. Auf der anderen Seite besteht beim Nachweis solcher stummer Ischämien häufig die Schwierigkeit, dass das Infarktalter nicht genauer angegeben werden kann. Einen möglichen Ausweg stellen diffusionsgewichtete Sequenzen in der Kernspintomographie dar, mit denen es zumindest in der Subakutphase (7–14 Tage) möglich ist, das Infarktalter einzuordnen [15]. Auch wenn es keine RCTs zur Behandlung von Patienten mit klinisch stummen carotisbedingten Hirninfarkten gibt, ist es pathophysiologisch plausibel, nachweislich frische morphologische Veränderungen nicht anders zu bewerten als eine kürzliche klinische Symptomatik.

Nach der zuvor angegebenen Definition symptomatischer Stenosen war in den relevanten Studien meist ein Zeitintervall von 4 bis 6 Monaten definiert worden. Die Rationale eine in der Vergangenheit symptomatische Stenose nach einer bestimmten Zeitperiode wieder als asymptomatisch zu bezeichnen, basiert auf der Beobachtung eines mit der Zeit abnehmenden Rezidivrisikos. In der Oxford-Vascular Studie lag das Rezidivrisiko symptomatischer Stenosen ≥ 50%NASCET innerhalb von 14 Tagen bei 21%, innerhalb von 30 Tagen bei 28% und innerhalb von 12 Wochen bei 32% [16]. Auch in den konservativ behandelten Subgruppen aus ECST und NASCET kann ein solcher Zeiteffekt nachgewiesen werden. Das Rezidivrisiko betrug im ersten Monat ca. 10%, im ersten Jahr 25%, im zweiten Jahr 5% und dann jährlich 2% [17]. Diese Kriterien, z. B. in Bezug auf die Definition zeitlicher Größen, sind jedoch nicht studienmäßig miteinander verglichen worden. Daher sind auch die diesbezüglichen Empfehlungen als GCP anzusehen.

Arteriosklerotische Stenosen führen zumeist durch arterioarterielle Embolie zu einem Hirninfarkt, echte hämodynamische Infarkte sind seltener (5–8% der Fälle) [18]. Durch konservative Therapiemaßnahmen (Thrombozytenfunktionshemmer, Statine, Antihypertensiva) kann hauptsächlich das Embolierisiko gesenkt werden. Es gibt keine studienbelegten Hinweise, dass das Behandlungsrisiko signifikant davon abhängt, ob eine Stenose durch eine Embolie oder eine Minderung des zerebralen Perfusionsdrucks symptomatisch war.

Methodenkritik/offene Fragen: Die Unterscheidung, ob eine Carotisstenose klinische Symptome verursacht hat, ist anhand von medizinisch/neurologischem Basiswissen zu entscheiden. Problematisch wird die Integration apparativer, bildgebender Befunde. Bisher ist in Studien nicht untersucht worden, ob technische Befunde die gleiche Wertigkeit wie anamnestische Angaben oder klinische Untersuchungsbefunde in Bezug auf das Ereignis- und Behandlungsrisiko aufweisen. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

7.2 Welche Skalen sind zur Beurteilung des Schweregrades einer zerebralen Ischämie notwendig, geeignet und zu empfehlen?

7.2 1 Empfehlungen

Empfehlungen siehe Tab. 2.

Tab. 2 Welche Skalen sind zur Beurteilung des Schweregrades einer zerebralen Ischämie notwendig, geeignet und zu empfehlen?

7.2.2 Literatur (Leitlinien, Reviews, Studien), Bewertung der Evidenz und offene Fragen

Leitliniensynopse: Die bisher existierenden LL enthalten hierzu keine Angaben.

Systematische Reviews/RCTs: liegen nicht vor.

Weitere Originalarbeiten: keine berücksichtigt.

Bewertung der Evidenz: Schweregrad und Auswirkung eines Schlaganfalls auf das tägliche Leben können anhand verschiedener Schlaganfallskalen semiquantitativ erfasst werden. Grundsätzlich kann zwischen Skalen unterschieden werden, die die neurologischen Symptome erfassen und solche, die das Ausmaß der Behinderung angeben. Es gibt keine Studie, die speziell bei Patienten mit Carotisstenosen die Anwendbarkeit neurologischer Skalen untersucht hat. Im klinischen Alltag hat sich in der Neurologie die National Institute of Health Stroke Scale (NIHSS) durchgesetzt, um die neurologischen Symptome von Schlaganfallpatienten zu erfassen. Diese Skala eignet sich vor allem zur Quantifizierung von Symptomen in der die Carotisstrombahn, da sie Schwächen bei der Graduierung von Symptomen der vertebrobasilären Zirkulation hat. Nach Schulung mittels Video oder Internet [19] ist die NIHSS einfach und valide anzuwenden, es existieren gute Formblätter zur Dokumentation. Weitere symptomorientierte Skalen wie die Scandinavian Stroke Scale oder die European Stroke Scale werden seltener eingesetzt, obwohl Reliabilität und Validität vergleichbar sind.

Die modifizierte Rankin-Skala (mRS) ist nützlich, um mittels einer eindimensionalen Größe das Ausmaß der Behinderung eines Patienten zu beschreiben. Es gibt validierte Möglichkeiten, diese Skala auch im Rahmen eines Telefoninterviews zu erfassen. Wegen der großen Dynamik der Symptomatik in den ersten Tagen, ist eine stabile Einordnung anhand der Rankin-Skala erst nach einigen Wochen sinnvoll, etabliert sind 30 Tage und 6 Monate. Verschiedene Dichotomisierungen sind möglich, um Schweregradgruppen zu bilden. In zahlreichen Studien (NASCET; SPACE, EVA3S, ICSS) wird eine Ausprägung von wenigsten 3 auf der mRS als behindernd bezeichnet.

Der Barthel-Index dient als wichtiges Outcome-Kriterium, da er sich an der Hilfsbedürftigkeit des Patienten bei den Aktivitäten des täglichen Lebens orientiert. Er wird daher auch verwendet, um die Hilfsbedürftigkeit vor einer geplanten Rehabilitationsmaßnahme und die Eingruppierung in die verschiedenen Phasen der stationären Rehabilitation zu beschreiben.

Methodenkritik/offene Fragen: Es erscheint fraglich, ob die Wissenslücke, ob bestimmte Schlaganfallskalen bei Patienten mit Carotisstenose besser geeignet sind als andere, geschlossen werden sollte.

7.3 Welche apparativen Untersuchungsverfahren sind valide zur Diagnose und zur Verlaufsbeobachtung einer extracraniellen Carotisstenose?

7.3.1 Empfehlungen

Empfehlungen siehe Tab. 3.

Tab. 3 Welche apparativen Untersuchungsverfahren sind valide zur Diagnose und zur Verlaufsbeobachtung einer extracraniellen Carotisstenose?

7.3.2 Literatur (Leitlinien, Reviews, Studien), Bewertung der Evidenz und offene Fragen

Leitliniensynopse:

Zur Detektion von Carotisstenosen durch Auskultation gibt es in existierenden LL folgende Stellungnahmen:

Australien,1997 [20]: > 10% der > 50-Jährigen haben ein Strömungsgeräusch (SG). Patienten mit SG haben ein jährliches Risiko vaskulärer Ereignisse um 1–2% im Vergleich zu 0,5% ohne solches. Ein SG ist somit ein nicht reliabler Faktor zur Vorhersage einer Stenose: Nur 50% mit SG haben eine > 70%ige Stenose, 24% der Patienten mit hochgradiger Stenose haben kein SG. Zahlreiche andere Quellen, unter anderem [21].

ESVS, 2009 [1]: Ein SG spricht nicht unbedingt für eine höhergradige Stenose und das Fehlen schließt eine solche nicht aus (siehe Tab. 17 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org, s. auch unter [22]).

Zur apparativen Diagnostik von Carotisstenosen enthalten verschiedene LL Angaben.

USA 2011 [23]: DUS, CTA, MRA und DSA stellen prinzipiell geeignete apparative Verfahren zur Diagnostik einer Carotisstenose dar. Asymptomatische Stenosen sollen einer DUS durch qualifizierte Untersucher in einem zertifizierten Labor zugeführt werden (Class-I-Empfehlung). Beim Vorliegen einer > 50%igen Stenose sollte DUS wiederholt werden, um eine Progression oder Regression der Stenose zu dokumentieren. Patienten mit einem SG sollten ebenfalls mittels Ultraschall untersucht werden (Class IIa). Bei Patienten mit arteriosklerotischen Komorbiditäten (PAVK, KHK, Aortenaneurysma) kann eine DUS der Carotisbifurkation sinnvoll sein (Class IIb). Ein Routine DUS-Screening asymptomatischer Patienten oder von Patienten mit sonstigen nicht carotisassoziierten neurologischen/psychiatrischen Erkrankungen wird nicht empfohlen (Class III). Siehe Tab. 11 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

Bei Patienten mit zerebraler oder retinaler Ischämie sollte eine nichtinvasive Diagnostik der extracraniellen A. carotis erfolgen, DUS wird bevorzugt, MRA und CTA sind angezeigt, sofern DUS nicht zur Verfügung steht oder keinen klaren Befund erbringt (Class I). Prinzipiell sollte das untersuchende Labor kontinuierlich die bildgebenden Befunde der extracraniellen Carotis miteinander abgleichen (interne Qualitätssicherung, Class I). Wenn beim Vorliegen einer zerebralen Ischämie keine extracranielle Läsion diagnostiziert werden kann, sollten mittels CTA, MRA oder selektiver DSA intracranielle Läsionen ausgeschlossen werden (Class IIa). Sollte eine Intervention der extracraniellen Carotis geplant sein (CEA oder CAS), kann eine zusätzliche Bildgebung mittels MRA, CTA oder DAS nützlich sein, um intrathorakale oder intracranielle Läsionen festzustellen (Class IIa). Eine DSA wird außerdem empfohlen, wenn bei symptomatischen Patienten die nichtinvasive Diagnostik widersprüchlich ist oder nicht adäquat zur Verfügung steht (Class IIa). Eine kontrastmittelverstärkte (CE-)MRA ist sinnvoll bei niereninsuffizienten Patienten mit symptomatischer Carotisstenose oder massiver Verkalkung (Class IIa). CTA ist nützlich bei Patienten mit Klaustrophobie, Herzschrittmachern etc. (Class IIa). Im Falle eines Verdachts auf einen Verschluss der A. carotis interna in DUS, MRA oder CTA, kann bei symptomatischen Patienten eine DSA nützlich sein, um ein Restlumen vor einer eventuellen CEA/CAS zu diagnostizieren (Class IIb).

European Society for Cardiology (ESC) 2011 [24]: DUS, CTA und/oder MRA werden auf höchstem Niveau empfohlen zur Evaluation einer Carotisstenose (Class I, LoE A). Dabei gilt DUS als wichtigster Schritt bei der Erstdiagnostik. Zur Verbesserung der Diagnostik vor einer Revaskularisierung wird vorgeschlagen, zwei bildgebende Verfahren anzuwenden. Eine DSA kommt bei widersprüchlichen Ergebnissen der vorherigen Untersuchungen in Betracht. Siehe Tab. 13 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

Society for Vascular Surgery (SVS) 2011 [25]: Für alle Patienten mit Symptomen im Versorgungsgebiet der A. carotis interna wird eine starke Empfehlung für eine Bildgebung der Carotisbifurkation gegeben (Grad 1, LoE A). Dies gilt insbesondere für Patienten mit AF, nachgewiesener retinaler Embolisation (Fundoskopie) und klinisch stummen Hirninfarkten (Grad 1, LoE A). Siehe Tab. 14 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org. Zur Wahl des diagnostischen Verfahrens s. Kap. 7.5.2.

Zur Verlaufsbeobachtung nach CEA oder CAS oder geringgradiger kontralateraler Stenose empfiehlt die SVS: Innerhalb von 30 Tagen soll nach einer CEA eine DUS erfolgen. Beim Nachweis einer > 50%igen Residualstenose sind weitere Kontrolluntersuchungen angezeigt. Bei normalem DUS-Befund und CEA mit Direktnaht sind Nachuntersuchungen angezeigt, zur Detektion eine Rezidivstenose, nach Patchplastik oder Eversions-TEA können Nachuntersuchungen sinnvoll sein, sofern der Patient multiple RF aufweist, die eine Progression der Arteriosklerose vermuten lassen. Die Datenlage zu Kontrolluntersuchungen nach CAS ist unzureichend (Grad 2, LoE C). Die SVS hat aufgrund einer nicht eindeutigen Datenlage keine Empfehlungen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchungen angegeben, DUS wird empfohlen, da risikoarm. Im Falle einer kontralateralen ≥ 50%igen Stenose sollen ebenfalls Kontrolluntersuchungen erfolgen, bei multiplen RF auch bei niedrigerem Stenosegrad. Die Wahrscheinlichkeit einer Progression der Stenose ist dabei abhängig vom initialen Stenosegrad (Grad 2, LoE C). Auch für die kontralaterale Stenose wurden keine Intervalle angegeben, DUS wird empfohlen, da risikoarm. Siehe Tab. 14 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

Australien 2010 [26]: DUS, CTA, MRA und DSA sind geeignet; Auswahl gemäß Verfügbarkeit, lokaler Qualifizierung, Patientenwunsch und Kosten. Prinzipiell wird beim Verdacht auf das Vorliegen einer carotisbedingten zerebralen Ischämie eine nichtinvasive Diagnostik (MRA, CTA, DUS) empfohlen, wobei der kontrastmittelverstärkten MRA (CE-MRA) die größte Genauigkeit zugesprochen wird. Bei 50–70%igen Stenosen wird die nichtinvasive Diagnostik als weniger genau eingeschätzt (Grad B). Siehe Tab. 15 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

Intercollegiate Stroke Working Party, United Kingdom, 2008 [27] : DUS sollte bei allen Patienten durchgeführt werden, bei denen eine CEA geplant ist. Bestätigt werden sollte das Ergebnis mit einer MRA oder einer unabhängigen Doppler-Sonographie (Grad B, Tab. 18 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org).

Scottish Intercollegiate Guidelines Network, SIGN, 2008 [28]: Alle Patienten mit TIA oder Hirninfarkt sollten eine Schnittbildgebung des Gehirns erhalten. Die Methodenwahl ist dabei abhängig von klinischen Umständen und Verfügbarkeit. Für Patienten mit 70–99%igenNASCET Stenosen sind DUS, CTA, MRA und CE-MRA gut, für 50–69%ige Stenosen nicht immer. CE-MRA ist die beste Methode. Siehe Tab. 22 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

AHA, 2009 [13]: Die systematische Übersichtsarbeit von Wardlaw 2006 [29] wird zitiert, an erster Stelle sollten nichtinvasive Methoden stehen, in Abhängigkeit von lokaler Verfügbarkeit und Expertise (Class II). Vor einer CEA werden zwei unabhängige Verfahren empfohlen.

Im Falle divergenter Befunde wird in den verschiedenen LL (Australien 1997 [20], AHA 2009, ESO 2008 [30]) als Goldstandard eine DSA empfohlen. Australien (1997 [20]) „catheter angiography is still the „gold standard“ for measuring carotid stenosis.“ Zur Durchführungsqualität der Ultraschalldiagnostik empfiehlt die australische LL (1997) und die US LL, die apparative Ausrüstung regelmäßig zu warten und die Untersucher zu trainieren und zu evaluieren. Die Ergebnisse von DUS und MRA sollten prospektiv verglichen werden und falls vorhanden mit der DSA verglichen werden sowohl lokal als auch national. Eine ähnliche Empfehlung macht diese Leitlinie auch zu den anderen Techniken: „Das Ergebnis der MRA sollte prospektiv mit der DSA verglichen werden, falls diese durchgeführt wurde. Ärzte, die angiographieren, sollten ihre Komplikationsrate lokal berichten, sie sollte in Bezug auf persistierende Defizite  < 1% betragen“.

Zur Bewertung einer Stenoseprogredienz enthalten die bisherigen LL keine weiteren Angaben. Zur Untersuchung auf Tandemstenosen, der Wertigkeit der Bestimmung der Vasomotorenreserve oder der Mikroembolusdetektion bei asymptomatischen Carotisstenosen liegen keine LL-Empfehlungen vor.

Systematische Reviews/RCTs: Zur neurologischen Bedeutung von Strömungsgeräuschen (SG) existiert ein SR/Metaanalyse aus dem Jahr 2010. Anhand von 28 Publikationen (17.913 Patienten, 67.708 Patientenjahre) konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einem SG über der extracraniellen Carotisbifurkation ein 4 -fach erhöhtes Risiko für eine TIA (risk ratio 4,00; 95%-KI, 1,8–9,0, p < 0,0005) sowie ein 2,5-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko (95%-KI, 1,8–3,5, p < 0,0005) haben. Bei Berechnung des Risikos eines zerebrovaskulären Ereignisses betrug die Wahrscheinlichkeit einer TIA bei Vorliegen eines SG 2,6 in 100 Patientenjahren (95%-KI, 2,0–3,2, p < 0,0005) vs. 0,9 in 100 Patientenjahren (95%-KI, 0,2–1,6; p = 0,02) bei fehlendem SG. Die entsprechende Schlaganfallrate betrug 1,6/100 Patientenjahre (95%-KI, 1,3–1,9, p < 0,0005) bzw. 1,3/100 Patientenjahre (95%-KI, 0,8–1,7, p < 0,0005). Die Autoren schlussfolgerten, dass das Vorliegen einer Carotis-SG mit einem erhöhten zerebrovaskulären Risiko einhergehen könnte [31].

In einer weiteren SR wurde anhand von 22 Publikationen (17.295 Patienten, 62.413 Patientenjahre) die kardiovaskuläre Morbidität von Patienten mit SG über der A. carotis untersucht. Hierbei zeigte sich, dass Patienten mit einem Carotis-SG das Risiko eines Myokardinfarkts von 3,69/100 Patientenjahre (95%-KI 2,97–5,40) vs. 1,86/100 Patientenjahre (0,24–3,48) bei fehlendem SG. Das jährliche kardiovaskuläre Todesfallrisiko betrug 2,85/100 Patientenjahre (2,16–3,54) vs. 1,11/100 Patientenjahre (0,45–1,76). Die Wahrscheinlichkeit eines Myokardinfarkts ist beim Vorliegen eines SG signifikant erhöht (OR 2,15; 95%-KI 1,67–2,78), ebenso das Risiko eines kardiovaskulär verursachten Todes (OR 2,27; 95%-KI 1,49–3,49). Zusammenfassend könnte das Vorliegen eines Carotis-SG somit helfen, kardiovaskuläre Risikopatienten zu identifizieren, die von einer intensivierten Diagnostik und ggf. Therapie profitieren könnten [32].

Zum Thema der apparativen Diagnostik existieren verschiedene SR [29, 33]. Zur kombinierten Anwendung existiert ein älterer SR (1998) [34]. Zur Bewertung von einer Stenoseprogredienz gibt es keine SR oder RCTs. Die Notwendigkeit der Detektion von Tandemstenosen wurde bisher nicht in SR oder RCTs untersucht. Ein SR untersuchte die Wertigkeit von Mikroemboliesignalen [35].

Weitere Originalarbeiten: Zahlreiche Arbeiten beschäftigen sich, zum Teil mit prospektivem Studiendesign, mit der Wertigkeit von Strömungsgeräuschen zur Detektion relevanter Carotisstenosen [31, 32, 36, 37, 38, 39]. Zur Wertigkeit der einzelnen apparativen Techniken (DUS, MRA, CTA, DSA) existieren zahlreiche Arbeiten. Systematisch untersucht und für die Erstellung dieser LL verwendet wurden Arbeiten mit Patientenzahlen über 100 [40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63].

Die Progression von Carotisstenosen wurde in der Arbeit von Lewis et al. [64] untersucht. In allen Arbeiten, die dazu Stellung nahmen, war die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) Goldstandard zur Stenosequantifizierung. Drei Arbeiten wurden für die Analyse des Effekts additiver (Tandem-)Stenosen ausgewertet [65, 66, 67]. Verschiedene Arbeiten beschäftigen sich mit Methoden zur Vasoreaktivitätsprüfung [68, 69, 70] der Mikroemboliedetektion Spence [71, 72, 73, 74, 75] mit dem Versuch Patientenkohorten zu beschreiben, die von einer invasiven Prävention besonders profitieren.

Bewertung der Evidenz: Die Auskultation der A. carotis ist eine häufig geübte Praxis bei der klinischen Untersuchung. Allerdings ist die Sensitivität und Spezifität zur Identifizierung von Carotisstenosen nur mäßig. Mit Ausnahme der Metaanalysen von Pickett 2008 [32] und 2010 [31] liegen keine weiteren qualitativ hochwertige SR oder Metaanalysen vor. Verschiedene Fall-Kontroll-Studien weisen auf eine Sensitivität um 50% hin, die Spezifität ist mit 75–98% höher [21, 76]. Gründe für die geringe Sensitivität sind, dass geringgradige, aber auch höchstgradige Stenosen kein auskultierbares Strömungsgeräusch erzeugen. Falsch positive Befunde können durch Stenosen der A. carotis externa oder durch kräftige Schilddrüsenarterien entstehen.

Zur Detektion und Quantifizierung von Carotisstenosen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung: Ultraschall (US), CT-Angiographie (CTA), MR-Angiographie (MRA) ohne und mit Kontrastmittel (CE-MRA) und die selektive digitale Subtraktionsangiographie (DSA).

Ultraschall hat den Vorteil, dass es für Patienten wie Untersucher harmlos, weit verbreitet, rasch verfügbar und preisgünstig ist. Die Ultraschalluntersuchung ist daher ein integraler Bestandteil der Evaluation der hirnversorgenden Arterien [77]. Schon mit einfachen Doppler-Verfahren sind die Quantifizierung des Stenosegrades und die Lokalisation des extracraniellen Gefäßprozesses zuverlässig möglich [78]. Mittels B-Bild und farbkodierten Duplexverfahren kann auch die Morphologie und Ausdehnung der stenoseverursachenden Pathologie beurteilt werden. Die transcranielle Doppler-/Duplexsonographie erlaubt die Beurteilung der hämodynamischen Kompensation. Zahlreiche Kriterien zur duplexsonographischen Stenosequantifizierung sind beschrieben worden [33]. Grenzwerte für die einzelnen Stenosekategorien (z. B. ≥ 70% NASCET) wurden am häufigsten für die systolische Spitzengeschwindigkeit angegeben; enddiastolische Geschwindigkeit oder der Quotient aus ACI und ACC erhöhten die Trennschärfe dabei nicht. Methodisch ist die Verwendung derartiger Grenzwerte allerdings problematisch, da sie in hohem Maße von der Zusammensetzung des Patientenkollektivs bestimmt werden, an dem sie ermittelt wurden. Eine Übertragung auf andere Kollektive, z. B. anderer Zentren oder spätere Untersuchungen im gleichen Zentrum, sind daher immer fehlerbehaftet [79]. Demgegenüber erlaubt die Kombination mehrerer Ultraschallparameter, wie sie in den deutschsprachigen Ländern in Anlehnung an eine Empfehlung der DEGUM seit Jahren etabliert ist, eine valide und direkte Abschätzung des Stenosegrades in 10%-Schritten [79]. Tab. 5 zeigt synoptisch die dazu erforderlichen Ultraschallparameter, deren Kombination und die den jeweiligen Parameterkonstellationen zugeordneten Stenosegrade.

Zur richtigen Einordnung von Ultraschallbefunden ist die Kenntnis möglicher Fehlerquellen bei der Stenosegraduierung bedeutsam. Diese können durch den Patienten, den Untersucher oder die Methodik bedingt sein:

  • Patientenbezogene Faktoren: korpulenter Hals, unbewegliche Halswirbelsäule, anatomische Normvarianten, starke Unruhe, mangelnde Compliance.

  • Untersucherbedingte Faktoren: mangelnde Erfahrung, Verwechslung von Gefäßen, Verwendung schlechter Geräteeinstellungen.

  • Methodenbedingte Faktoren: Verpassen der Stenose wegen hoher Kalzifizierungsanteile, Fehlinterpretation einer Pseudookklusion als Verschluss, Unterschätzung des Stenoseausmaßes bei reduzierterem Herzminutenvolumen, Überschätzung des Stenoseausmaßes bei additiven kontralateralen Läsionen.

Die CT-Angiographie (CTA) mit Spiraltechnik misst den morphologischen Durchmesser der Carotisstenose und beruht daher im Gegensatz zum Ultraschall und zur MRA nicht auf einem Flussphänomen. Sie ist zwingend auf die Applikation relativ hoher Kontrastmitteldosen angewiesen und unterliegt daher Einschränkungen. Wegen des hohen Kontrasts zwischen Gefäßlumen, Gefäßwand und umliegenden Weichteilen können mit der CTA Verschlüsse besser identifiziert werden als mit DUS oder MRA [80], allerdings werden vor allem bei hohem Kalkanteil Stenosen überschätzt. Außerdem können außer mit Geräten der neueren Generation nur kurze Gefäßabschnitte untersucht werden.

Die MR-Angiographie (MRA) stellt eine ebenfalls nichtinvasive und somit ungefährliche Methode dar. Die Artefaktanfälligkeit durch Knochen und Luft ist geringer als bei der CTA und sie ist weniger untersucherabhängig als der Ultraschall [81, 82]. Allerdings können Bewegungs- und Schluckartefakte die Bildqualität negativ beeinflussen, und sie ist bei Patienten mit Herzschrittmacher kontraindiziert. Die räumliche Auflösung ist limitiert und sowohl Ausmaß als auch Länge der Stenose können überschätzt werden. Durch Einführung kontrastmittelverstärkter Techniken konnte die Aussagekraft gesteigert werden [40, 83]. Die MRA ist verhältnismäßig teuer, noch nicht flächendeckend in der klinischen Routine verfügbar und wird von bis zu 10% aller Menschen wegen Platzangst nicht toleriert.

Die selektive digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ist eine invasive, ebenfalls kontrastmittelabhängige Technik mit der Carotisstenosen mit hoher Reliabilität detektiert werden können. Das Risiko der rein diagnostischen Angiographie ist nicht zu vernachlässigen und beträgt bei selektiver DSA bis zu 1% [7, 84]. Die apparative Gefäßdiagnostik soll valide und reliabel die Einteilung einer Stenose nach einem etablierten Stenosemaß (siehe Kapitel 7.3) ermöglichen. Neben der Einteilung in die Gruppen geringgradig (< 50%NASCET), mäßiggradig (50–69%NASCET) und hochgradig (70–99%NASCET) muss auch die sichere Detektion von kompletten Verschlüssen möglich sein.

Es gibt zahlreiche Studien, die diese Methoden in Bezug auf die geforderte diagnostische Sicherheit vergleichen. Ein SR fasst 41 Studien bei 2.541 Patienten mit 4.876 Carotisstenosen zusammen [29]. Als Goldstandard war jeweils die DSA gewählt. Dieser SR deutet an, dass Ultraschall, CTA, native MRA und CE-MRA eine hohe Sensitivität und Spezifität zur Diagnostik hochgradiger (70–99%NASCET) Carotisstenosen haben. Die CE-MRA ist nach dieser Analyse etwas sensitiver (0,94; 95%CI CI 0,88–0,97) und spezifischer (0,93; 95% CI 0,89–0,96) als die Doppler-Sonographie (Sensitivität 0,89; Spezifität 0,84), native MRA (Sensitivität 0,88; Spezifität 0,84) und CTA (Sensitivität 0,76; Spezifität 0,94). Für mäßiggradige 50–69%NASCETige Stenosen sind weniger Daten publiziert; Sensitivität und Spezifität der Verfahren ist deutlich schlechter. Auch für die Kombination verschiedener Verfahren sind keine validen Daten publiziert. Diese systematische Übersicht zeigte auch, dass es zwischen den einzelnen Studien deutliche Inhomogenitäten gibt, was u. a. als Hinweise auf einen Publikationsbias gewertet wurden.

Systematische Arbeiten zur Bestimmung der in Bezug auf Schlaganfallprävention optimalen Methodik zur Quantifizierung von Carotisstenosen liegen nicht vor. In der NASCET-Studie wurde mittels Angiographie das sog. distale Stenosemaß bestimmt. Hierfür wird auf der Projektion mit der größten Querschnittsreduktion die Länge des Restlumens mit dem Durchmesser der A. carotis interna distal der Stenose verglichen. In der ECST-Studie wurde hingegen durch Vergleich des Stenosemaximums mit der Ausdehnung der A. carotis interna in Höhe der Stenose das lokale Stenosemaß ermittelt (Abb. 1). Verschiedene Formeln zur Umrechnung der beiden Stenosemaße wurden beschrieben. Nach Rothwell et al. [17, 85] gilt folgende Formel: ECST% = (NASCET% × 0,6) + 40%; Nicolaides et al. [86] schlagen folgende Formel vor: ECST% = (NASCET% × 0,57) + 43%. Tab. 4 beschreibt die – nur geringen – Unterschiede zwischen beiden Formeln.

Abb. 1
figure 1

Angiographische Verfahren zur Quantifizierung von Carotisstenosen (NASCET =  (1-md/C) × 100% und ECST =  (1-md/B) × 100%). © Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin

Tab. 4 Umrechnung von distalem (NASCET) zu lokalem (ECST) Stenosemaß gemäß den Formeln nach Rothwell und Nicolaides

Sowohl das Stenosemaß nach NASCET als auch das nach ECST ist gebräuchlich, die meisten LL empfehlen jedoch die Verwendung des NASCET-Maßes, da hierauf die Empfehlungen zur operativen Behandlung beruhen (Tab. 16 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org) [30]. Beide Stenosegraduierungen bedienen sich der auf zweidimensionalen Angiographiebildern gemessenen Gefäßdurchmesser und der daraus berechneten maximalen Durchmesserreduktion. Es ist daher unabdingbar für eine methodenübergreifende einheitliche Angabe des Stenosegrades, dass die Befundkonstellation nichtinvasiver und hier vor allem sonographischer Untersuchungen vom Untersucher in das Graduierungssystem der Durchmesserreduktion transferiert wird (siehe hierzu auch Tab. 5).

Tab. 5 Stenosegraduierung der A. carotis interna nach aktualisierten DEGUM-Kriterien

Allgemein sollte bei der Quantifizierung einer Carotisstenose angegeben werden, mit welchem Untersuchungsverfahren (Ultraschall, MRA, CTA, DSA) diese bestimmt und nach welcher Stenosegraddefinition (NASCET, ECST) die Graduierung vorgenommen wurde. Wenn nicht explizit anders angegeben, bezieht sich der Text dieser Leitlinie immer auf das Maß nach NASCET.

Studien oder SR zur Detektion einer Progression der Carotisstenose liegen nicht vor. In einer Längsschnittsstudie mit 715 Patienten mit asymptomatischer Carotisstenose wurden die Stenosen auf der Basis zuvor validierter duplexsonographischer Kriterien in fünf Gruppen eingeordnet (0–15%, 16–49%, 50–79%, 80–99%, 100%). Als Progression wurde ein Wechsel in eine höhere Gruppe, sowie Erreichen der Gruppen 3 oder 4 definiert. Über einen mittleren Zeitraum von im Mittel 3,2 Jahren wiesen 21,3% der Studienteilnehmer eine so definierte Stenosenprogression auf. In dieser Studie hatten nur Patienten mit einem Progress zu einer wenigstens 80%igen Stenose ein im Vergleich zu den übrigen Patienten signifikant erhöhtes Schlaganfallrisiko (OR 3,0; 95%-KI 1,3–6,7) [64].

Es gibt mehrere mögliche Strategien, die zuvor beschriebenen Verfahren zu kombinieren, um Spezifität und Sensitivität zur Stenosedetektion zu erhöhen:

  • Strategie A: Keine weitere Diagnostik, wenn duplexsonographisch eine 70–99% oder 50–69% Stenose detektiert wurde. Dies setzt voraus, dass die sonographische Stenosegradbestimmung von einem Ultraschalluntersucher mit hoher Qualifizierung vorgenommen wurde und dass zur Quantifizierung in Anlehnung an die Empfehlung der DEGUM eine Kombination mehrerer Ultraschallparameter herangezogen wurde (s. Tab. 5).

  • Strategie B: Keine weitere Diagnostik, wenn duplexsonographisch unter ausschließlicher Verwendung eines Grenzwertes der systolischen Spitzengeschwindigkeit zur Stenosekategorisierung eine 70–99% Stenose detektiert wurde, da auch bei diesem sonographischen Vorgehen die farbkodierte Duplexsonographie eine ausreichende Sensitivität und Spezifität für hochgradige Stenosen besitzt [29, 87]. Wegen der bei diesem Vorgehen geringeren diagnostischen Sicherheit der Ultraschalluntersuchung bei Patienten mit 50–69% Stenose sollte eine additiven CE-MRA durchgeführt werden, ersatzweise ein CTA und wenn hieraus eine diskrepante Einschätzung resultiert, eine DAS.

  • Strategie C: DSA bei allen Patienten, bei denen der unter ausschließlicher Verwendung eines Grenzwertes der systolischen Spitzengeschwindigkeit durchgeführte Duplex eine Stenose ≥ 50% ergeben hat.

  • Strategie D: Keine weitere Diagnostik, wenn unter ausschließlicher Verwendung eines Grenzwertes der systolischen Spitzengeschwindigkeit zur Stenosekategorisierung im Duplexbefund eine 70–99% Stenose vorliegt und DSA bei Patienten mit 50–69% Stenose.

In Abhängigkeit von der Erfahrung der Untersucher und der Verfügbarkeit der Methoden kann jede Strategie empfohlen werden. In Anbetracht der Invasivität der DSA mit einem geringen, aber nicht vernachlässigbaren Risiko, sollten Strategien mit einem späten Einsatz der DSA bevorzugt werden.

Gelegentlich führen diese Verfahren zu unterschiedlicher Einordnung. Wurde eine diagnostische Strategie mit zwei unabhängigen Verfahren gewählt, die unterschiedliche Ergebnisse erbracht haben, besteht nach dem Versuch der Klärung der diskrepanten methodischen Untersuchungsbefunde die Option der Durchführung einer dritten Methode. Steht (neuro)radiologische Kompetenz mit hoher Durchführungsqualität zur Verfügung, ist eine der möglichen Optionen die frühzeitige Durchführung einer DSA. Dies auch, da die DSA in nahezu allen diagnostischen Studien als Goldstandard gilt, obwohl sie ein geringes Risiko hat. Für eine suffiziente angiographische Diagnostik ist die Darstellung der A. carotis in mindestens drei Ebenen zu fordern; zu diesem Schluss kam zumindest die australische Leitlinie [20]. Es ist darauf zu achten, dass die Durchführungsqualität unabhängig überwacht ist. Außerdem sollte durch eine interdisziplinäre Abstimmung die Ursache der Befunddiskrepanz ermittelt werden.

Limitierender Faktor jeder sonographischen Untersuchung ist ihre starke Abhängigkeit von Ausbildungsstand und Erfahrung des Untersuchers. Die Ultraschallausrüstung sollte technisch in Ordnung sein und dem Stand der Zeit entsprechen. Zwar hat sich mit der Entwicklung und Verbreitung der Farbduplexsonographie die Untersuchungstechnik verbessert und wohl auch vereinfacht, doch dies kann nicht die Kenntnis der physikalischen und physiologischen Grundlagen sowie die Fertigkeit mit dem Umgang der Schallsonde ersetzen. Daher ist für die qualitativ hochwertige Anwendung des Ultraschalls eine erhebliche Einarbeitungszeit und kontinuierliche Durchführung auch bei pathologischen Befunden erforderlich. Die in Deutschland von der Ultraschallvereinbarung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung genannten 200 Doppler- und Duplexuntersuchungen der hirnversorgenden Arterien stellen nur eine Mindestanforderung dar, und es gilt nach wie vor eine Zahl von etwa 1.000 Untersuchungen, ab der ein suffizienter Qualitätsstandard erreicht wird. Außerdem sollte die Durchführung der Methode den Institutionen vorbehalten bleiben, die mit einer jährlichen Mindestzahl von 400 Untersuchungen hirnversorgender Arterien ein Minimum an Training anbieten können [88].

Ultraschallergebnisse sollten prospektiv mit anderen Techniken verglichen werden, wenn diese durchgeführt worden sind. Für klinische Studien sind darüber hinaus zentralisierte Trainings empfohlen [89, 104, 105].

Das Risiko eines bleibenden neurologischen Defizits in der Folge einer diagnostischen zerebralen Angiographie ist nicht unerheblich und beträgt zwischen 0,3% und 5,7%. Patienten mit symptomatischer Stenose haben ein 2 bis 3-fach erhöhtes Risiko gegenüber asymptomatischen Patienten. Hinzu kommt für alle Patienten das Risiko eines vorübergehenden neurologischen Defizits, das ca. 2 bis 3-mal höher als das für ein bleibendes Defizit ist. Erfahrene Untersucher haben bis zu 6-mal niedrigere Komplikationsraten als unerfahrene. Analysen der Lernkurven deuten an, dass etwa 200 Untersuchungen notwendig sind, um eine ausreichend niedrige Komplikationsrate zu erzielen [90].

Arteriosklerotische Veränderungen sind oft nicht nur auf die Carotisbifurkation beschränkt. Auch weiter proximal, dann zumeist am Abgang der ACC, oder weiter distal im Bereich des Carotissiphons oder der intracraniellen Strombahn sind arteriosklerotische Veränderungen häufig. Die Rationale nach einer additiven Stenose (Tandemstenose) der A. carotis bei Vorliegen einer bifurkationsnahen Carotisstenose zu suchen, liegt darin, dass die alleinige Behandlung der Bifurkationsstenose keinen ausreichend präventiven Effekt haben könnte. Zur Häufigkeit solcher Tandemstenosen existieren nur wenige systematische Arbeiten. In einer retrospektiven Studie fanden Rouleau et al. [67] bei 672 Patienten mit > 70%iger Bifurkationsstenose in 2,1% der Fälle eine > 50%ige ACC- und in 7,7% eine > 50%ige Siphon- oder Mediastenose. Noch weniger gute Daten liegen zur Bedeutung solcher Tandemstenosen vor. In der gleichen Arbeit berichteten Rouleau et al., dass in nur einem Fall wegen der Tandemstenose die ursprünglich geplante CEA nicht durchgeführt wurde.

Aus der NASCET-Studie wurden Patienten mit höhergradiger additiver intracranieller Stenose ausgeschlossen. Dennoch wurde eine Subgruppenanalyse der Patienten mit additiver intracranieller Arteriosklerose publiziert, in die weit überwiegend (99,5%) Patienten mit < 50%igen intracraniellen Stenosen eingeschlossen wurden [65]. Es fand sich eine Risikoerhöhung bei konservativer Therapie in Abhängigkeit des Ausmaßes der extracraniellen Stenose. Dieser Zusammenhang bestand nicht bei den operativ behandelten Patienten. Die Gruppe mit hochgradiger extracranieller Stenose und gleichzeitig intracranieller Stenose hatte einen besonders hohen Benefit von der CEA mit einer NNT von 3 ohne erhöhtes Operationsrisiko (6,7% vs. 6,1%).

Zu einem anderen Ergebnis bezüglich des operativen Risikos kam eine von Rothwell [66] durchgeführte Auswertung. In einer Metaanalyse von fünf Studien unter Einschluss der ECST war das perioperative Mortalitäts- und Schlaganfallrisiko bei Vorhandensein einer additiven intracraniellen Stenose um den Faktor 1,56 (95%-KI 1,03–2,56) erhöht. In ECST alleine war der Unterschied 8,0% vs. 6,2% (n.s.) [66]. Aus den aktuellen Studien zur stentgeschützten Angioplastie (SPACE, EVA3S, ICCS) sind Patienten mit im Vergleich zur Bifurkationsstenose höhergradiger intracranieller Stenose ausgeschlossen worden [91].

Verschiedene Methoden zur Erhöhung der Vorhersagekraft von Ultraschalluntersuchungen wurden beschrieben. Die Technik der Mikroemboliedetektion (MES) hat sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt, 1998 wurde ein Konsensus zur Technik veröffentlicht [92]. Bei Patienten mit klinisch asymptomatischer Stenose sind MES seltener als bei kürzlich symptomatischer Stenose, auch gibt es einen positiven Zusammenhang zu dem Stenoseausmaß und zur Stenosemorphologie [72]. Patienten mit asymptomatischer Stenose ohne MES haben ein sehr geringes Risiko in der nächsten Zeit (< 1%/Jahr) ein zerebrovaskuläres Ereignis zu erleiden [75]. In einer Studie mit 202 Patienten zeigte sich bei vorhandenen MES ein nicht signifikanter Trend für ein höheres Risiko im Zeitraum von 6 Monaten, einen Schlaganfall oder TIA zu erleiden (OR 1,4; 95%-KI 0,43–4,48) [71]. In der Studie von Spence et al. [75] war das Risiko im ersten Jahr nach MES-Detektion signifikant höher, eine TIA (OR 10,1; 95%-KI 1,76–56,6; p = 0,0044) oder einen Schlaganfall (OR 17,5; 95%-KI 3,2–116,7; p = 0,0003) zu erleiden. Im zweiten Jahr allerdings bestand kein signifikanter Unterschied mehr. In einer Metaanalyse hatten Patienten mit Mikroembolie-positiver asymptomatischer Carotisstenose gegenüber vergleichbaren Patienten ohne detektierbare Mikroemboliesignale ein erhöhtes Schlaganfallrisiko (OR 7,46; 95%-KI 2,24–24,89; p = 0,001), allerdings waren die Ergebnisse der zugrunde liegenden Studien heterogen [35]. Die Bestimmung der Vasomotorenreserve ist weniger gut standardisiert. Verschiedene sonographische, neuroradiologische oder nuklearmedizinische Techniken stehen zur Verfügung. In einer prospektiven Untersuchung mit 117 Patienten mit asymptomatischer Carotisstenose oder Carotisverschluss zeigte sich, dass die Bestimmung der Vasomotorenreserve mit einem CO2-Gehalt von 8% ein besserer Prädiktor zerebrovaskulärer Ereignisse war als die mit einem FiCO2 von 6% oder der Pulsatilitätsindex. Nach Adjustierung für verschiedene andere Risikofaktoren war die reduzierte Vasomotorenreaktivität bei einem FiCO2 von 8% ein unabhängiger Risikofaktor, eine TIA oder einen Schlaganfall zu erleiden (OR 14,4; 95%-KI 2,63–78,7).

Der einzige weitere unabhängige Risikofaktor war in dieser Kohorte das weibliche Geschlecht (OR 9,8; 95%-KI 2,2–43,4). Ob diese Subgruppe von der operativen Behandlung der Stenose aber besonders profitiert, kann aus diesen observativen Daten nicht geschlossen werden [69]. In einer Untersuchung an 94 Patienten mit asymptomatischer hochgradiger Carotisstenose zeigte sich einzig eine sonographisch mittels Breath-Holding-Index bestimmte pathologische Vasomotorenreserve als Prädiktor eines zukünftigen Schlaganfalls (OR 11,11; 95%-KI 2,63–50,0; p = 0,001) [93].

Einzelne Fallserien legen nahe, dass eine präoperativ verringerte Vasomotorenreserve ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Hyperperfusionssyndroms sowohl nach CEA als auch nach CAS ist [94].

Methodenkritik/offene Fragen: entfällt.

7.4 Sind Screening-Untersuchungen (von Risikogruppen) sinnvoll?

7.4.1 Empfehlungen

Empfehlungen siehe Tab. 6.

Tab. 6 Sind Screening-Untersuchungen (von Randgruppen) sinnvoll?

7.4.2 Literatur (Leitlinien, Reviews, Studien), Bewertung der Evidenz und offene Fragen

Leitliniensynopse:

USA 2011 [23]: Patienten mit einem Strömungsgeräusch sollten mittels Ultraschall untersucht werden (Class IIa). Bei Patienten mit arteriosklerotischen Komorbiditäten (PAVK, KHK, Aortenaneurysma) kann eine DUS der Carotisbifurkation sinnvoll sein (Class IIb). Ein Routine DUS-Screening asymptomatischer Patienten oder von Patienten mit sonstigen nicht carotisassoziierten neurologischen/psychiatrischen Erkrankungen wird nicht empfohlen (Class III). Siehe Tab. 11 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

Society for Vascular Surgery (SVS) 2011 [25]: Ein Routine-Screening für die Allgemeinbevölkerung wird nicht empfohlen (Grad 1, LoE A). Ein Screening sollte erwogen werden bei Risikopatienten, die für eine Carotisintervention geeignet wären (alle Patienten mit klinischen Zeichen einer PAVK, Patienten ab dem 65. Lebensjahr mit mindestens einem der folgenden Risikofaktoren: KHK, Rauchen, Hypercholesterinämie, Grad 1, LoE B). Ein Screening könnte auch für KHK-Patienten vor einer koronaren Bypassoperation sinnvoll sein (Grad 2, LoE B). Vor einer Operation eines AAA wird ein Screening nicht empfohlen, sofern die Patienten nicht eine der zuvor genannten Kategorien aufweisen (Grad 2, LoE B). Ein Screening wird nicht empfohlen für Patienten mit vorheriger Hals- oder Kopf-Radiatio, da keine guten Daten vorliegen, die eine Intervention beim asymptomatischen Patienten rechtfertigen (Grad 2. LoE B). Siehe Tab. 14 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

Australien, 1997 [20]: Ein Screening bei asymptomatischen Patienten wird nicht empfohlen. Bei Patienten mit hohem Risiko kann ein Screening unter Umständen sinnvoll sein.

Zur Verlaufsuntersuchung von Patienten von asymptomatischer Carotisstenose liegen keine LL-Empfehlungen mit klaren Angaben zu Untersuchungsintervallen vor.

Systematische Reviews/RCTs: s. Kapitel 7.1.

Weitere Originalarbeiten: Zum Screening asymptomatischer Kohorten wurden sechs relevante Arbeiten identifiziert [95, 96, 97, 98, 99, 100]. Die Kontrollintervalle einzelner Studien waren unterschiedlich: Im Abstract der Arbeit von Mansour, 1999 [101] wird von „regelmäßigen Intervallen“ gesprochen, im Originaltext wird von 6 Monatsintervallen berichtet. In ACAS wurden die Patienten alle 3 Monate kontrolliert [7], in ACST wurden die Patienten 4 Monate und 12 Monate nach Randomisierung und dann jährlich kontrolliert [8] und in der ECST wurden die Patienten alle 6 Monate untersucht [9].

Bewertung der Evidenz: Mit zunehmender Verbreitung nichtinvasiver und damit risikoloser oder risikoarmer Verfahren stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit von unselektierten Screening-Untersuchungen auf das Vorliegen einer asymptomatischen Carotisstenose. Die Australische Leitlinie von 1997 [20] folgert: „Das Screening einer asymptomatischen Population nach Carotisstenosen wird nicht empfohlen, da Menschen mit asymptomatischer Carotisstenose üblicherweise ein verhältnismäßig geringes Schlaganfallrisiko aufweisen und die Kosten der Screening-Untersuchungen daher nicht gerechtfertigt werden können. Die Untersuchung einzelner Patienten mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko kann allerdings gerechtfertigt sein.“ Eine genauere Definition dieser Risikogruppe fehlt jedoch. Dieses Vorgehen wird in der aktuellsten nordamerikanischen LL bestätigt (Tab. 11 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org). Lediglich für Patienten mit arteriosklerotischer Komorbidität wird eine DUS der Carotisbifurkation als eventuell nützlich angesehen (Class-IIb-Empfehlung [23]).

Auch in der Arbeit von Clase et al. [99] wird deutlich, dass es bei geringer Prävalenz für das Vorliegen höhergradiger (> 50%) Carotisstenosen kein sinnvolles Screening-Verfahren gibt. Erst ab einer Prävalenz von wenigstens 40% sind Screening-Algorithmen zu vertreten. Für die Folge „Duplexsonographie, dann DSA wenn Duplex eine Stenose > 70% zeigt, dann Operation wenn DSA eine Stenose > 70% bestätigt“ wurde eine „number needed to screen“ (NNS) von 11 und eine „number needed to operate“ (NNO) von 370 ermittelt. Für den Screening-Algorithmus „Duplexsonographie und Operation wenn Ergebnis > 70%“ waren die NNS 27 und die NNO 286. In der Arbeit von Yin et al. [98] war ein einmaliges Screening etwas günstiger als ein routinemäßig alle 5 Jahre wiederholtes und nur sinnvoll, wenn mit hoher Sensitivität (> 91% für die Duplexsonographie) und die Operation mit einem Risiko < 5% durchgeführt wurde. Eine systematische Übersichtsarbeit hingegen kommt zum Schluss, dass die Reduktion des Schlaganfallrisikos der Allgemeinbevölkerung durch Screening-Untersuchungen nicht bestimmbar ist, da die RCTS zur CEA bei selektierten Patienten durch selektierte Chirurgen durchgeführt wurden [102]. In dieser Übersicht wird eine NNS von 4.348 Menschen ermittelt, um über einen Zeitraum von 5 Jahren einen Schlaganfall zu verhindern; um einen behindernden Schlaganfall zu verhindern, müssten sogar 8.696 Menschen untersucht werden.

Verschiedene Risikofaktoren wurden identifiziert, die das Risiko des Vorliegens einer asymptomatischen Stenose erhöhen (siehe auch Gruppe 1). So betrug in einer Kohortenstudie von Diabetikern die Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer relevanten (60–100%NASCET) asymptomatischen Carotispathologie 4,7%; das Risiko war deutlich höher bei Männern (OR 11,1; 95%-KI 1,3–100), Patienten mit diabetischer Retinopathie (OR 3,6; 95%-KI 1,1–11,7), einem Knöchel-Arm-Index (ABI) < 0,85 (OR 3,9; 95%-KI 1,2–12,8), einer zerebrovaskulären Erkrankung (OR 45; 95%-KI 1,2–17,8) oder einer KHK in der Anamnese (OR 3,3; 95%-KI 1,0–11,0) [95].

In einer Metaanalyse aus 19 ultraschallbasierten prospektiven Studien konnte bei 4.573 Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) eine Prävalenz von 28% bzw. 14% für eine > 50%ige bzw. > 70%ige Carotisstenose gezeigt werden. In einer weiteren Übersichtsarbeit wurde bei KHK-Patienten eine mittlere Prävalenz einer > 60%igen Carotisstenose von 9% gefunden, wobei auch hier bei älteren Patienten und einer zusätzlichen PAVK die Prävalenz anstieg [103]. Dieser enge Zusammenhang zwischen der carotidalen und koronaren Manifestation der Atherosklerose wurde in einer aktuellen Studie aus Israel (Tel-Aviv Prospective Angiography Study) bestätigt [104]. In einer Kohorte von 1.490 Patienten (Durchschnittsalter 65 ± 11 Jahre, 77,2% männlich), die am gleichen Tag eine Koronarangiographie und eine Ultraschalluntersuchung der Carotiden erhielten, zeigten sich in 58% arteriosklerotische Plaqueablagerungen im Bereich der Carotisbifurkation, in 12,8% eine relevante Stenosierung („peak systolic velocity“ (PSV) > 125 cm/s) und in 4,6% eine höhergradige Stenose (PSV > 230 cm/s). Es zeigte sich darüber hinaus eine hochsignifikante Korrelation zwischen dem Ausmaß der KHK und dem Stenosegrad der A. carotis interna (r = 0,2555, p < 0,001). Statistisch unabhängige Prädiktoren einer hochgradigen Carotisstenose oder eines chronischen Carotisverschluss waren das Vorliegen einer Hauptstammstenose (left-main CAD, OR 7,2; 95%-KI 2,00–25,95), einer 3-Gefäß-KHK (OR 4,2; 95%-KI 1,53–11,52), ein zunehmendes Lebensalter (OR 2,42; 95%-KI 1,79–3,26 für jedes 10-Jahres-Intervall), ein Schlaganfall in der Anamnese (OR 4,71; 95%-KI 1,69–13,15), ehemaliger Nikotinabusus (OR 3,25; 95%-KI 1,80–5,85) und Diabetes mellitus (OR 1,83; 95%-KI 1,05–3,19).

Zusammenfassend belegen diese Untersuchungen, dass die Prävalenz asymptomatischer Carotisstenosen mit dem Lebensalter ansteigt. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen (s. Kapitel 6.1). Beim Vorliegen einer KHK ist bei Patienten mit Hauptstammstenose, 3-Gefäß-Befall, ehemaligem Nikotinabusus und Diabetes mellitus die Wahrscheinlichkeit einer höhergradigen Carotisstenose deutlich erhöht.

Es gibt keine RCTs, die verschiedene Strategien zur Verlaufskontrolle von Patienten mit Carotisstenose miteinander verglichen haben. In den großen randomisierten Studien zur CEA asymptomatischer Carotisstenosen gab es unterschiedliche Kontrollregime: In ACAS wurden die Patienten alle 3 Monate kontrolliert [7]. In ACST wurden die Patienten 4 Monate und 12 Monate nach Randomisierung und dann jährlich kontrolliert [12] und in der ECST wurden die Patienten alle 6 Monate untersucht [86]. Patienten mit progredienter asymptomatischer Stenose haben ein höheres Schlaganfallrisiko [105], daher sollte nach der Erstdiagnose eine kurzfristigere Kontrolle erfolgen, um die Progredienz abschätzen zu können. Bei stabilem Befund können die Untersuchungsintervalle ausgedehnt werden.

Methodenkritik/offene Fragen: entfällt.

7.5 Welche prätherapeutische Diagnostik ist notwendig vor geplanter Operation oder Intervention?

7.5.1 Empfehlungen

Empfehlungen siehe Tab. 7.

Tab. 7 Welche prätherapeutische Diagnostik ist notwendig vor geplanter Operation oder Intervention?

7.5.2 Literatur (Leitlinien, Reviews, Studien), Bewertung der Evidenz und offene Fragen

Leitliniensynopse:

Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2008 [106]: Zur prätherapeutischen Diagnostik in der Sekundärprävention enthält die Leitlinie der folgende Stellungnahme: „Sekundäre Prävention: Obligat: Neurologische und internistische Untersuchung, CT oder MR (DD Ischämie, Blutung, SAB etc.), Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Gefäße, Labor, EKG, Echokardiographie (bei Territorialinfarkt); Fakultativ: Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruckmessung, spezielles Labor (Ausschluss Vaskulitis, Gerinnungsstörung)“. Siehe Tab. 19 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

European Society for Cardiology (ESC) 2011 [24]: DUS, CTA und/oder MRA werden auf höchstem Niveau empfohlen zur Evaluation einer Carotisstenose (Class I, LoE A). Dabei gilt DUS als wichtigster Schritt bei der Erstdiagnostik. Zur Verbesserung der Diagnostik vor einer Revaskularisierung wird vorgeschlagen, zwei bildgebende Verfahren anzuwenden. Eine DSA kommt bei widersprüchlichen Ergebnissen der vorherigen Untersuchungen in Betracht. Siehe Tab. 13 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

Beim Vorliegen einer asymptomatischen Stenose kann eine Bildgebung des Gehirns zur Detektion stummer zerebraler Ischämien und ein TCD zur Emboliedetektion angezeigt sein.

Society for Vascular Surgery 2011 [25]: Für alle Patienten mit Symptomen im Versorgungsgebiet der A. carotis interna wird eine starke Empfehlung für eine Bildgebung der Carotisbifurkation gegeben (Grad 1, LoE A). Dies gilt insbesondere für Patienten mit AF, nachgewiesener retinaler Embolisation (Fundoskopie) und klinisch stummen Hirninfarkten (Grad 1, LoE A). Siehe Tab. 14 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org.

Zur Wahl des diagnostischen Verfahrens empfiehlt die SVS: DUS ist die Methode der Wahl zur Detektion 50–99%iger Stenosen bei symptomatischen Patienten und 70–99%iger Stenosen bei asymptomatischen Patienten (Grad 1, LoE A, Tab. 14 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org). DUS soll auch beim Screening (s. oben) eingesetzt werden (Grad 1, LoE B). Falls der DUS keine eindeutigen Ergebnisse oder bei einem asymptomatischen Patienten eine 50–69%ige Stenose zeigt, wird eine weitere Bildgebung (MRA, CTA oder DSA) erforderlich (Grad 1, LoE B). Sofern die Darstellung proximaler oder distaler Gefäße für die Therapieplanung notwendig ist, wird ebenfalls ein weiteres Bildgebungsverfahren empfohlen. Die CTA wird als besser eingeschätzt, um Verkalkungen anzuzeigen. Eine DSA wird im Allgemeinen nur empfohlen, sofern minimal-invasive Verfahren widersprüchliche Ergebnisse zeigen und/oder vor CAS (Grad 1, LoE B). Mit Ausnahme der ESC 2011 [24] macht keine der vorliegenden LL eine Empfehlung zur prätherapeutischen zerebralen Bildgebung oder zur notwendigen Diagnostik bei Patienten mit asymptomatischer Carotisstenose (Tab. 13 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org).

Systematische Reviews/RCTs: Zur prätherapeutischen Diagnostik fanden sich keine SR oder RCTs, die verschiedene Bildgebungstechniken in Bezug auf das klinische Outcome verglichen haben.

Weitere Originalarbeiten: Nur eine weitere Arbeit wurde ausgewertet (Qureshi) [107].

Bewertung der Evidenz: RCTs zum Umfang der prätherapeutischen Diagnostik bei Patienten mit Carotisstenosen existieren nicht, weswegen die Empfehlungen als GCP formuliert wurden. Bei Patienten mit symptomatischer Carotisstenose können die allgemeinen Empfehlungen der DGN (Tab. 19 in der Onlineversion unter http://www.awmf.org) und anderer Schlaganfallgesellschaften angewandt werden, nach denen in der Folge eines Hirninfarktes eine klinisch neurologische und internistische Untersuchung, ein CCT oder MRT des Gehirns, eine Ultraschalldiagnostik der hirnversorgenden Arterien, ein EKG und bei territorialen Infarkten eine Echokardiographie und eine Labordiagnostik erfolgen sollte. Fakultativ werden die Durchführung eines Langzeit-EKGs und eine Langzeit-Blutdruckmessung empfohlen [108].

Bei Menschen mit asymptomatischer Stenose sollte zumindest eine klinisch-neurologische und internistische Untersuchung erfolgen. Ein CCT/MRT ist nicht in allen Fällen notwendig. Eine Carotisstenose ist ein Marker für eine generalisierte Arteriosklerose und geht mit einer erhöhten zerebrovaskulären und kardiovaskulären Mortalität einher. Die meisten Patienten mit asymptomatischer Carotisstenose sterben an kardiovaskulären Erkrankungen, gefolgt von nicht vaskulären Ursachen, der Schlaganfall steht erst an dritter Stelle der Liste der Todesursachen [109, 110, 111]. Auch die Koexistenz einer PAVK [112]. Daher sollten bei Patienten mit arteriosklerotischer Carotisstenose eine systematische Erfassung vaskulärer Risikofaktoren erfolgen und die Patienten gemäß der S3-Leitlinie PAVK und der nationalen Versorgungsleitlinie KHK auf das Vorliegen weitere Arteriosklerosefolgeerkrankungen (KHK, PAVK) untersucht werden.

Welche bildgebende Untersuchung vor einer operativen oder endovaskulären Intervention durchgeführt werden sollte, ist ebenfalls nicht mittels randomisierter Studien untersucht worden. Zur vaskulären Diagnostik wurde oben (3.3.) ausführlich Stellung genommen. Es hat sich etabliert, vor einer endovaskulären Therapie eine nichtinvasive Darstellung des Aortenbogens und der supraaortalen Abgänge vorzunehmen (CE-MRA oder CTA), da hierdurch Angaben über die zu erwartende Komplexität des Eingriffes erhoben werden können [113].

Mit Hilfe funktioneller Ultraschalluntersuchungen wie der Detektion zerebraler Mikroemboliesignale und der Bestimmung der Vasomotorenreserve kann das frühe Rezidivrisiko einer zerebralen Ischämie nach kürzlich symptomatischen Carotisstenose abgeschätzt werden. Patienten mit einer mittels Doppler-CO2-Test bestimmten, aufgehoben Vasomotorenreserve distal der Carotisstenose erlitten signifikant häufiger einen schweren Rezidivschlaganfall noch vor der geplanten CEA gegenüber Patienten mit nicht beeinträchtigter Vasomotorenreserve (OR 9,7; 95%-KI 2,1–44,1; p = 0,003) [114]. Die Detektion zerebraler Mikroemboliesignale distal einer kürzlich symptomatischen Carotisstenose ist mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert gegenüber Patienten ohne Mikroemboliesignalen (OR 9,57; 95%-KI 1,54–59,38; p = 0,002) [115]. Beide Untersuchungsverfahren erlauben eine Risikostratifizierung von Patienten mit symptomatischer Carotisstenose hinsichtlich eines frühen Schlaganfallrezidivs. Zur klinischen Wirksamkeit daraus abzuleitender therapeutischer Konsequenzen (z. B. früherer Operationszeitpunkt, erweiterte antithrombotische Medikation) liegen keine Studien vor.

Methodenkritik/offene Fragen: Art und Umfang der prätherapeutischen Diagnostik sollte auch auf gesundheitsökonomische Fragestellungen hin untersucht werden.