In seinen Vorlesungen mit dem Titel „Die krankhaften Geschwülste“ verwandte Virchow (1821–1902) zum ersten Mal den Begriff Gliome und bezeichnete die Neuroglia als Ursprung von Gliomen. In den 1920er Jahren beschrieben Cushing u. Bailey die Hirntumoren und führten den Begriff Glioblastoma multiforme ein, aus der Beobachtung, dass der Tumor sich einerseits aus primitiven Vorstufen von Gliazellen (Glioblasten) entwickelt und andererseits ein histologisch komplexes, multiformes Bild zeigt. 1949 führte Kernohan das Konzept der histologischen Graduierung ein und unterteilte die Gliome in 4 Grade. Zülch fusionierte die Terminologie von Cushing u. Bailey mit dem Graduierungskonzept von Kernohan und schuf damit die Grundlagen der heutigen WHO-Klassifikation von Gliomen. Die Entscheidung zur Erstellung der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems geht bis auf das Jahr 1956 zurück, das erste Buch wurde im Jahre 1979 von Zülch herausgegeben. Die WHO-Klassifikation wurde zwischenzeitlich in den Jahren 1993 [2], 2000 [3] und 2007 [1] überarbeitet. Die histopathologische, zunehmend auch die genetische Klassifikation der Hirntumoren stellen die wichtigsten Grundlagen für die therapeutischen Strategien dar.

Die Gliome entstehen am häufigsten aus dem Stütz- und Nährgewebe für Nervenzellen, der Glia. Astrozytome nehmen ihren Ursprung aus den sog Astrozyten, einer Unterart der Glia, und Oligodendrogliome aus den sog. Oligodendrozyten, einer anderen Unterart der Glia. Viele Gliome bestehen aus einem Gemisch von Astrozyten und Oligodendrozyten. Tumoren anderer Zelltypen sind weit weniger häufig. Tumoren der Nervenzellen (Neurone) sind z. B. im Erwachsenenalter sehr selten.

Gliome machen ca. 30–50% aller Gehirntumoren aus

Gliome machen ca. 30–50% aller Gehirntumoren aus. Darunter sind ca. 50% hoch maligne Glioblastome (Grad IV), ca. 25% Astrozytome des Malignitätsgrades I–III, 5–18% Oligodendrogliome, 2–9% Ependymome. Die Inzidenz der Gliome ist in den USA und Europa mit 7–11/100.000 Einwohnern höher als in Asien mit 2–4/100.000 Einwohnern. Männer erkranken häufiger als Frauen (m/w: 1,2–1,9:1).

Das Ziel dieses Hefts ist, die aktuellen Kenntnisse in der Diagnostik und Therapie der Gliome darzustellen. Schlegel et al. präsentieren die komplexe, kontrovers diskutierte Problematik der Hirntumorstammzellen und Konsequenzen für die Entwicklung von neuen therapeutischen Strategien. Warmuth-Metz stellt die neuen radiologischen Möglichkeiten zur nichtinvasiven Diagnostik der Hirntumoren dar und diskutiert kritisch die Valenzen und Limitationen von Computer- und Magnetresonanztomographie. Der therapeutische Teil erfasst die drei wichtigen Säulen in der Behandlung von Hirngliomen: Operation (Ringel et al.), Strahlentherapie (Kortmann) und Chemotherapie (Wick et al.). Die Autoren präsentieren die aktuelle Studienlage und ziehen Schlüsse für die Praxis. In ihrem Kapitel „Stellenwert der Tumorresektion in der interdisziplinären Behandlung hirneigener Tumoren“ betonen Ringel et al. die Bedeutung einer kompletten Tumorextirpation einerseits und eines perfekten funktionellen Ergebnisses der Operation andererseits. Sie zeigen, dass sich in den letzten Jahren mit neuen intraoperativen Techniken wie der 5-Aminolävulinsäure und fluoreszenzgestützten Tumorresektion, der Verwendung der Neuronavigation, der Benutzung des elektrophysiologischen intraoperativen Neuromonitoring, der prä- und intraoperativen morphologischen und funktionellen Bildgebung die Technik des neurochirurgischen Eingriffs deutlich verbessert hat. Über signifikante Forschritte in der Präzision der Behandlung berichtet Kortmann in seinem Kapitel „Strahlentherapie bei Hirngliomen im Erwachsenenalter“. Der Autor präsentiert verschiedene Techniken der Hochpräzisionsstrahlentherapie mit ihren Vorteilen für eine bessere Schonung des gesunden Gewebes, Reduktion der Nebenwirkungen und Verbesserung der Tumorkontrolle. Signifikante Fortschritte wurden in den letzten Jahren im Bereich der systemischen Therapie erzielt. Eine ganze Reihe von klinischen randomisierten Phase-II- und Phase-III-Studien haben den Stellenwert der Chemotherapie in der Behandlung von Hirngliomen untersucht. Wick et al. präsentieren eine kritische Zusammenfassung.

Auch wenn die Ergebnisse im Bereich der gesamten Überlebensraten, insbesondere bei Glioblastomen, noch unbefriedigend sind, zeigen sich in den letzten Jahren doch deutliche Fortschritte in der Diagnostik und Therapie der Gliome. Die Problematik der Diagnose und Therapie ist komplexer geworden und sollte interdisziplinär und patientenbezogen gelöst werden. Die wichtigste Botschaft dieses Hefts ist, dass nur die Zusammenarbeit von allen neuroonkologischen, diagnostischen und therapeutischen Disziplinen zu einem optimalen Behandlungskonzept für den jeweiligen Patienten führen kann und sowohl Wissenschaft als auch Forschung zu neuen Erkenntnisse treibt.

A. L. Grosu

Für die Herausgeber des Schwerpunkthefts

M. Bamberg

Für die Herausgeber