Anlagenbetreiber erneuerbarer Energien – eine neue Perspektive

Die Energiewende ist eine bedeutende Systemtransformationen, die den Flächennutzungsdruck erhöht. Vielerorts konkurriert der Ausbau erneuerbarer Energien (EE) mit anderen Nutzungen, z. B. Freizeit, Erholung. Obwohl der Ausbau der Erneuerbaren eine breite Zustimmung in der Bevölkerung findet (AEE 2019), werden geplante Projekte zunehmend von der Bevölkerung ausgebremst, häufig mit der Begründung, dass sich Anlagen an einem Standort ökonomisch nicht rentieren oder mit Flora/Fauna um Standorte konkurrieren würden.

Durch das Fortschreiten der Energiewende und Anreize (z. B. EEG) können erneuerbare Energieanlagen nicht mehr nur ausschließlich von professionellen Unternehmen, sondern auch von Individuen oder privaten Gruppen geplant und betrieben werden (Staab 2016). Bei Energieanlagenbetreibern hat sich demnach ein Wandel vom Monopol der Energieversorgungsunternehmen (EVU) hin zu einer heterogenen Betreiberlandschaft vollzogen, der nicht zuletzt mit einer „Entprofessionalisierung von Standortentscheidungsprozessen“ (Bosch et al. 2016, S. 29) einhergeht.

Bisherige Ansätze zur Steuerung von Standorten für Erneuerbare sind unzureichend und berücksichtigen diesen Akteurswandel nicht ausreichend. Bosch und Schwarz (2018) kritisieren hierbei, dass bestehende Ansätze lediglich ökonomische Faktoren beinhalten. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Proteste gegen konkrete Projekte müssen Modelle zur Raumverträglichkeit von Erneuerbaren überarbeitet werden sowie zusätzliche Perspektiven Eingang finden (Sovacool 2014).

Eine neue Perspektive ist die der Anlagenbetreiber. Aufgrund des Markteintrittes von neuen Betreibern besteht die Notwendigkeit, deren Verhalten zu verstehen. Im Rahmen dieser Studie wurde, basierend auf einer Betreiberbefragung in den Planungsregionen Augsburg und Lausitz-Spreewald, eine Clusteranalyse von Anlagenbetreibern durchgeführt mit dem Ziel, deren standortrelevantes Verhalten nachvollziehen zu können. Als Fundament dient der Behaviorismus nach Pred (1967), der in Abschn. 2 näher erläutert wird. Basierend auf dieser Grundlage wurden eine Cluster- und eine GIS-Analyse durchgeführt (Abschn. 3), deren Ergebnisse anhand der Region Augsburg präsentiert werden (Abschn. 4). Abschließend wird eine Anpassung des Behaviorismus vorgeschlagen, und es werden Handlungsempfehlungen vorgestellt (Abschn. 5). Die vorliegende Studie leistet somit einen Beitrag zum raumverträglichen Ausbau der Energiewende aus der Perspektive der Anlagenbetreiber.

Theorie – Behaviorismus nach Pred

Im fossil-nuklearen Energiesystem der 1990er-Jahre stellten die 4 EVUs mit professionell-rationalen Standortentscheidungen die wichtigsten Akteure im Energiesystem dar. Heutzutage weisen Standortentscheidungen einen geringeren Grad an wirtschaftlicher Rationalität auf: Dabei wird Gewinn, jedoch nicht zwangsläufig Gewinnmaximierung angestrebt. Ein Standort kann sich innerhalb einer räumlichen Gewinnzone befinden (Bathelt und Glückler 2012). Durch das EEG ist die Gewinnmaximierung nicht mehr der entscheidende Faktor für die Standortwahl, und die Errichtung von Erneuerbaren ist aufgrund der energetischen Verfügbarkeit theoretisch überall möglich (Gailing und Röhring 2015). Neue Anlagenbetreiber greifen durch ihre Standortwahl in die Landschaft ein, wobei nicht mehr nur wirtschaftliche, sondern auch persönliche, soziale und emotionale Motive eine essenzielle Bedeutung haben (Kühne und Weber 2016).

Der Behaviorismus nach Pred (1967) suggeriert ein suboptimales Standortverhalten. Faktoren, die die Qualität einer Standortentscheidung beeinflussen, sind die Verfügbarkeit der standortrelevanten Informationen sowie die Fähigkeit, diese Informationen zu verarbeiten. Subjektive Faktoren wie Präferenzen, Glaube und geistige Haltung können dabei zu einem abnehmenden Informationsgrad und zu einer suboptimaleren Entscheidung führen. Ein Energiesystem, dass sich durch eine Vielzahl an semiprofessionellen Akteuren auszeichnet, unterliegt demnach einem Einfluss an subjektiven Entscheidungen. Während der Behaviorismus von einem Überangebot an Fläche ausgeht, verschärft sich die Konkurrenz um Fläche im Rahmen der Energiewende dadurch, dass semiprofessionelle Akteure Standortentscheidung treffen ohne die Motivation, eine gewinnmaximierte Wahl zu treffen, und ohne die Möglichkeit, alle vorhandenen Informationen zu sammeln und optimal verarbeiten zu können. Daher ist es wichtig, die Faktoren, die zu einer Standortentscheidung führen, zu erfahren. Dies erfolgte über eine schriftliche Befragung der Anlagenbetreiber von erneuerbaren Energieanlagen, die standortbestimmende Einflussgrößen abgefragt hat.

Methodik

Um die Faktoren, die zu Standortentscheidungen bei Anlagenbetreibern führen, zu identifizieren, wurde ein Fragebogen an alle EE-Anlagenbetreiber im Untersuchungsgebiet geschickt. Dabei wurde in 2 Regionen befragt, um regional-strukturelle Unterschiede der Energiesysteme zu beachten, dennoch aber eine allgemeingültige Klassifikation der Anlagenbetreiber anstreben zu können. In Augsburg existieren großteils Biogas- und PV-Anlagen, während in Lausitz-Spreewald die Windenergie häufiger genutzt wird. Es konnten insgesamt 23 % (n=135) der Betreiber im Untersuchungsgebiet befragt werden.

Zur Klassifizierung des Standortverhaltens der Betreiber wurde eine hierarchische Clusteranalyse gewählt. Als Proximitätsmaß wurde aufgrund der intervallskalierten Variablen die quadrierte euklidische Distanz genutzt (Backhaus et al. 2016). Anschließend wurde die Ward-Methode als Fusionierungsalgorithmus genutzt, da diese eine hohe gruppeninterne Homogenität ermöglicht. Die Entscheidung für die Anzahl der Gruppen wurde durch Dendrogramm- und Elbow-Kriterium getroffen. Allen Faktoren wurde das gleiche Gewicht beigemessen. Folgende Faktoren wurden für die Clusteranalyse genutzt: Anzahl beteiligter Personen am Standortprozess, Distanz zwischen Anlage und Betreibersitz, Standortfaktoren (Energiepotenzial, Transportkosten, Zulieferbetriebe, Landschaftsbild, persönliche Präferenzen, inst. Einbettung, soziales Umfeld, Akzeptanz und Zufall) sowie Projektziele (Wirtschaftlichkeit, Bürgerbeteiligung, Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Grundlastfähigkeit, Volllaststunden, Flächeneffizienz, Gestehungskosten, unternehmerischer Ehrgeiz, Umweltschutz, Landschaftsbild, Rückbaufähigkeit, Unabhängigkeit und Generationengerechtigkeit). Das Ziel der Clusteranalyse war es, die unterschiedlichen raumrelevanten Betriebsentscheidungen zu klassifizieren, und nicht, verschiedene Anlagentypen miteinander zu vergleichen.

Um den einzelnen Betreibergruppen Charakteristika zuzuschreiben, wurden standardisierte Residuen genutzt. Ab einem Wert von +2 bzw. −2 gilt, dass ein Charakteristikum mit einer hohen statistischen Signifikanz einer bestimmten Betreibergruppe zugeordnet werden kann. Für die Beschreibung der Gruppen (Abschn. 4) wurden daher lediglich Charakteristika aufgeführt, die dieses Kriterium erfüllen. Dennoch können Betreiber innerhalb einer Gruppe auch von den Gruppencharakteristika abweichen, und nicht alle Betreiber innerhalb einer Gruppe müssen exakt gleich handeln.

Es wurde ein technologieoffener Ansatz gewählt, der Faktoren für raumrelevante Standortentscheidungen betont, um den Raum und dessen Anforderungen zu fokussieren. Um anschließend das Potenzial für die Perspektive der Anlagenbetreiber zu testen, wurde auf dem Konzept zum raumverträglichen Ausbau der Erneuerbaren von Bosch et al. (2016) aufgebaut. Dort wurden, basierend auf den räumlichen Anforderungen bezüglich der Energieproduktion Flächeneffizienz, Genehmigung, Gestehungskosten, Landschaftsintegration, Ökobilanz, Partizipation, Regelbarkeit, Rückbaufähigkeit und Volllaststunden 5 Raumkategorien definiert: Vorbelasteter Raum (verkehrsinfrastrukturell geprägt, Konversionsflächen), Dienstleistungsraum (schützenswertes Landschaftsbild, hohe Sensibilität gegenüber Technisierung), Landwirtschaftlicher Raum (Acker‑, Grünlandflächen), Forstwirtschaftlicher Raum (Laub‑, Nadel‑, Mischwälder) sowie Verletzlicher Raum (schützenswerte Gebiete, Lebensraum für gefährdete Flora/Fauna). Um eine Kompatibilität zwischen Verhalten der Anlagenbetreiber bei der Standortwahl sowie Anforderungen einer Raumkategorie bezüglich der Errichtung von Erneuerbaren festzustellen, wurden die Betreibertypen hinsichtlich derselben Faktoren klassifiziert und anschließend anhand einer Kreuztabelle verglichen. Somit wurde festgestellt, welcher Betreibertyp mit seinem Verhalten den Anforderungen einer Raumkategorie entspricht.

Clusterung von Anlagenbetreibertypen und deren räumliche Implikationen

Es konnten 5 Gruppen gebildet werden, wobei zu beachten ist, dass eine Gruppe, aufgrund ihres Extremcharakters und geringen Gruppengröße (n=3) aus der Analyse exkludiert wurde. Die relevanten Gruppen sind die Überregionalen (n=15), die Regionalen (n=33), die Kommunalen (n=19) sowie die Kleinbäuerlichen Betreiber (n=35). Durch die Clusteranalyse ist es möglich, das standortbezogene Verhalten und die daraus resultierenden räumlichen Implikationen der Betreibergruppen zu benennen.

Abb. 1 verdeutlicht die Parameter, anhand derer sich die Betreibergruppen unterscheiden. Der Aktionsraum zeigt dabei den Raum, in dem die Betreiber agieren: potenzieller Suchraum, Umkreis für Zulieferbetriebe und Entfernung vom Betreibersitz zur Anlage. Dieser Aktionsraum reicht von den Kleinbäuerlichen Betreibern, die lokal handeln, bis zu den Überregionalen Betreibern, die in ganz Deutschland agieren. Die x‑Achse beschreibt die wirtschaftliche und soziale Projektdimension der jeweiligen Betreibergruppe: Anlagengröße (Leistung, Fläche), Betreibergröße (Personen, Unternehmensvolumen), Professionalität des Unternehmens (z. B. Energieunternehmen mit Standortabteilung, landwirtschaftlicher Betrieb, Genossenschaft), Komplexität der Genehmigung (Antrag beim Landratsamt, Prüfung nach BImSchG, BNatSchG) und Anlagenreichweite (Einbindung des sozialen Umfelds mit Nahwärmesystem, Ebene der Netzeinspeisung). Somit kann den Anlagen der Kleinbäuerlichen, Kommunalen und Regionalen Betreiber das Attribut dezentral zugewiesen werden, während die Überregionalen Betreiber häufig Energieanlagen mit zentralem Charakter betreiben. Dabei gehen die Faktoren, die einen Betreiber charakterisieren, weit über die Verfügbarkeit von Informationen und die Verarbeitungsfähigkeit hinaus.

Abb. 1
figure 1

Betreibergruppen im Kontext von Projektdimension und Aktionsraum. (Quelle: eigene Darstellung)

Die Kleinbäuerlichen Betreiber sind zumeist kleine landwirtschaftliche Betriebe, die Kleinbiogasanlagen sowie PV-Anlagen auf Dachflächen von vorhandenen Gebäuden, z. B. Viehställen, errichten. Die Standortsuche entfällt, da mit dem eigenen Hofgelände die Infrastruktur für EE besteht. Die Genehmigung ist meist ein einfacher Prozess. Der wichtigste Standortfaktor ist das soziale Umfeld (z. B. Familie in räumlicher Nähe), das oft durch Nahwärmekonzepte unmittelbar an der Energieanlage teilhat. Kleinbäuerliche Betreiber nutzen die Errichtung von Biogasanlagen als ökonomische Sicherheit, um der unsteten Marktpreisentwicklung für landwirtschaftliche Erzeugnisse entgegenzuwirken (Baffes und Haniotis 2016). Das wichtigste Projektziel ist eine hohe Anlagenauslastung. Die räumliche Nähe hat eine sehr große Bedeutung und standortbedingte Nachteile, z. B. Verringerung der Biodiversität oder Erosion müssen durch die unternehmerische Leistung ausgeglichen werden.

Eine weitere lokal agierende Betreibergruppe sind die Kommunalen Betreiber. Ihnen ist keine bestimmte Anlagenart zuzuschreiben. Häufig handelt es sich um große Hofbiogasanlagen oder PV-Freiflächenanlagen, die von landwirtschaftlichen Betrieben, Kommunen oder kommunalen Unternehmen betrieben werden. Dennoch betreiben Kommunale Betreiber auch kleine Windparks. Die Energieanlagen befinden sich dabei im unmittelbaren Wohnumfeld der Betreiber (<2 km). Ökonomische Projektziele haben große Bedeutung, z. B. reg. Wertschöpfung, Schaffung von Arbeitsplätzen oder eine hohe Anlagenauslastung. Auch hier ist die Einkommensdiversifizierung ein wichtiges Handlungsmotiv, die durch das EEG 2017 gestützt wird – hier wurden Biogasanlagen mit <150 kW und PV-Anlagen mit <750 kW Leistung vom Ausschreibungsverfahren befreit (Gawel et al. 2017). Vor allem Landwirte mit Feldern zum Anbau von Energiepflanzen oder mit Stallungen zur Güllenutzung können somit lukrativ Biogasanlagen betreiben. Es herrschen eine hohe Ortskenntnis und soziale Bindung vor, die Einbindung von Bürgern außerhalb des sozialen Umfelds ist jedoch bedeutungslos.

Regionale Betreiber zeichnen sich durch einen Standortsuchraum von <15 km aus. Die Grundlastfähigkeit ist nicht sehr wichtig, da hauptsächlich PV-Anlagen errichtet werden. Durch ihre regionale Verankerung besitzen sie zumeist hohe Raumkenntnisse. Auffällig ist die fehlende Berücksichtigung sozialer Aspekte. So sind Regionale Betreiber häufig mit regionalen Planungsverbänden verbunden, weswegen eine gewisse rechtliche Bindung gegenüber den Regionalplänen besteht (Gawron 2014). Diese Betreibergruppe hat somit ein höheres Kapital zur Verfügung.

Die weitreichendste Projektdimension haben die Überregionalen Betreiber. Sie besitzen die größte geografische Flexibilität und die größten wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten. Häufig sind viele Personen (6 bis 10) an den Standortentscheidungen beteiligt. Häufig werden Windparks von dieser Gruppe betrieben, die unter den Erneuerbaren das größte Investitionsvolumen haben. Die Distanz zwischen Betreibersitz und Anlagenstandort beträgt in der Regel >50 km, und der Suchumkreis erstreckt sich über ganz Deutschland. Räumliche Nähe ist unwichtig, und persönliche Präferenzen sind bedeutungslos. Ökonomische Standortfaktoren wie das Energiepotenzial besitzen eine überproportionale Bedeutung. Aufgrund des großen Suchumkreises der Überregionalen Betreiber ist die lokale Ortskenntnis meistens verhältnismäßig gering, und deren wichtigstes Ziel ist der ökonomische Betrieb der Anlage.

Über die empirischen Klassifizierungen hinaus wird die Rolle von Bürgerenergiegenossenschaften als Treiber der Energiewende betont. Im Fallbeispiel konnte diese Rolle jedoch nicht nachvollzogen werden, da im Untersuchungsgebiet nur wenige Bürgerenergiegenossenschaften Anlagen realisiert haben. Die Bedeutung der Bürgerenergie unterliegt einer räumlichen Differenzierung, v. a. in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen gibt es viele Bürgerenergiegenossenschaften (Kahla et al. 2017), aber auch im Norden von Bayern (StMWi Bayern 2020). Zusätzlich bedürfen die Bürgerenergie und der Einfluss von Bürgern auf die Standortwahl und -faktoren generell einer kritischen Betrachtung (Schwarz 2020). Bürgerinitiativen haben Eigenschaften (z. B. Standortsuchraum, Anlagendimension, Projektziele) wie die Kommunalen Betreiber, unterscheiden sich aber bezüglich Partizipation und Akzeptanz (BBEn 2018).

Die Betriebsweisen, Standortfaktoren und Projektziele wirken sich auf die räumlichen Implikationen einer Energieanlage aus. Dabei unterscheiden sich die Auswirkungen beispielsweise von Windkraftanlagen, die von Regionalen Betreibern errichtet werden, von denen, die von Überregionalen Betreibern errichtet werden.

Abb. 2 zeigt die raumrelevanten Anforderungen der Betreibergruppen. Ein „+“ bedeutet, dass ein Betreibertyp die räumlichen Anforderungen bezüglich eines Faktors gut erfüllen kann („O“ = mittlere und „−“ = niedrige Vereinbarkeit). Diese Klassifizierung wurde mit den Raumanforderungen von Bosch et al. (2016) abgeglichen, wodurch sich der kompatibelste Betreibertyp für jede Raumkategorie ergibt.

Abb. 2
figure 2

Räumlich relevante Betreiberanforderungen. (Quelle: eigene Darstellung nach Bosch et al. 2016)

Tab. 1 zeigt die Übereinstimmungen bei den Raum- und Betreiberanforderungen. Eine Übereinstimmung bedeutet, dass ein Betreibertyp den Anforderungen des Raums gerecht werden kann (beispielsweise Forstwirtschaftlicher Raum hat hohe Anforderungen an Flächeneffizienz. Aufgrund des Verhaltens können Regionale Betreiber diese Anforderung erfüllen). Je höher die Anzahl der Übereinstimmungen, desto kompatibler ist ein Betreiber mit einer Raumkategorie. So sind beispielsweise Regionale Betreiber der kompatibelste Betreibertyp für den Verletzlichen Raum. Auffällig ist, dass Überregionale Betreiber für keine Raumkategorie den kompatibelsten Betreibertyp darstellen. Dies bedeutet nicht, dass Überregionale Betreiber nur konfliktträchtige Energieprojekte ausbauen, und ebenfalls nicht, dass eine Raumkategorie nur von einem Betreibertyp genutzt werden kann, sondern auch von anderen Betreibern, die der Betriebsweise des kompatiblen Betreibertyps und somit den Raumanforderungen entsprechen.

Tab. 1 Zuordnung von Raum- und Betreiberanforderungen. (Quelle: eigene Darstellung)

Abb. 3 zeigt die Raumkategorien nach Bosch et al. (2016) und die Betreiberkompatibilität. Für Augsburg kann demnach der größte Anteil von 2513 km2 (ca. 62 %) kompatibel von den Kommunalen Betreibern genutzt werden. Verglichen mit den tatsächlichen Anlagenstandorten bedeutet dies, dass knapp die Hälfte aller Betreiber (47,2 %) einen Standort gewählt hat, der der Kompatibilität der Betreibergruppe entspricht. Hierin zeigt sich ein Handlungsbedarf für den weiteren Anlagenausbau.

Abb. 3
figure 3

Kompatibilität von Betreibern und Raumkategorien (Augsburg). (Quelle: eigene Darstellung)

Neuer Behaviorismus der Energiewende

Um Flächenkonkurrenz und Protesten entgegenzutreten, bedarf es eines besseren Verständnisses der räumlichen Planungsmuster von EE-Betreibern. Diese Studie hat erstmals das standortplanerische Verhalten von Betreibern analysiert, um die Planungspraxis für Erneuerbare zu optimieren. Zunächst müssen bestehende räumliche Planungsmuster anders gedacht werden: Mittlerweile stehen semiprofessionelle Akteure, deren Entscheidungen durch neue behavioristische Faktoren beeinflusst werden, im Fokus der Energiewende. Somit muss das Modell zur behavioristischen Standortwahl nach Pred (1967) umgedacht werden, hinzu einem neuen Behaviorismus der Energiewende (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Neuer Behaviorismus der Energiewende. (Quelle: eigene Darstellung)

Neben den klassischen Parametern nach Pred (1967) gewinnen folgende Faktoren durch die neue Akteursstruktur der Energiewende in der Standortentscheidungsmatrix an Bedeutung: Subjektivität, räumliche Kenntnis, Projektziele, Motivation und persönliche Konstitution (vgl. Tab. 2).

Tab. 2 Aspekte des Neuen Behaviorismus der Energiewende. (Quelle: eigene Darstellung)

Die räumlichen Margen der ökonomischen Profitabilität bleiben vorhanden, das EEG ermöglicht aber auch Standorte außerhalb dieser Suchräume. Neben dem ökonomisch optimalen Standort gibt es auch ökologisch oder sozial optimale Standorte, die inner- und außerhalb der ökonomischen Profitzone liegen können. Die Beachtung aller Standorte ist für die Fortführung des EE-Ausbaus von großer Bedeutung. Das Ausschreibungsverfahren bietet dabei Optimierungspotenzial: Vor allem kleine Betreiber, die wenig/keine Erfahrung mit dem Ausbau Erneuerbarer haben, können selten mit erfahrenen Unternehmen mithalten, die geringere Preise in den Ausschreibungsrunden bieten können. Es gibt zwar Anlagengrößen, die von diesem Verfahren ausgenommen sind, diese Grenzen liegen jedoch zu niedrig, verhindern somit den Markteintritt neuer Betreiber und gefährden das Ziel der Akteursvielfalt.

Die neuen behavioristischen Standortfaktoren bedingen eine Anpassung bestehender Raumkategorien: Die Energiewende ist ein postkonventionelles Vorhaben und kann nicht mit konventionellen Methoden raum- und sozialverträglich bewältigt werden. Die Raumordnung, aber auch die Regionalplanung ist daher gefordert, neue Raumkategorien speziell für die Planung von Erneuerbaren zu schaffen. Dabei muss beachtet werden, dass jegliche Raumkategorien unterschiedliche Tragfähigkeiten besitzen. In der Studie hat beispielsweise der Verletzliche Raum eine geringere Tragfähigkeit für EE als der Vorbelastete Raum. Dennoch besitzt der Verletzliche Raum eine gewisse Tragfähigkeit für EE, wodurch ein angemessenes Maß an EE auch in dieser Raumkategorie möglich ist, solange deren Anforderungen geachtet und von der Planungs- und Verhaltensweise eines Betreibers widergespiegelt werden. Somit kann das nachhaltige Leitbild der Raumordnung (ROG 2017) umgesetzt werden, ohne Räume zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

Weitere Handlungsmöglichkeiten bestehen für kommunale Entscheidungsträger: Diese können durch WebGIS-Anwendungen unterstützt werden, die Daten zu Anforderungen der Raumkategorien bezüglich der Errichtung von EE enthalten. Entscheidungsträger können diese Daten nutzen, um Projekte in der eigenen Gebietseinheit umzusetzen, um geeignete Projektierer, die die räumlichen Anforderungen beachten, zu wählen oder um die Projektierung zu unterstützen. Somit können Faktoren die für eine raum- und sozialverträgliche Energiewende vor Ort relevant sind, in die Planung integriert und die Eigenheiten eines Betreibertyps angepasst werden, um den örtlichen Anforderungen zu entsprechen.

Um die Ergebnisse weiter verfeinern zu können, wäre in Folgestudien die Untersuchung von Betreibern in Nord- oder Westdeutschland wünschenswert, da hier wiederum andere Ausgangsbedingungen für die Planung und den Betrieb von Erneuerbaren vorherrschen. Die Klassifizierung der unterschiedlichen Betreibertypen eröffnet somit eine praxistaugliche Perspektive auf einen räumlich angepassten, konfliktärmeren Ausbau erneuerbarer Energien.